Dinge sind hier so alltäglich, daß ihr Daseyn gar keine Aufmerksamkeit erregt. Diese Schil- derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart der höhern und reichern Stände, sondern die mehresten Häuser der Kaufleute und Staats- bedienten, zum Theil auch der Künstler und Gelehrten, ja sogar einzelner Handwerker sind auf keine schlechtere Weise eingerichtet. Der Sinn für die Gemächlichkeiten des Lebens und für eine gewisse äußere Eleganz ist so allge- mein und der Wohlstand der mehresten Klassen so groß, daß man für sehr geschmacklos oder arm gehalten wird, wenn man in dieser Gat- tung des Luxus zurückbleibt. Es ist nicht zu leugnen, daß der Anblick so niedlich aufgeputz- ter Zimmer, als man sie hier fast in allen Häusern sieht, eine angenehme Befriedigung gewährt; aber noch gefälliger ist die große Reinlichkeit, die sich fast überall, vorzüglich bey den Ausländern, zu dieser Eleganz gesellt. Die glänzende Politur aller Möbeln, die weiß- gescheuerten Fußböden und Treppen, die Farbe der Neuheit und Frische welche so sorgfältig an allen Gegenständen erhalten wird, er- quicken das Auge hier um so mehr, da es
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Dinge ſind hier ſo alltaͤglich, daß ihr Daſeyn gar keine Aufmerkſamkeit erregt. Dieſe Schil- derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart der hoͤhern und reichern Staͤnde, ſondern die mehreſten Haͤuſer der Kaufleute und Staats- bedienten, zum Theil auch der Kuͤnſtler und Gelehrten, ja ſogar einzelner Handwerker ſind auf keine ſchlechtere Weiſe eingerichtet. Der Sinn fuͤr die Gemaͤchlichkeiten des Lebens und fuͤr eine gewiſſe aͤußere Eleganz iſt ſo allge- mein und der Wohlſtand der mehreſten Klaſſen ſo groß, daß man fuͤr ſehr geſchmacklos oder arm gehalten wird, wenn man in dieſer Gat- tung des Luxus zuruͤckbleibt. Es iſt nicht zu leugnen, daß der Anblick ſo niedlich aufgeputz- ter Zimmer, als man ſie hier faſt in allen Haͤuſern ſieht, eine angenehme Befriedigung gewaͤhrt; aber noch gefaͤlliger iſt die große Reinlichkeit, die ſich faſt uͤberall, vorzuͤglich bey den Auslaͤndern, zu dieſer Eleganz geſellt. Die glaͤnzende Politur aller Moͤbeln, die weiß- geſcheuerten Fußboͤden und Treppen, die Farbe der Neuheit und Friſche welche ſo ſorgfaͤltig an allen Gegenſtaͤnden erhalten wird, er- quicken das Auge hier um ſo mehr, da es
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Dinge ſind hier ſo alltaͤglich, daß ihr Daſeyn
gar keine Aufmerkſamkeit erregt. Dieſe Schil-
derung paßt nicht etwa nur auf die Lebensart
der hoͤhern und reichern Staͤnde, ſondern die
mehreſten Haͤuſer der Kaufleute und Staats-
bedienten, zum Theil auch der Kuͤnſtler und
Gelehrten, ja ſogar einzelner Handwerker ſind
auf keine ſchlechtere Weiſe eingerichtet. Der
Sinn fuͤr die Gemaͤchlichkeiten des Lebens und
fuͤr eine gewiſſe aͤußere Eleganz iſt ſo allge-
mein und der Wohlſtand der mehreſten Klaſſen
ſo groß, daß man fuͤr ſehr geſchmacklos oder
arm gehalten wird, wenn man in dieſer Gat-
tung des Luxus zuruͤckbleibt. Es iſt nicht zu
leugnen, daß der Anblick ſo niedlich aufgeputz-
ter Zimmer, als man ſie hier faſt in allen
Haͤuſern ſieht, eine angenehme Befriedigung
gewaͤhrt; aber noch gefaͤlliger iſt die große
Reinlichkeit, die ſich faſt uͤberall, vorzuͤglich
bey den Auslaͤndern, zu dieſer Eleganz geſellt.
Die glaͤnzende Politur aller Moͤbeln, die weiß-
geſcheuerten Fußboͤden und Treppen, die Farbe
der Neuheit und Friſche welche ſo ſorgfaͤltig
an allen Gegenſtaͤnden erhalten wird, er-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/411>, abgerufen am 23.11.2024.
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