Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

kleidete; das Haus, darin er als unbeweibter
Mann lebte, war hoch und räumlich, und war
es dasselbig' Haus mit den zwo Linden an der
Ecken von Markt und Krämerstraße, worin ich,
nachdem es durch meines lieben Bruders Hin¬
tritt mir angestorben, anitzt als alter Mann noch
lebe und der Wiedervereinigung mit den voran¬
gegangenen Lieben in Demuth entgegenharre.

Meine Werkstätte hatte ich mir in dem großen
Pesel der Wittwe eingerichtet; es war dorten ein
gutes Oberlicht zur Arbeit und bekam Alles ge¬
macht und gestellet, wie ich es verlangen mochte.
Nur daß die gute Frau selber gar zu gegen¬
wärtig war; denn allaugenblicklich kam sie draußen
von ihrem Schenktisch zu mir hergetrottet mit
ihren Blechgemäßen in der Hand; drängte mit
ihrer Wohlbeleibtheit mir aus den Malstock und
roch an meinem Bild herum; gar eines Vor¬
mittages, da ich so eben den Kopf des Lazarus
untermalet hatte, verlangte sie mit viel über¬
flüssigen Worten, der auferweckte Mann solle das
Antlitz ihres Seligen zur Schau stellen, obschon

kleidete; das Haus, darin er als unbeweibter
Mann lebte, war hoch und räumlich, und war
es daſſelbig' Haus mit den zwo Linden an der
Ecken von Markt und Krämerſtraße, worin ich,
nachdem es durch meines lieben Bruders Hin¬
tritt mir angeſtorben, anitzt als alter Mann noch
lebe und der Wiedervereinigung mit den voran¬
gegangenen Lieben in Demuth entgegenharre.

Meine Werkſtätte hatte ich mir in dem großen
Peſel der Wittwe eingerichtet; es war dorten ein
gutes Oberlicht zur Arbeit und bekam Alles ge¬
macht und geſtellet, wie ich es verlangen mochte.
Nur daß die gute Frau ſelber gar zu gegen¬
wärtig war; denn allaugenblicklich kam ſie draußen
von ihrem Schenktiſch zu mir hergetrottet mit
ihren Blechgemäßen in der Hand; drängte mit
ihrer Wohlbeleibtheit mir aus den Malſtock und
roch an meinem Bild herum; gar eines Vor¬
mittages, da ich ſo eben den Kopf des Lazarus
untermalet hatte, verlangte ſie mit viel über¬
flüſſigen Worten, der auferweckte Mann ſolle das
Antlitz ihres Seligen zur Schau ſtellen, obſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0125" n="111"/>
kleidete; das Haus, darin er als unbeweibter<lb/>
Mann lebte, war hoch und räumlich, und war<lb/>
es da&#x017F;&#x017F;elbig' Haus mit den zwo Linden an der<lb/>
Ecken von Markt und Krämer&#x017F;traße, worin ich,<lb/>
nachdem es durch meines lieben Bruders Hin¬<lb/>
tritt mir ange&#x017F;torben, anitzt als alter Mann noch<lb/>
lebe und der Wiedervereinigung mit den voran¬<lb/>
gegangenen Lieben in Demuth entgegenharre.</p><lb/>
      <p>Meine Werk&#x017F;tätte hatte ich mir in dem großen<lb/>
Pe&#x017F;el der Wittwe eingerichtet; es war dorten ein<lb/>
gutes Oberlicht zur Arbeit und bekam Alles ge¬<lb/>
macht und ge&#x017F;tellet, wie ich es verlangen mochte.<lb/>
Nur daß die gute Frau &#x017F;elber gar zu gegen¬<lb/>
wärtig war; denn allaugenblicklich kam &#x017F;ie draußen<lb/>
von ihrem Schenkti&#x017F;ch zu mir hergetrottet mit<lb/>
ihren Blechgemäßen in der Hand; drängte mit<lb/>
ihrer Wohlbeleibtheit mir aus den Mal&#x017F;tock und<lb/>
roch an meinem Bild herum; gar eines Vor¬<lb/>
mittages, da ich &#x017F;o eben den Kopf des Lazarus<lb/>
untermalet hatte, verlangte &#x017F;ie mit viel über¬<lb/>
flü&#x017F;&#x017F;igen Worten, der auferweckte Mann &#x017F;olle das<lb/>
Antlitz ihres Seligen zur Schau &#x017F;tellen, ob&#x017F;chon<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0125] kleidete; das Haus, darin er als unbeweibter Mann lebte, war hoch und räumlich, und war es daſſelbig' Haus mit den zwo Linden an der Ecken von Markt und Krämerſtraße, worin ich, nachdem es durch meines lieben Bruders Hin¬ tritt mir angeſtorben, anitzt als alter Mann noch lebe und der Wiedervereinigung mit den voran¬ gegangenen Lieben in Demuth entgegenharre. Meine Werkſtätte hatte ich mir in dem großen Peſel der Wittwe eingerichtet; es war dorten ein gutes Oberlicht zur Arbeit und bekam Alles ge¬ macht und geſtellet, wie ich es verlangen mochte. Nur daß die gute Frau ſelber gar zu gegen¬ wärtig war; denn allaugenblicklich kam ſie draußen von ihrem Schenktiſch zu mir hergetrottet mit ihren Blechgemäßen in der Hand; drängte mit ihrer Wohlbeleibtheit mir aus den Malſtock und roch an meinem Bild herum; gar eines Vor¬ mittages, da ich ſo eben den Kopf des Lazarus untermalet hatte, verlangte ſie mit viel über¬ flüſſigen Worten, der auferweckte Mann ſolle das Antlitz ihres Seligen zur Schau ſtellen, obſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/125
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/125>, abgerufen am 24.11.2024.