Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Dinge sind hier so alltäglich, daß ihr Daseyn
gar keine Aufmerksamkeit erregt. Diese Schil-
derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart
der höhern und reichern Stände, sondern die
mehresten Häuser der Kaufleute und Staats-
bedienten, zum Theil auch der Künstler und
Gelehrten, ja sogar einzelner Handwerker sind
auf keine schlechtere Weise eingerichtet. Der
Sinn für die Gemächlichkeiten des Lebens und
für eine gewisse äußere Eleganz ist so allge-
mein und der Wohlstand der mehresten Klassen
so groß, daß man für sehr geschmacklos oder
arm gehalten wird, wenn man in dieser Gat-
tung des Luxus zurückbleibt. Es ist nicht zu
leugnen, daß der Anblick so niedlich aufgeputz-
ter Zimmer, als man sie hier fast in allen
Häusern sieht, eine angenehme Befriedigung
gewährt; aber noch gefälliger ist die große
Reinlichkeit, die sich fast überall, vorzüglich
bey den Ausländern, zu dieser Eleganz gesellt.
Die glänzende Politur aller Möbeln, die weiß-
gescheuerten Fußböden und Treppen, die Farbe
der Neuheit und Frische welche so sorgfältig
an allen Gegenständen erhalten wird, er-
quicken das Auge hier um so mehr, da es

B b 5

Dinge ſind hier ſo alltaͤglich, daß ihr Daſeyn
gar keine Aufmerkſamkeit erregt. Dieſe Schil-
derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart
der hoͤhern und reichern Staͤnde, ſondern die
mehreſten Haͤuſer der Kaufleute und Staats-
bedienten, zum Theil auch der Kuͤnſtler und
Gelehrten, ja ſogar einzelner Handwerker ſind
auf keine ſchlechtere Weiſe eingerichtet. Der
Sinn fuͤr die Gemaͤchlichkeiten des Lebens und
fuͤr eine gewiſſe aͤußere Eleganz iſt ſo allge-
mein und der Wohlſtand der mehreſten Klaſſen
ſo groß, daß man fuͤr ſehr geſchmacklos oder
arm gehalten wird, wenn man in dieſer Gat-
tung des Luxus zuruͤckbleibt. Es iſt nicht zu
leugnen, daß der Anblick ſo niedlich aufgeputz-
ter Zimmer, als man ſie hier faſt in allen
Haͤuſern ſieht, eine angenehme Befriedigung
gewaͤhrt; aber noch gefaͤlliger iſt die große
Reinlichkeit, die ſich faſt uͤberall, vorzuͤglich
bey den Auslaͤndern, zu dieſer Eleganz geſellt.
Die glaͤnzende Politur aller Moͤbeln, die weiß-
geſcheuerten Fußboͤden und Treppen, die Farbe
der Neuheit und Friſche welche ſo ſorgfaͤltig
an allen Gegenſtaͤnden erhalten wird, er-
quicken das Auge hier um ſo mehr, da es

B b 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0411" n="393"/>
Dinge &#x017F;ind hier &#x017F;o allta&#x0364;glich, daß ihr Da&#x017F;eyn<lb/>
gar keine Aufmerk&#x017F;amkeit erregt. Die&#x017F;e Schil-<lb/>
derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart<lb/>
der ho&#x0364;hern und reichern Sta&#x0364;nde, &#x017F;ondern die<lb/>
mehre&#x017F;ten Ha&#x0364;u&#x017F;er der Kaufleute und Staats-<lb/>
bedienten, zum Theil auch der Ku&#x0364;n&#x017F;tler und<lb/>
Gelehrten, ja &#x017F;ogar einzelner Handwerker &#x017F;ind<lb/>
auf keine &#x017F;chlechtere Wei&#x017F;e eingerichtet. Der<lb/>
Sinn fu&#x0364;r die Gema&#x0364;chlichkeiten des Lebens und<lb/>
fu&#x0364;r eine gewi&#x017F;&#x017F;e a&#x0364;ußere Eleganz i&#x017F;t &#x017F;o allge-<lb/>
mein und der Wohl&#x017F;tand der mehre&#x017F;ten Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;o groß, daß man fu&#x0364;r &#x017F;ehr ge&#x017F;chmacklos oder<lb/>
arm gehalten wird, wenn man in die&#x017F;er Gat-<lb/>
tung des Luxus zuru&#x0364;ckbleibt. Es i&#x017F;t nicht zu<lb/>
leugnen, daß der Anblick &#x017F;o niedlich aufgeputz-<lb/>
ter Zimmer, als man &#x017F;ie hier fa&#x017F;t in allen<lb/>
Ha&#x0364;u&#x017F;ern &#x017F;ieht, eine angenehme Befriedigung<lb/>
gewa&#x0364;hrt; aber noch gefa&#x0364;lliger i&#x017F;t die große<lb/>
Reinlichkeit, die &#x017F;ich fa&#x017F;t u&#x0364;berall, vorzu&#x0364;glich<lb/>
bey den Ausla&#x0364;ndern, zu die&#x017F;er Eleganz ge&#x017F;ellt.<lb/>
Die gla&#x0364;nzende Politur aller Mo&#x0364;beln, die weiß-<lb/>
ge&#x017F;cheuerten Fußbo&#x0364;den und Treppen, die Farbe<lb/>
der Neuheit und Fri&#x017F;che welche &#x017F;o &#x017F;orgfa&#x0364;ltig<lb/>
an allen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden erhalten wird, er-<lb/>
quicken das Auge hier um &#x017F;o mehr, da es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 5</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0411] Dinge ſind hier ſo alltaͤglich, daß ihr Daſeyn gar keine Aufmerkſamkeit erregt. Dieſe Schil- derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart der hoͤhern und reichern Staͤnde, ſondern die mehreſten Haͤuſer der Kaufleute und Staats- bedienten, zum Theil auch der Kuͤnſtler und Gelehrten, ja ſogar einzelner Handwerker ſind auf keine ſchlechtere Weiſe eingerichtet. Der Sinn fuͤr die Gemaͤchlichkeiten des Lebens und fuͤr eine gewiſſe aͤußere Eleganz iſt ſo allge- mein und der Wohlſtand der mehreſten Klaſſen ſo groß, daß man fuͤr ſehr geſchmacklos oder arm gehalten wird, wenn man in dieſer Gat- tung des Luxus zuruͤckbleibt. Es iſt nicht zu leugnen, daß der Anblick ſo niedlich aufgeputz- ter Zimmer, als man ſie hier faſt in allen Haͤuſern ſieht, eine angenehme Befriedigung gewaͤhrt; aber noch gefaͤlliger iſt die große Reinlichkeit, die ſich faſt uͤberall, vorzuͤglich bey den Auslaͤndern, zu dieſer Eleganz geſellt. Die glaͤnzende Politur aller Moͤbeln, die weiß- geſcheuerten Fußboͤden und Treppen, die Farbe der Neuheit und Friſche welche ſo ſorgfaͤltig an allen Gegenſtaͤnden erhalten wird, er- quicken das Auge hier um ſo mehr, da es B b 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/411
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/411>, abgerufen am 23.11.2024.