Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

behrten Freuden des Landlebens zu entschädi-
gen. So schön die Gegenstände umher im
Glanz der Mittagssonne erscheinen, so lieblich
gruppiren sie sich bey der Dämmerung unserer
Sommernächte in abwechselnde, halb verwor-
rene Gestalten. Das taktmäßige Plätschern
der herumirrenden Schaluppen, der überall er-
tönende Volksgesang, die hörbaren Schritte
der Spaziergänger, zuweilen auch die majestä-
tischen Töne der Jagdmusik, sind die einzigen
Unterbrechungen der Stille in welche die ganze
Natur versenkt zu seyn scheint. -- Außer die-
ser Jahrszeit, die leider eben so kurz als ange-
nehm ist, wird der Kay vorzüglich an schönen
Winter- und Frühlingstagen besucht, wenn der
reiche und üppige Theil der Einwohner durch-
aus in det Residenz versammelt ist. Zum be-
quemern Genuß dieses Vergnügens reinigt man,
den Winter hindurch, die Trottoirs mit der
mühsamsten Sorgfalt vom Schnee und be-
streut sie mit grobem Sande. Unter der Hülle
des Winters erhält freylich die Aussicht eine
sehr veränderte Gestalt; aber die eigenthümli-
chen Schönheiten abgerechnet, die auch dann
nicht ganz verloren gehen, werden die zufälli-

gen

behrten Freuden des Landlebens zu entſchaͤdi-
gen. So ſchoͤn die Gegenſtaͤnde umher im
Glanz der Mittagsſonne erſcheinen, ſo lieblich
gruppiren ſie ſich bey der Daͤmmerung unſerer
Sommernaͤchte in abwechſelnde, halb verwor-
rene Geſtalten. Das taktmaͤßige Plaͤtſchern
der herumirrenden Schaluppen, der uͤberall er-
toͤnende Volksgeſang, die hoͤrbaren Schritte
der Spaziergaͤnger, zuweilen auch die majeſtaͤ-
tiſchen Toͤne der Jagdmuſik, ſind die einzigen
Unterbrechungen der Stille in welche die ganze
Natur verſenkt zu ſeyn ſcheint. — Außer die-
ſer Jahrszeit, die leider eben ſo kurz als ange-
nehm iſt, wird der Kay vorzuͤglich an ſchoͤnen
Winter- und Fruͤhlingstagen beſucht, wenn der
reiche und uͤppige Theil der Einwohner durch-
aus in det Reſidenz verſammelt iſt. Zum be-
quemern Genuß dieſes Vergnuͤgens reinigt man,
den Winter hindurch, die Trottoirs mit der
muͤhſamſten Sorgfalt vom Schnee und be-
ſtreut ſie mit grobem Sande. Unter der Huͤlle
des Winters erhaͤlt freylich die Ausſicht eine
ſehr veraͤnderte Geſtalt; aber die eigenthuͤmli-
chen Schoͤnheiten abgerechnet, die auch dann
nicht ganz verloren gehen, werden die zufaͤlli-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="304"/>
behrten Freuden des Landlebens zu ent&#x017F;cha&#x0364;di-<lb/>
gen. So &#x017F;cho&#x0364;n die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde umher im<lb/>
Glanz der Mittags&#x017F;onne er&#x017F;cheinen, &#x017F;o lieblich<lb/>
gruppiren &#x017F;ie &#x017F;ich bey der Da&#x0364;mmerung un&#x017F;erer<lb/>
Sommerna&#x0364;chte in abwech&#x017F;elnde, halb verwor-<lb/>
rene Ge&#x017F;talten. Das taktma&#x0364;ßige Pla&#x0364;t&#x017F;chern<lb/>
der herumirrenden Schaluppen, der u&#x0364;berall er-<lb/>
to&#x0364;nende Volksge&#x017F;ang, die ho&#x0364;rbaren Schritte<lb/>
der Spazierga&#x0364;nger, zuweilen auch die maje&#x017F;ta&#x0364;-<lb/>
ti&#x017F;chen To&#x0364;ne der Jagdmu&#x017F;ik, &#x017F;ind die einzigen<lb/>
Unterbrechungen der Stille in welche die ganze<lb/>
Natur ver&#x017F;enkt zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint. &#x2014; Außer die-<lb/>
&#x017F;er Jahrszeit, die leider eben &#x017F;o kurz als ange-<lb/>
nehm i&#x017F;t, wird der Kay vorzu&#x0364;glich an &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Winter- und Fru&#x0364;hlingstagen be&#x017F;ucht, wenn der<lb/>
reiche und u&#x0364;ppige Theil der Einwohner durch-<lb/>
aus in det Re&#x017F;idenz ver&#x017F;ammelt i&#x017F;t. Zum be-<lb/>
quemern Genuß die&#x017F;es Vergnu&#x0364;gens reinigt man,<lb/>
den Winter hindurch, die Trottoirs mit der<lb/>
mu&#x0364;h&#x017F;am&#x017F;ten Sorgfalt vom Schnee und be-<lb/>
&#x017F;treut &#x017F;ie mit grobem Sande. Unter der Hu&#x0364;lle<lb/>
des Winters erha&#x0364;lt freylich die Aus&#x017F;icht eine<lb/>
&#x017F;ehr vera&#x0364;nderte Ge&#x017F;talt; aber die eigenthu&#x0364;mli-<lb/>
chen Scho&#x0364;nheiten abgerechnet, die auch dann<lb/>
nicht ganz verloren gehen, werden die zufa&#x0364;lli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0322] behrten Freuden des Landlebens zu entſchaͤdi- gen. So ſchoͤn die Gegenſtaͤnde umher im Glanz der Mittagsſonne erſcheinen, ſo lieblich gruppiren ſie ſich bey der Daͤmmerung unſerer Sommernaͤchte in abwechſelnde, halb verwor- rene Geſtalten. Das taktmaͤßige Plaͤtſchern der herumirrenden Schaluppen, der uͤberall er- toͤnende Volksgeſang, die hoͤrbaren Schritte der Spaziergaͤnger, zuweilen auch die majeſtaͤ- tiſchen Toͤne der Jagdmuſik, ſind die einzigen Unterbrechungen der Stille in welche die ganze Natur verſenkt zu ſeyn ſcheint. — Außer die- ſer Jahrszeit, die leider eben ſo kurz als ange- nehm iſt, wird der Kay vorzuͤglich an ſchoͤnen Winter- und Fruͤhlingstagen beſucht, wenn der reiche und uͤppige Theil der Einwohner durch- aus in det Reſidenz verſammelt iſt. Zum be- quemern Genuß dieſes Vergnuͤgens reinigt man, den Winter hindurch, die Trottoirs mit der muͤhſamſten Sorgfalt vom Schnee und be- ſtreut ſie mit grobem Sande. Unter der Huͤlle des Winters erhaͤlt freylich die Ausſicht eine ſehr veraͤnderte Geſtalt; aber die eigenthuͤmli- chen Schoͤnheiten abgerechnet, die auch dann nicht ganz verloren gehen, werden die zufaͤlli- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/322
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/322>, abgerufen am 23.11.2024.