über das Geländer der großen Treppe aufge¬ hangen; ich aber ging durch den Schwiebbogen, so unter dem Rathhause ist, eilends zur Stadt hinaus.
Als ich hinter dem Schloßgarten auf dem Steige war, sahe ich drüben bei der Lehmkuhle, wo sie den neuen Galgen hingesetzet, einen mäch¬ tigen Holzstoß aufgeschichtet. Ein paar Leute handtirten noch daran herum, und mochten das der Frohn und seine Knechte sein, die leichten Brennstoff zwischen die Hölzer thaten; von der Stadt her aber kamen schon die ersten Buben über die Felder ihnen zugelaufen. -- Ich achtete deß nicht weiter, sondern wanderte rüstig fürbaß, und da ich hinter den Bäumen hervortrat, sahe ich mir zur Linken das Meer im ersten Sonnen¬ strahl entbrennen, der im Osten über die Haide emporstieg. Da mußte ich meine Hände falten:
"O Herr, mein Gott und Christ, Sei gnädig mit uns Allen, Die wir in Sünd' gefallen, Der Du die Liebe bist!" -- --
über das Geländer der großen Treppe aufge¬ hangen; ich aber ging durch den Schwiebbogen, ſo unter dem Rathhauſe iſt, eilends zur Stadt hinaus.
Als ich hinter dem Schloßgarten auf dem Steige war, ſahe ich drüben bei der Lehmkuhle, wo ſie den neuen Galgen hingeſetzet, einen mäch¬ tigen Holzſtoß aufgeſchichtet. Ein paar Leute handtirten noch daran herum, und mochten das der Frohn und ſeine Knechte ſein, die leichten Brennſtoff zwiſchen die Hölzer thaten; von der Stadt her aber kamen ſchon die erſten Buben über die Felder ihnen zugelaufen. — Ich achtete deß nicht weiter, ſondern wanderte rüſtig fürbaß, und da ich hinter den Bäumen hervortrat, ſahe ich mir zur Linken das Meer im erſten Sonnen¬ ſtrahl entbrennen, der im Oſten über die Haide emporſtieg. Da mußte ich meine Hände falten:
„O Herr, mein Gott und Chriſt, Sei gnädig mit uns Allen, Die wir in Sünd' gefallen, Der Du die Liebe biſt!“ — —
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0146"n="132"/>
über das Geländer der großen Treppe aufge¬<lb/>
hangen; ich aber ging durch den Schwiebbogen,<lb/>ſo unter dem Rathhauſe iſt, eilends zur Stadt<lb/>
hinaus.</p><lb/><p>Als ich hinter dem Schloßgarten auf dem<lb/>
Steige war, ſahe ich drüben bei der Lehmkuhle,<lb/>
wo ſie den neuen Galgen hingeſetzet, einen mäch¬<lb/>
tigen Holzſtoß aufgeſchichtet. Ein paar Leute<lb/>
handtirten noch daran herum, und mochten das<lb/>
der Frohn und ſeine Knechte ſein, die leichten<lb/>
Brennſtoff zwiſchen die Hölzer thaten; von der<lb/>
Stadt her aber kamen ſchon die erſten Buben<lb/>
über die Felder ihnen zugelaufen. — Ich achtete<lb/>
deß nicht weiter, ſondern wanderte rüſtig fürbaß,<lb/>
und da ich hinter den Bäumen hervortrat, ſahe<lb/>
ich mir zur Linken das Meer im erſten Sonnen¬<lb/>ſtrahl entbrennen, der im Oſten über die Haide<lb/>
emporſtieg. Da mußte ich meine Hände falten:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„O Herr, mein Gott und Chriſt,</l><lb/><l>Sei gnädig mit uns Allen,</l><lb/><l>Die wir in Sünd' gefallen,</l><lb/><l>Der Du die Liebe biſt!“——</l><lb/></lg></body></text></TEI>
[132/0146]
über das Geländer der großen Treppe aufge¬
hangen; ich aber ging durch den Schwiebbogen,
ſo unter dem Rathhauſe iſt, eilends zur Stadt
hinaus.
Als ich hinter dem Schloßgarten auf dem
Steige war, ſahe ich drüben bei der Lehmkuhle,
wo ſie den neuen Galgen hingeſetzet, einen mäch¬
tigen Holzſtoß aufgeſchichtet. Ein paar Leute
handtirten noch daran herum, und mochten das
der Frohn und ſeine Knechte ſein, die leichten
Brennſtoff zwiſchen die Hölzer thaten; von der
Stadt her aber kamen ſchon die erſten Buben
über die Felder ihnen zugelaufen. — Ich achtete
deß nicht weiter, ſondern wanderte rüſtig fürbaß,
und da ich hinter den Bäumen hervortrat, ſahe
ich mir zur Linken das Meer im erſten Sonnen¬
ſtrahl entbrennen, der im Oſten über die Haide
emporſtieg. Da mußte ich meine Hände falten:
„O Herr, mein Gott und Chriſt,
Sei gnädig mit uns Allen,
Die wir in Sünd' gefallen,
Der Du die Liebe biſt!“ — —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/146>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.