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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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in welchen die Freude nur, wie eine Münze,
unter dem Gepräge des konventionellen Wohl-
stands ausgespendet wird, um sich unter den
großen Haufen zu mischen, wo sich Jedermann
freuen darf, wie er will.

Der Russe ist, im Ganzen genommen, ein
fröhlicher Mensch. Ein glücklicher Leichtsinn
und eine ihm vorzüglich eigene Sorglosigkeit
begleiten ihn durch sein ganzes Leben. Das
elendeste Schicksal und die mühseligste Arbeit
lassen ihm noch immer einiges Gefühl für den
Genuß seines Daseyns. Jenes bekümmert ihn
nicht, da sein Ideenkreis sich selten bis zu der
Vorstellung einer edlern und verfeintern Exi-
stenz erweitert; diese versüßt er sich durch sei-
nen Gesang und sein Schälchen. Die Grenz-
linie, auf welcher diese schöne Grundfarbe im
Volkskarakter allmälig verschwindet, ist die
Scheidewand zwischen Pöbel und Bürger. Je
höher die Klassen der Menschen, um desto we-
niger natürlicher Frohsinn. In unsern Logen
und glänzenden Zirkeln sind die Gesichter so
finster, als in irgend einer Hauptstadt von
Europa. Ein starker Beweis, daß Zufriedenheit

in welchen die Freude nur, wie eine Muͤnze,
unter dem Gepraͤge des konventionellen Wohl-
ſtands ausgeſpendet wird, um ſich unter den
großen Haufen zu miſchen, wo ſich Jedermann
freuen darf, wie er will.

Der Ruſſe iſt, im Ganzen genommen, ein
froͤhlicher Menſch. Ein gluͤcklicher Leichtſinn
und eine ihm vorzuͤglich eigene Sorgloſigkeit
begleiten ihn durch ſein ganzes Leben. Das
elendeſte Schickſal und die muͤhſeligſte Arbeit
laſſen ihm noch immer einiges Gefuͤhl fuͤr den
Genuß ſeines Daſeyns. Jenes bekuͤmmert ihn
nicht, da ſein Ideenkreis ſich ſelten bis zu der
Vorſtellung einer edlern und verfeintern Exi-
ſtenz erweitert; dieſe verſuͤßt er ſich durch ſei-
nen Geſang und ſein Schaͤlchen. Die Grenz-
linie, auf welcher dieſe ſchoͤne Grundfarbe im
Volkskarakter allmaͤlig verſchwindet, iſt die
Scheidewand zwiſchen Poͤbel und Buͤrger. Je
hoͤher die Klaſſen der Menſchen, um deſto we-
niger natuͤrlicher Frohſinn. In unſern Logen
und glaͤnzenden Zirkeln ſind die Geſichter ſo
finſter, als in irgend einer Hauptſtadt von
Europa. Ein ſtarker Beweis, daß Zufriedenheit

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[268/0284] in welchen die Freude nur, wie eine Muͤnze, unter dem Gepraͤge des konventionellen Wohl- ſtands ausgeſpendet wird, um ſich unter den großen Haufen zu miſchen, wo ſich Jedermann freuen darf, wie er will. Der Ruſſe iſt, im Ganzen genommen, ein froͤhlicher Menſch. Ein gluͤcklicher Leichtſinn und eine ihm vorzuͤglich eigene Sorgloſigkeit begleiten ihn durch ſein ganzes Leben. Das elendeſte Schickſal und die muͤhſeligſte Arbeit laſſen ihm noch immer einiges Gefuͤhl fuͤr den Genuß ſeines Daſeyns. Jenes bekuͤmmert ihn nicht, da ſein Ideenkreis ſich ſelten bis zu der Vorſtellung einer edlern und verfeintern Exi- ſtenz erweitert; dieſe verſuͤßt er ſich durch ſei- nen Geſang und ſein Schaͤlchen. Die Grenz- linie, auf welcher dieſe ſchoͤne Grundfarbe im Volkskarakter allmaͤlig verſchwindet, iſt die Scheidewand zwiſchen Poͤbel und Buͤrger. Je hoͤher die Klaſſen der Menſchen, um deſto we- niger natuͤrlicher Frohſinn. In unſern Logen und glaͤnzenden Zirkeln ſind die Geſichter ſo finſter, als in irgend einer Hauptſtadt von Europa. Ein ſtarker Beweis, daß Zufriedenheit

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/284>, abgerufen am 25.11.2024.