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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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schlachten Pöbels überlassen zu seyn. -- Nicht
nur der Beschützer dieses Gartens, selbst die
Natur hat demselben ihre mütterliche Hand
entzogen. Noch izt sieht man die Spuren ei-
ner großen Ueberschwemmung, durch welche
er den größten Theil seiner natürlichen Reize
verloren haben soll.

Trotz dieses widrigen Verhängnisses ver-
dient der Sommergarten dennoch besucht zu
werden, wenn er auch nicht der einzige öffent-
liche und für das Publikum bestimmte Spa-
zierplatz wäre. Er ist es wirklich an schönen
Sommertagen von einzelnen Menschen, die ihre
Neigung oder ihr Beruf in der Stadt zu le-
ben herbeyführt. Aber auch seine glänzenden
Tage hat der Sommergarten. Am ersten und
zweyten Pfingsttage versammelt sich das ganze
tongebende und geschmackvolle Publikum in
demselben. Wie viel oder wie wenig die liebe
Natur von dieser Ehre auf ihre Rechnung
schreiben dürfte, mag ich nicht untersuchen;
aber wahr ist es, daß unsere Damen aus der
großen Welt ihre schönen Landsitze verlassen,
um sich an diesen Tagen unter dem Gedränge
der geputzten Städter herumzustoßen, und daß

ſchlachten Poͤbels uͤberlaſſen zu ſeyn. — Nicht
nur der Beſchuͤtzer dieſes Gartens, ſelbſt die
Natur hat demſelben ihre muͤtterliche Hand
entzogen. Noch izt ſieht man die Spuren ei-
ner großen Ueberſchwemmung, durch welche
er den groͤßten Theil ſeiner natuͤrlichen Reize
verloren haben ſoll.

Trotz dieſes widrigen Verhaͤngniſſes ver-
dient der Sommergarten dennoch beſucht zu
werden, wenn er auch nicht der einzige oͤffent-
liche und fuͤr das Publikum beſtimmte Spa-
zierplatz waͤre. Er iſt es wirklich an ſchoͤnen
Sommertagen von einzelnen Menſchen, die ihre
Neigung oder ihr Beruf in der Stadt zu le-
ben herbeyfuͤhrt. Aber auch ſeine glaͤnzenden
Tage hat der Sommergarten. Am erſten und
zweyten Pfingſttage verſammelt ſich das ganze
tongebende und geſchmackvolle Publikum in
demſelben. Wie viel oder wie wenig die liebe
Natur von dieſer Ehre auf ihre Rechnung
ſchreiben duͤrfte, mag ich nicht unterſuchen;
aber wahr iſt es, daß unſere Damen aus der
großen Welt ihre ſchoͤnen Landſitze verlaſſen,
um ſich an dieſen Tagen unter dem Gedraͤnge
der geputzten Staͤdter herumzuſtoßen, und daß

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[299/0317] ſchlachten Poͤbels uͤberlaſſen zu ſeyn. — Nicht nur der Beſchuͤtzer dieſes Gartens, ſelbſt die Natur hat demſelben ihre muͤtterliche Hand entzogen. Noch izt ſieht man die Spuren ei- ner großen Ueberſchwemmung, durch welche er den groͤßten Theil ſeiner natuͤrlichen Reize verloren haben ſoll. Trotz dieſes widrigen Verhaͤngniſſes ver- dient der Sommergarten dennoch beſucht zu werden, wenn er auch nicht der einzige oͤffent- liche und fuͤr das Publikum beſtimmte Spa- zierplatz waͤre. Er iſt es wirklich an ſchoͤnen Sommertagen von einzelnen Menſchen, die ihre Neigung oder ihr Beruf in der Stadt zu le- ben herbeyfuͤhrt. Aber auch ſeine glaͤnzenden Tage hat der Sommergarten. Am erſten und zweyten Pfingſttage verſammelt ſich das ganze tongebende und geſchmackvolle Publikum in demſelben. Wie viel oder wie wenig die liebe Natur von dieſer Ehre auf ihre Rechnung ſchreiben duͤrfte, mag ich nicht unterſuchen; aber wahr iſt es, daß unſere Damen aus der großen Welt ihre ſchoͤnen Landſitze verlaſſen, um ſich an dieſen Tagen unter dem Gedraͤnge der geputzten Staͤdter herumzuſtoßen, und daß

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/317>, abgerufen am 23.11.2024.