über dem weißen Nachtgewand bis in den Schooß hinab; der Mond, der draußen die Gartenhecken überstiegen hatte, schien voll herein und zeigete mir Alles. Ich stund wie fest gezaubert vor ihr; so lieblich fremde und doch so ganz mein eigen schien sie mir; nur meine Augen tranken sich satt an all' der Schönheit. Erst als ein Seufzen ihre Brust erhob, sprach ich zu ihr: "Katharina, liebe Katharina, träumet Ihr denn?"
Da flog ein schmerzlich Lächeln über ihr Gesicht: "Ich glaub' wol fast, Johannes! -- Das Leben ist so hart; der Traum ist süß!"
Als aber von unten aus dem Garten das Geheul auf's Neu heraufkam, fuhr sie erschreckt empor. "Die Hunde, Johannes!" rief sie. "Was ist das mit den Hunden?"
"Katharina," sagte ich, "wenn ich Euch dienen soll, so glaub' ich, es muß bald geschehen; denn es fehlt viel, daß ich noch einmal durch die Thür in dieses Haus gelangen sollte." Dabei hatte ich den Brief aus meinem Täschlein hervorgezogen
Storm, Aquis submersus. 6
über dem weißen Nachtgewand bis in den Schooß hinab; der Mond, der draußen die Gartenhecken überſtiegen hatte, ſchien voll herein und zeigete mir Alles. Ich ſtund wie feſt gezaubert vor ihr; ſo lieblich fremde und doch ſo ganz mein eigen ſchien ſie mir; nur meine Augen tranken ſich ſatt an all' der Schönheit. Erſt als ein Seufzen ihre Bruſt erhob, ſprach ich zu ihr: „Katharina, liebe Katharina, träumet Ihr denn?“
Da flog ein ſchmerzlich Lächeln über ihr Geſicht: „Ich glaub' wol faſt, Johannes! — Das Leben iſt ſo hart; der Traum iſt ſüß!“
Als aber von unten aus dem Garten das Geheul auf's Neu heraufkam, fuhr ſie erſchreckt empor. „Die Hunde, Johannes!“ rief ſie. „Was iſt das mit den Hunden?“
„Katharina,“ ſagte ich, „wenn ich Euch dienen ſoll, ſo glaub' ich, es muß bald geſchehen; denn es fehlt viel, daß ich noch einmal durch die Thür in dieſes Haus gelangen ſollte.“ Dabei hatte ich den Brief aus meinem Täſchlein hervorgezogen
Storm, Aquis submersus. 6
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0095"n="81"/>
über dem weißen Nachtgewand bis in den Schooß<lb/>
hinab; der Mond, der draußen die Gartenhecken<lb/>
überſtiegen hatte, ſchien voll herein und zeigete<lb/>
mir Alles. Ich ſtund wie feſt gezaubert vor<lb/>
ihr; ſo lieblich fremde und doch ſo ganz mein<lb/>
eigen ſchien ſie mir; nur meine Augen tranken<lb/>ſich ſatt an all' der Schönheit. Erſt als ein<lb/>
Seufzen ihre Bruſt erhob, ſprach ich zu ihr:<lb/>„Katharina, liebe Katharina, träumet Ihr denn?“</p><lb/><p>Da flog ein ſchmerzlich Lächeln über ihr<lb/>
Geſicht: „Ich glaub' wol faſt, Johannes! —<lb/>
Das Leben iſt ſo hart; der Traum iſt ſüß!“</p><lb/><p>Als aber von unten aus dem Garten das<lb/>
Geheul auf's Neu heraufkam, fuhr ſie erſchreckt<lb/>
empor. „Die Hunde, Johannes!“ rief ſie. „Was<lb/>
iſt das mit den Hunden?“</p><lb/><p>„Katharina,“ſagte ich, „wenn ich Euch dienen<lb/>ſoll, ſo glaub' ich, es muß bald geſchehen; denn<lb/>
es fehlt viel, daß ich noch einmal durch die Thür<lb/>
in dieſes Haus gelangen ſollte.“ Dabei hatte ich<lb/>
den Brief aus meinem Täſchlein hervorgezogen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Storm, <hirendition="#aq">Aquis submersus</hi>. 6<lb/></fw></p></body></text></TEI>
[81/0095]
über dem weißen Nachtgewand bis in den Schooß
hinab; der Mond, der draußen die Gartenhecken
überſtiegen hatte, ſchien voll herein und zeigete
mir Alles. Ich ſtund wie feſt gezaubert vor
ihr; ſo lieblich fremde und doch ſo ganz mein
eigen ſchien ſie mir; nur meine Augen tranken
ſich ſatt an all' der Schönheit. Erſt als ein
Seufzen ihre Bruſt erhob, ſprach ich zu ihr:
„Katharina, liebe Katharina, träumet Ihr denn?“
Da flog ein ſchmerzlich Lächeln über ihr
Geſicht: „Ich glaub' wol faſt, Johannes! —
Das Leben iſt ſo hart; der Traum iſt ſüß!“
Als aber von unten aus dem Garten das
Geheul auf's Neu heraufkam, fuhr ſie erſchreckt
empor. „Die Hunde, Johannes!“ rief ſie. „Was
iſt das mit den Hunden?“
„Katharina,“ ſagte ich, „wenn ich Euch dienen
ſoll, ſo glaub' ich, es muß bald geſchehen; denn
es fehlt viel, daß ich noch einmal durch die Thür
in dieſes Haus gelangen ſollte.“ Dabei hatte ich
den Brief aus meinem Täſchlein hervorgezogen
Storm, Aquis submersus. 6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/95>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.