Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

grund von dem älteren Ruysdael -- und dann
davor der leere Sessel. Meine Blicke blieben
daran haften; gleich wie drunten in der Kapellen
der Leib des Entschlafenen, so schien auch dieß
Gemach mir itzt entseelet, und, obschon vom Walde
draußen der junge Lenz durch's Fenster leuchtete,
doch gleichsam von der Stille des Todes wie
erfüllet.

Ich hatte auch Katharinen in diesem Augen¬
blicke fast vergessen. Da ich mich umwandte,
stand sie schier reglos mitten in dem Zimmer,
und ich sah, wie unter den kleinen Händen, die
sie darauf gepreßt hielt, ihre Brust in ungestümer
Arbeit ging. "Nicht wahr," sagte sie leise, "hier
ist itzt Niemand mehr; Niemand, als mein Bruder
und seine grimmen Hunde?"

"Katharina!" rief ich; "was ist Euch? Was
ist das hier in Eueres Vaters Haus?"

"Was es ist, Johannes?" und fast wild er¬
griff sie meine beiden Hände; und ihre jungen
Augen sprühten wie in Zorn und Schmerz.

"Nein, nein; laß erst den Vater in seiner

grund von dem älteren Ruysdael — und dann
davor der leere Seſſel. Meine Blicke blieben
daran haften; gleich wie drunten in der Kapellen
der Leib des Entſchlafenen, ſo ſchien auch dieß
Gemach mir itzt entſeelet, und, obſchon vom Walde
draußen der junge Lenz durch's Fenſter leuchtete,
doch gleichſam von der Stille des Todes wie
erfüllet.

Ich hatte auch Katharinen in dieſem Augen¬
blicke faſt vergeſſen. Da ich mich umwandte,
ſtand ſie ſchier reglos mitten in dem Zimmer,
und ich ſah, wie unter den kleinen Händen, die
ſie darauf gepreßt hielt, ihre Bruſt in ungeſtümer
Arbeit ging. „Nicht wahr,“ ſagte ſie leiſe, „hier
iſt itzt Niemand mehr; Niemand, als mein Bruder
und ſeine grimmen Hunde?“

„Katharina!“ rief ich; „was iſt Euch? Was
iſt das hier in Eueres Vaters Haus?“

„Was es iſt, Johannes?“ und faſt wild er¬
griff ſie meine beiden Hände; und ihre jungen
Augen ſprühten wie in Zorn und Schmerz.

„Nein, nein; laß erſt den Vater in ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0056" n="42"/>
grund von dem älteren Ruysdael &#x2014; und dann<lb/>
davor der leere Se&#x017F;&#x017F;el. Meine Blicke blieben<lb/>
daran haften; gleich wie drunten in der Kapellen<lb/>
der Leib des Ent&#x017F;chlafenen, &#x017F;o &#x017F;chien auch dieß<lb/>
Gemach mir itzt ent&#x017F;eelet, und, ob&#x017F;chon vom Walde<lb/>
draußen der junge Lenz durch's Fen&#x017F;ter leuchtete,<lb/>
doch gleich&#x017F;am von der Stille des Todes wie<lb/>
erfüllet.</p><lb/>
      <p>Ich hatte auch Katharinen in die&#x017F;em Augen¬<lb/>
blicke fa&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;en. Da ich mich umwandte,<lb/>
&#x017F;tand &#x017F;ie &#x017F;chier reglos mitten in dem Zimmer,<lb/>
und ich &#x017F;ah, wie unter den kleinen Händen, die<lb/>
&#x017F;ie darauf gepreßt hielt, ihre Bru&#x017F;t in unge&#x017F;tümer<lb/>
Arbeit ging. &#x201E;Nicht wahr,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie lei&#x017F;e, &#x201E;hier<lb/>
i&#x017F;t itzt Niemand mehr; Niemand, als mein Bruder<lb/>
und &#x017F;eine grimmen Hunde?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Katharina!&#x201C; rief ich; &#x201E;was i&#x017F;t Euch? Was<lb/>
i&#x017F;t das hier in Eueres Vaters Haus?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Was es i&#x017F;t, Johannes?&#x201C; und fa&#x017F;t wild er¬<lb/>
griff &#x017F;ie meine beiden Hände; und ihre jungen<lb/>
Augen &#x017F;prühten wie in Zorn und Schmerz.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Nein, nein; laß er&#x017F;t den Vater in &#x017F;einer<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0056] grund von dem älteren Ruysdael — und dann davor der leere Seſſel. Meine Blicke blieben daran haften; gleich wie drunten in der Kapellen der Leib des Entſchlafenen, ſo ſchien auch dieß Gemach mir itzt entſeelet, und, obſchon vom Walde draußen der junge Lenz durch's Fenſter leuchtete, doch gleichſam von der Stille des Todes wie erfüllet. Ich hatte auch Katharinen in dieſem Augen¬ blicke faſt vergeſſen. Da ich mich umwandte, ſtand ſie ſchier reglos mitten in dem Zimmer, und ich ſah, wie unter den kleinen Händen, die ſie darauf gepreßt hielt, ihre Bruſt in ungeſtümer Arbeit ging. „Nicht wahr,“ ſagte ſie leiſe, „hier iſt itzt Niemand mehr; Niemand, als mein Bruder und ſeine grimmen Hunde?“ „Katharina!“ rief ich; „was iſt Euch? Was iſt das hier in Eueres Vaters Haus?“ „Was es iſt, Johannes?“ und faſt wild er¬ griff ſie meine beiden Hände; und ihre jungen Augen ſprühten wie in Zorn und Schmerz. „Nein, nein; laß erſt den Vater in ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/56
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/56>, abgerufen am 22.11.2024.