Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Publikums verdient, so ist dennoch nicht zu
leugnen, daß die ganze Anstalt nur in der
Sphäre der Mittelmäßigkeit vegetirt, aus wel-
cher sie vielleicht durch einen höhern Grad von
öffentlicher Theilnehmung und Gefühl für
deutsche Art und Kunst gerissen werden könn-
te. -- Ein zweytes Liebhabertheater
wird jetzt, wie es scheint, unter glücklichern
Auspicien gegründet.

Diese kurze Musterung der petersburgi-
schen Klubbs ist zugleich sehr karakteristisch für
den Geschmack und die Kultur des Publi-
kums. Unter neun hier bestehenden Gesell-
schaften dieser Art, keine einzige die einen ge-
meinnützigen litterarischen oder artistischen
Zweck, oder bloße Unterhaltung zur Absicht
hätte. In allen, die beyden Liebhabertheater
ausgenommen, ist das Kartenspiel die Haupt-
sache, wenigstens für den bey weitem größern
Theil der Mitglieder. Alle Versuche, die man
mit der Errichtung literarischer oder Konver-
sationsklubbs gemacht hat, sind durch den
Mangel an Theilnahme des Publikums ge-
scheitert. Vor etwa zehn Jahren gelang es
einem gelehrten und einem Militair-

Publikums verdient, ſo iſt dennoch nicht zu
leugnen, daß die ganze Anſtalt nur in der
Sphaͤre der Mittelmaͤßigkeit vegetirt, aus wel-
cher ſie vielleicht durch einen hoͤhern Grad von
oͤffentlicher Theilnehmung und Gefuͤhl fuͤr
deutſche Art und Kunſt geriſſen werden koͤnn-
te. — Ein zweytes Liebhabertheater
wird jetzt, wie es ſcheint, unter gluͤcklichern
Auſpicien gegruͤndet.

Dieſe kurze Muſterung der petersburgi-
ſchen Klubbs iſt zugleich ſehr karakteriſtiſch fuͤr
den Geſchmack und die Kultur des Publi-
kums. Unter neun hier beſtehenden Geſell-
ſchaften dieſer Art, keine einzige die einen ge-
meinnuͤtzigen litterariſchen oder artiſtiſchen
Zweck, oder bloße Unterhaltung zur Abſicht
haͤtte. In allen, die beyden Liebhabertheater
ausgenommen, iſt das Kartenſpiel die Haupt-
ſache, wenigſtens fuͤr den bey weitem groͤßern
Theil der Mitglieder. Alle Verſuche, die man
mit der Errichtung literariſcher oder Konver-
ſationsklubbs gemacht hat, ſind durch den
Mangel an Theilnahme des Publikums ge-
ſcheitert. Vor etwa zehn Jahren gelang es
einem gelehrten und einem Militair-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="294"/>
Publikums verdient, &#x017F;o i&#x017F;t dennoch nicht zu<lb/>
leugnen, daß die ganze An&#x017F;talt nur in der<lb/>
Spha&#x0364;re der Mittelma&#x0364;ßigkeit vegetirt, aus wel-<lb/>
cher &#x017F;ie vielleicht durch einen ho&#x0364;hern Grad von<lb/>
o&#x0364;ffentlicher Theilnehmung und Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r<lb/>
deut&#x017F;che Art und Kun&#x017F;t geri&#x017F;&#x017F;en werden ko&#x0364;nn-<lb/>
te. &#x2014; Ein <hi rendition="#g">zweytes Liebhabertheater</hi><lb/>
wird jetzt, wie es &#x017F;cheint, unter glu&#x0364;cklichern<lb/>
Au&#x017F;picien gegru&#x0364;ndet.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e kurze Mu&#x017F;terung der petersburgi-<lb/>
&#x017F;chen Klubbs i&#x017F;t zugleich &#x017F;ehr karakteri&#x017F;ti&#x017F;ch fu&#x0364;r<lb/>
den Ge&#x017F;chmack und die Kultur des Publi-<lb/>
kums. Unter neun hier be&#x017F;tehenden Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaften die&#x017F;er Art, keine einzige die einen ge-<lb/>
meinnu&#x0364;tzigen litterari&#x017F;chen oder arti&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Zweck, oder bloße Unterhaltung zur Ab&#x017F;icht<lb/>
ha&#x0364;tte. In allen, die beyden Liebhabertheater<lb/>
ausgenommen, i&#x017F;t das Karten&#x017F;piel die Haupt-<lb/>
&#x017F;ache, wenig&#x017F;tens fu&#x0364;r den bey weitem gro&#x0364;ßern<lb/>
Theil der Mitglieder. Alle Ver&#x017F;uche, die man<lb/>
mit der Errichtung literari&#x017F;cher oder Konver-<lb/>
&#x017F;ationsklubbs gemacht hat, &#x017F;ind durch den<lb/>
Mangel an Theilnahme des Publikums ge-<lb/>
&#x017F;cheitert. Vor etwa zehn Jahren gelang es<lb/>
einem <hi rendition="#g">gelehrten</hi> und einem <hi rendition="#g">Militair-<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0312] Publikums verdient, ſo iſt dennoch nicht zu leugnen, daß die ganze Anſtalt nur in der Sphaͤre der Mittelmaͤßigkeit vegetirt, aus wel- cher ſie vielleicht durch einen hoͤhern Grad von oͤffentlicher Theilnehmung und Gefuͤhl fuͤr deutſche Art und Kunſt geriſſen werden koͤnn- te. — Ein zweytes Liebhabertheater wird jetzt, wie es ſcheint, unter gluͤcklichern Auſpicien gegruͤndet. Dieſe kurze Muſterung der petersburgi- ſchen Klubbs iſt zugleich ſehr karakteriſtiſch fuͤr den Geſchmack und die Kultur des Publi- kums. Unter neun hier beſtehenden Geſell- ſchaften dieſer Art, keine einzige die einen ge- meinnuͤtzigen litterariſchen oder artiſtiſchen Zweck, oder bloße Unterhaltung zur Abſicht haͤtte. In allen, die beyden Liebhabertheater ausgenommen, iſt das Kartenſpiel die Haupt- ſache, wenigſtens fuͤr den bey weitem groͤßern Theil der Mitglieder. Alle Verſuche, die man mit der Errichtung literariſcher oder Konver- ſationsklubbs gemacht hat, ſind durch den Mangel an Theilnahme des Publikums ge- ſcheitert. Vor etwa zehn Jahren gelang es einem gelehrten und einem Militair-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/312
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/312>, abgerufen am 23.11.2024.