Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.Die Alte lachte. "Tröst' Er sich, an so etwas stirbt Euresgleichen nicht!" Sie zog ihn mit nach seiner kleinen Wohnung. Als sie in die Kammer trat, sah sie auf die Wöchnerin. "Wo ist die Alte?" frug sie. "Habt Ihr denn nichts bedacht?" und sie zählte auf, was man bei solcher Gelegenheit für sie bereit zu halten pflegte; und sie brachten ihr, was sie hatten. John stand zitternd am Ende des Bettes, und endlich wurde das Kind geboren. Die Hebamme wandte den Kopf nach ihm. "Da hat Er eine Dirne; die braucht nicht Soldat zu werden!" "Eine Züchtlingstochter!" murmelte er; dann fiel er vor dem Bette auf die Kniee: "Möcht' Gott sie wieder zu sich nehmen!" Immer feindlicher stand ihm die Welt entgegen; wo er ihrer bedurfte, wo er sie ansprach, immer hörte er den Vorwurf seiner jungen Schande als die Antwort; und bald hörte er es auch, wo kein anderer es hätte hören können. Man hätte fragen mögen: "Du mit den starken Armen, mit Die Alte lachte. „Tröst’ Er sich, an so etwas stirbt Euresgleichen nicht!“ Sie zog ihn mit nach seiner kleinen Wohnung. Als sie in die Kammer trat, sah sie auf die Wöchnerin. „Wo ist die Alte?“ frug sie. „Habt Ihr denn nichts bedacht?“ und sie zählte auf, was man bei solcher Gelegenheit für sie bereit zu halten pflegte; und sie brachten ihr, was sie hatten. John stand zitternd am Ende des Bettes, und endlich wurde das Kind geboren. Die Hebamme wandte den Kopf nach ihm. „Da hat Er eine Dirne; die braucht nicht Soldat zu werden!“ „Eine Züchtlingstochter!“ murmelte er; dann fiel er vor dem Bette auf die Kniee: „Möcht’ Gott sie wieder zu sich nehmen!“ Immer feindlicher stand ihm die Welt entgegen; wo er ihrer bedurfte, wo er sie ansprach, immer hörte er den Vorwurf seiner jungen Schande als die Antwort; und bald hörte er es auch, wo kein anderer es hätte hören können. Man hätte fragen mögen: „Du mit den starken Armen, mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0059" n="59"/> <p>Die Alte lachte. „Tröst’ Er sich, an so etwas stirbt Euresgleichen nicht!“</p> <p>Sie zog ihn mit nach seiner kleinen Wohnung. Als sie in die Kammer trat, sah sie auf die Wöchnerin. „Wo ist die Alte?“ frug sie. „Habt Ihr denn nichts bedacht?“ und sie zählte auf, was man bei solcher Gelegenheit für sie bereit zu halten pflegte; und sie brachten ihr, was sie hatten.</p> <p>John stand zitternd am Ende des Bettes, und endlich wurde das Kind geboren. Die Hebamme wandte den Kopf nach ihm. „Da hat Er eine Dirne; die braucht nicht Soldat zu werden!“</p> <p>„Eine Züchtlingstochter!“ murmelte er; dann fiel er vor dem Bette auf die Kniee: „Möcht’ Gott sie wieder zu sich nehmen!“</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Immer feindlicher stand ihm die Welt entgegen; wo er ihrer bedurfte, wo er sie ansprach, immer hörte er den Vorwurf seiner jungen Schande als die Antwort; und bald hörte er es auch, wo kein anderer es hätte hören können. Man hätte fragen mögen: „Du mit den starken Armen, mit </p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0059]
Die Alte lachte. „Tröst’ Er sich, an so etwas stirbt Euresgleichen nicht!“
Sie zog ihn mit nach seiner kleinen Wohnung. Als sie in die Kammer trat, sah sie auf die Wöchnerin. „Wo ist die Alte?“ frug sie. „Habt Ihr denn nichts bedacht?“ und sie zählte auf, was man bei solcher Gelegenheit für sie bereit zu halten pflegte; und sie brachten ihr, was sie hatten.
John stand zitternd am Ende des Bettes, und endlich wurde das Kind geboren. Die Hebamme wandte den Kopf nach ihm. „Da hat Er eine Dirne; die braucht nicht Soldat zu werden!“
„Eine Züchtlingstochter!“ murmelte er; dann fiel er vor dem Bette auf die Kniee: „Möcht’ Gott sie wieder zu sich nehmen!“
Immer feindlicher stand ihm die Welt entgegen; wo er ihrer bedurfte, wo er sie ansprach, immer hörte er den Vorwurf seiner jungen Schande als die Antwort; und bald hörte er es auch, wo kein anderer es hätte hören können. Man hätte fragen mögen: „Du mit den starken Armen, mit
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