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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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und zwischen zwei lieben alten Leuten auf dem offenen Sitze saß die kleine Christine, und sie nickte mir freundlich zu, als sie bei mir vorbei und über dem Zingel zur Stadt hinausfuhren.

Der alten Mariken dachte ich nicht weiter; ich wußte, daß sie vor langen Jahren in St. Jürgens Stift ein ruhiges Sterbekissen gefunden hatte.

- - Als ich spät am andern Morgen in das Haus hinunter kam, erhob sich der Lohbraune von der Matte vor der Thür des Wohnzimmers und begrüßte mich wedelnd als einen Gast des Hauses; als ich aber eintrat, war Niemand drinnen; nur die Magd öffnete eine Seitenthür, guckte herein, als ob sie bestellt sei, meine Ankunft zu berichten, und lief dann rasch von dannen. Ich beschäftigte mich indeß damit, die Bilder an den Wänden zu beschauen, aus denen deutlich zwei Generationen zu erkennen waren: auf der einen Jagd- und Thierstücke von Steffeck und dem alten Riedinger; über dem Sopha dagegen fand ich eine Kreuzesabnahme von Rubens, und je zur Seite die Bildnisse von Luther und Melanchthon. Am Sopha, auf dem lichtlosen Wandstücke am Fenster, hing, wie im

und zwischen zwei lieben alten Leuten auf dem offenen Sitze saß die kleine Christine, und sie nickte mir freundlich zu, als sie bei mir vorbei und über dem Zingel zur Stadt hinausfuhren.

Der alten Mariken dachte ich nicht weiter; ich wußte, daß sie vor langen Jahren in St. Jürgens Stift ein ruhiges Sterbekissen gefunden hatte.

– – Als ich spät am andern Morgen in das Haus hinunter kam, erhob sich der Lohbraune von der Matte vor der Thür des Wohnzimmers und begrüßte mich wedelnd als einen Gast des Hauses; als ich aber eintrat, war Niemand drinnen; nur die Magd öffnete eine Seitenthür, guckte herein, als ob sie bestellt sei, meine Ankunft zu berichten, und lief dann rasch von dannen. Ich beschäftigte mich indeß damit, die Bilder an den Wänden zu beschauen, aus denen deutlich zwei Generationen zu erkennen waren: auf der einen Jagd- und Thierstücke von Steffeck und dem alten Riedinger; über dem Sopha dagegen fand ich eine Kreuzesabnahme von Rubens, und je zur Seite die Bildnisse von Luther und Melanchthon. Am Sopha, auf dem lichtlosen Wandstücke am Fenster, hing, wie im

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[119/0119] und zwischen zwei lieben alten Leuten auf dem offenen Sitze saß die kleine Christine, und sie nickte mir freundlich zu, als sie bei mir vorbei und über dem Zingel zur Stadt hinausfuhren. Der alten Mariken dachte ich nicht weiter; ich wußte, daß sie vor langen Jahren in St. Jürgens Stift ein ruhiges Sterbekissen gefunden hatte. – – Als ich spät am andern Morgen in das Haus hinunter kam, erhob sich der Lohbraune von der Matte vor der Thür des Wohnzimmers und begrüßte mich wedelnd als einen Gast des Hauses; als ich aber eintrat, war Niemand drinnen; nur die Magd öffnete eine Seitenthür, guckte herein, als ob sie bestellt sei, meine Ankunft zu berichten, und lief dann rasch von dannen. Ich beschäftigte mich indeß damit, die Bilder an den Wänden zu beschauen, aus denen deutlich zwei Generationen zu erkennen waren: auf der einen Jagd- und Thierstücke von Steffeck und dem alten Riedinger; über dem Sopha dagegen fand ich eine Kreuzesabnahme von Rubens, und je zur Seite die Bildnisse von Luther und Melanchthon. Am Sopha, auf dem lichtlosen Wandstücke am Fenster, hing, wie im

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/119>, abgerufen am 18.12.2024.