Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

Grabhügel; aber die Todten schliefen fest genug; dann trat er den langen Weg nach seinem Hause an. Als er von der Norderstraße über den Stiftskirchhof ging, zeigte ein Blitz ihm für einen Augenblick die beiden Zackengiebel und die Seitenmauer des langen Stiftsgebäudes und darin das Fenster, hinter welchem er so manches Mal bei seiner Schwester Salome gesessen hatte; es war dort Niemand mehr, der zu ihm gehörte, und er begann einen kleinen Trab zu laufen; ihn ergriff eine plötzliche Sehnsucht nach seiner öden Wohnung; auch mußte er in der Werkstatt den offenen Fensterflügel schließen, damit der schon in großen Tropfen fallende Regen nicht seitwärts in das Vogelbauer und auf seinen Dompfaff schlage.

Mamsell Riekchen lag schon hinter den geblümten Gardinen ihres Jungfernbettes, als der Meister in sein Haus trat, und sie ihn eilig in die Werkstatt gehen hörte. "Den lieben Engeln Dank," sagte sie und streckte ihr Figürchen behaglich unter dem Deckbett, "daß wir den alten Mann zu Hause haben!" Denn von draußen schlug der Gewitterregen wie in Strömen gegen

Grabhügel; aber die Todten schliefen fest genug; dann trat er den langen Weg nach seinem Hause an. Als er von der Norderstraße über den Stiftskirchhof ging, zeigte ein Blitz ihm für einen Augenblick die beiden Zackengiebel und die Seitenmauer des langen Stiftsgebäudes und darin das Fenster, hinter welchem er so manches Mal bei seiner Schwester Salome gesessen hatte; es war dort Niemand mehr, der zu ihm gehörte, und er begann einen kleinen Trab zu laufen; ihn ergriff eine plötzliche Sehnsucht nach seiner öden Wohnung; auch mußte er in der Werkstatt den offenen Fensterflügel schließen, damit der schon in großen Tropfen fallende Regen nicht seitwärts in das Vogelbauer und auf seinen Dompfaff schlage.

Mamsell Riekchen lag schon hinter den geblümten Gardinen ihres Jungfernbettes, als der Meister in sein Haus trat, und sie ihn eilig in die Werkstatt gehen hörte. „Den lieben Engeln Dank,“ sagte sie und streckte ihr Figürchen behaglich unter dem Deckbett, „daß wir den alten Mann zu Hause haben!“ Denn von draußen schlug der Gewitterregen wie in Strömen gegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="80"/>
Grabhügel; aber die Todten schliefen fest genug; dann trat er den langen Weg nach seinem Hause an. Als er von der Norderstraße über den Stiftskirchhof ging, zeigte ein Blitz ihm für einen Augenblick die beiden Zackengiebel und die Seitenmauer des langen Stiftsgebäudes und darin das Fenster, hinter welchem er so manches Mal bei seiner Schwester Salome gesessen hatte; es war dort Niemand mehr, der zu ihm gehörte, und er begann einen kleinen Trab zu laufen; ihn ergriff eine plötzliche Sehnsucht nach seiner öden Wohnung; auch mußte er in der Werkstatt den offenen Fensterflügel schließen, damit der schon in großen Tropfen fallende Regen nicht seitwärts in das Vogelbauer und auf seinen Dompfaff schlage.</p>
        <p>Mamsell Riekchen lag schon hinter den geblümten Gardinen ihres Jungfernbettes, als der Meister in sein Haus trat, und sie ihn eilig in die Werkstatt gehen hörte. &#x201E;Den lieben Engeln Dank,&#x201C; sagte sie und streckte ihr Figürchen behaglich unter dem Deckbett, &#x201E;daß wir den alten Mann zu Hause haben!&#x201C; Denn von draußen schlug der Gewitterregen wie in Strömen gegen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0080] Grabhügel; aber die Todten schliefen fest genug; dann trat er den langen Weg nach seinem Hause an. Als er von der Norderstraße über den Stiftskirchhof ging, zeigte ein Blitz ihm für einen Augenblick die beiden Zackengiebel und die Seitenmauer des langen Stiftsgebäudes und darin das Fenster, hinter welchem er so manches Mal bei seiner Schwester Salome gesessen hatte; es war dort Niemand mehr, der zu ihm gehörte, und er begann einen kleinen Trab zu laufen; ihn ergriff eine plötzliche Sehnsucht nach seiner öden Wohnung; auch mußte er in der Werkstatt den offenen Fensterflügel schließen, damit der schon in großen Tropfen fallende Regen nicht seitwärts in das Vogelbauer und auf seinen Dompfaff schlage. Mamsell Riekchen lag schon hinter den geblümten Gardinen ihres Jungfernbettes, als der Meister in sein Haus trat, und sie ihn eilig in die Werkstatt gehen hörte. „Den lieben Engeln Dank,“ sagte sie und streckte ihr Figürchen behaglich unter dem Deckbett, „daß wir den alten Mann zu Hause haben!“ Denn von draußen schlug der Gewitterregen wie in Strömen gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • o über a wird als å dargestellt



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/80
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/80>, abgerufen am 27.11.2024.