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Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.

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waren Todtenkringel, und Fritz saß auf der Bodentreppe und aß sie unter strömenden Thränen. Das Schwesterlein war zwar da gewesen, ein kleines rothes Dings, das Fritz nur ganz von Ferne anzusehen wagte; die Mutter sah so bleich aus, sie reichte ihm aus ihrem Bett die Hand und frug: "Magst Du sie leiden, Fritz?" Aber Fritz schüttelte stumm den Kopf, dann lief er aus dem beklommenen Stübchen in die frische Maienluft hinaus.

Drei Tage später stand er mit seinem Vater an einem Sarge; darin lag seine bleiche Mutter, die gute schelmische Frau Line; sie regte sich gar nicht und ihre Augen waren ganz geschlossen, in ihrem linken Arme lag ein sehr kleines Kind, das war auch todtenbleich. Wie vor einem fremden schauerlichen Wunder stand der Knabe mit verhaltenem Athem; er war eben erst sechs Jahr alt geworden.

Tante Salome, die mit ihnen dastand, drückte ihrem Bruder die Hand: "Ja, Daniel," sagte sie, "dat Kind hett Di Din Fru mitwegnamen!"

Daniel nickte stumm und sah, wie keines Gedankens

waren Todtenkringel, und Fritz saß auf der Bodentreppe und aß sie unter strömenden Thränen. Das Schwesterlein war zwar da gewesen, ein kleines rothes Dings, das Fritz nur ganz von Ferne anzusehen wagte; die Mutter sah so bleich aus, sie reichte ihm aus ihrem Bett die Hand und frug: „Magst Du sie leiden, Fritz?“ Aber Fritz schüttelte stumm den Kopf, dann lief er aus dem beklommenen Stübchen in die frische Maienluft hinaus.

Drei Tage später stand er mit seinem Vater an einem Sarge; darin lag seine bleiche Mutter, die gute schelmische Frau Line; sie regte sich gar nicht und ihre Augen waren ganz geschlossen, in ihrem linken Arme lag ein sehr kleines Kind, das war auch todtenbleich. Wie vor einem fremden schauerlichen Wunder stand der Knabe mit verhaltenem Athem; er war eben erst sechs Jahr alt geworden.

Tante Salome, die mit ihnen dastand, drückte ihrem Bruder die Hand: „Ja, Daniel,“ sagte sie, „dat Kind hett Di Din Fru mitwegnamen!“

Daniel nickte stumm und sah, wie keines Gedankens

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[20/0020] waren Todtenkringel, und Fritz saß auf der Bodentreppe und aß sie unter strömenden Thränen. Das Schwesterlein war zwar da gewesen, ein kleines rothes Dings, das Fritz nur ganz von Ferne anzusehen wagte; die Mutter sah so bleich aus, sie reichte ihm aus ihrem Bett die Hand und frug: „Magst Du sie leiden, Fritz?“ Aber Fritz schüttelte stumm den Kopf, dann lief er aus dem beklommenen Stübchen in die frische Maienluft hinaus. Drei Tage später stand er mit seinem Vater an einem Sarge; darin lag seine bleiche Mutter, die gute schelmische Frau Line; sie regte sich gar nicht und ihre Augen waren ganz geschlossen, in ihrem linken Arme lag ein sehr kleines Kind, das war auch todtenbleich. Wie vor einem fremden schauerlichen Wunder stand der Knabe mit verhaltenem Athem; er war eben erst sechs Jahr alt geworden. Tante Salome, die mit ihnen dastand, drückte ihrem Bruder die Hand: „Ja, Daniel,“ sagte sie, „dat Kind hett Di Din Fru mitwegnamen!“ Daniel nickte stumm und sah, wie keines Gedankens

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/20>, abgerufen am 21.11.2024.