folgt -- das Schicksal, keiner Nationalachtung zu genießen. Sey es nun Mangel einer glän- zenden Aussenseite, oder ein kleiner Hang zum Steifen und Pedantischen, oder was es sonst wolle, sonderbar genug ist's, daß der Deutsche, trotz seiner anerkannten Vorzüge, überall in Europa, in Paris wie in London, in Rom wie in Petersburg, nicht nur als Deutscher keiner sonderlichen Achtung genießt, wenn er sich diese nicht durch persönliche Ueberlegenheit zu erzwingen weiß, sondern selbst der Gegen- stand eines leichten Ridicüle beym großen Pu- blikum wird. Dies ist auch hier -- natürlich mit gewissen Ausnahmen -- der Fall, und das russische Njemez entspricht dem englischen german und dem französischen allemand voll- kommen.
Die Ursachen dieser, für unsere National- ehre so beleidigenden Erscheinung scheinen hier vorzüglich folgende zu seyn. Unter den Deut- schen die hieher kommen, befinden sich nur die wenigsten in der Lage, daß sie sich nicht ge- nöthigt sehen sollten, entweder den Beutel des Publikums auf irgend einen gewöhnlichen oder ungewöhnlichen Weg zu beschatzen, oder
folgt — das Schickſal, keiner Nationalachtung zu genießen. Sey es nun Mangel einer glaͤn- zenden Auſſenſeite, oder ein kleiner Hang zum Steifen und Pedantiſchen, oder was es ſonſt wolle, ſonderbar genug iſt’s, daß der Deutſche, trotz ſeiner anerkannten Vorzuͤge, uͤberall in Europa, in Paris wie in London, in Rom wie in Petersburg, nicht nur als Deutſcher keiner ſonderlichen Achtung genießt, wenn er ſich dieſe nicht durch perſoͤnliche Ueberlegenheit zu erzwingen weiß, ſondern ſelbſt der Gegen- ſtand eines leichten Ridicuͤle beym großen Pu- blikum wird. Dies iſt auch hier — natuͤrlich mit gewiſſen Ausnahmen — der Fall, und das ruſſiſche Njemez entſpricht dem engliſchen german und dem franzoͤſiſchen allemand voll- kommen.
Die Urſachen dieſer, fuͤr unſere National- ehre ſo beleidigenden Erſcheinung ſcheinen hier vorzuͤglich folgende zu ſeyn. Unter den Deut- ſchen die hieher kommen, befinden ſich nur die wenigſten in der Lage, daß ſie ſich nicht ge- noͤthigt ſehen ſollten, entweder den Beutel des Publikums auf irgend einen gewoͤhnlichen oder ungewoͤhnlichen Weg zu beſchatzen, oder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0504"n="486"/>
folgt — das Schickſal, keiner Nationalachtung<lb/>
zu genießen. Sey es nun Mangel einer glaͤn-<lb/>
zenden Auſſenſeite, oder ein kleiner Hang zum<lb/>
Steifen und Pedantiſchen, oder was es ſonſt<lb/>
wolle, ſonderbar genug iſt’s, daß der Deutſche,<lb/>
trotz ſeiner anerkannten Vorzuͤge, uͤberall in<lb/>
Europa, in Paris wie in London, in Rom wie<lb/>
in Petersburg, nicht nur <hirendition="#g">als Deutſcher</hi><lb/>
keiner ſonderlichen Achtung genießt, wenn er<lb/>ſich dieſe nicht durch perſoͤnliche Ueberlegenheit<lb/>
zu erzwingen weiß, ſondern ſelbſt der Gegen-<lb/>ſtand eines leichten Ridicuͤle beym großen Pu-<lb/>
blikum wird. Dies iſt auch hier — natuͤrlich<lb/>
mit gewiſſen Ausnahmen — der Fall, und das<lb/>
ruſſiſche <hirendition="#g">Njemez</hi> entſpricht dem engliſchen<lb/><hirendition="#aq">german</hi> und dem franzoͤſiſchen <hirendition="#aq">allemand</hi> voll-<lb/>
kommen.</p><lb/><p>Die Urſachen dieſer, fuͤr unſere National-<lb/>
ehre ſo beleidigenden Erſcheinung ſcheinen <hirendition="#g">hier</hi><lb/>
vorzuͤglich folgende zu ſeyn. Unter den Deut-<lb/>ſchen die hieher kommen, befinden ſich nur die<lb/>
wenigſten in der Lage, daß ſie ſich nicht ge-<lb/>
noͤthigt ſehen ſollten, entweder den Beutel<lb/>
des Publikums auf irgend einen gewoͤhnlichen<lb/>
oder ungewoͤhnlichen Weg zu beſchatzen, oder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[486/0504]
folgt — das Schickſal, keiner Nationalachtung
zu genießen. Sey es nun Mangel einer glaͤn-
zenden Auſſenſeite, oder ein kleiner Hang zum
Steifen und Pedantiſchen, oder was es ſonſt
wolle, ſonderbar genug iſt’s, daß der Deutſche,
trotz ſeiner anerkannten Vorzuͤge, uͤberall in
Europa, in Paris wie in London, in Rom wie
in Petersburg, nicht nur als Deutſcher
keiner ſonderlichen Achtung genießt, wenn er
ſich dieſe nicht durch perſoͤnliche Ueberlegenheit
zu erzwingen weiß, ſondern ſelbſt der Gegen-
ſtand eines leichten Ridicuͤle beym großen Pu-
blikum wird. Dies iſt auch hier — natuͤrlich
mit gewiſſen Ausnahmen — der Fall, und das
ruſſiſche Njemez entſpricht dem engliſchen
german und dem franzoͤſiſchen allemand voll-
kommen.
Die Urſachen dieſer, fuͤr unſere National-
ehre ſo beleidigenden Erſcheinung ſcheinen hier
vorzuͤglich folgende zu ſeyn. Unter den Deut-
ſchen die hieher kommen, befinden ſich nur die
wenigſten in der Lage, daß ſie ſich nicht ge-
noͤthigt ſehen ſollten, entweder den Beutel
des Publikums auf irgend einen gewoͤhnlichen
oder ungewoͤhnlichen Weg zu beſchatzen, oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/504>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.