Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

und die alte Mutter, die ihr sonst die Last abnahm, war von einem Gichtanfall ins Bett getrieben worden. "Du hättest auch eine Wiege zimmern können!" rief sie ihrem Manne zu, der eben müde von der Arbeit kam und sein Werkzeug in eine Ecke stellte.

"Was ist denn?" frug er, "das Kind schläft nun ein Jahr schon in dem Bettchen; Du freutest Dich doch selbst, als ich's gemacht hatte!"

"Nun will es aber nicht mehr", gab sie zur Antwort.

"Es schläft ja doch!"

"Ja, - über eine Stunde hab' ich damit herum gearbeitet!"

"Da haben wir beid' gearbeitet", sagte er kurz.

Aber sie schwieg nicht, Red' um Rede ward wechselsweise schärfer und unbedachter.

"Es wird schon morgen besser schlafen oder übermorgen", sprach noch der Mann. "Wenn's gar nicht geht - wir kriegen dann wohl eine Wiege!"

"Woher?" frug sie. "Damals, als Du das gute Holz hattest, hätt'st Du die Wiege machen sollen!"

und die alte Mutter, die ihr sonst die Last abnahm, war von einem Gichtanfall ins Bett getrieben worden. „Du hättest auch eine Wiege zimmern können!“ rief sie ihrem Manne zu, der eben müde von der Arbeit kam und sein Werkzeug in eine Ecke stellte.

„Was ist denn?“ frug er, „das Kind schläft nun ein Jahr schon in dem Bettchen; Du freutest Dich doch selbst, als ich’s gemacht hatte!“

„Nun will es aber nicht mehr“, gab sie zur Antwort.

„Es schläft ja doch!“

„Ja, – über eine Stunde hab’ ich damit herum gearbeitet!“

„Da haben wir beid’ gearbeitet“, sagte er kurz.

Aber sie schwieg nicht, Red’ um Rede ward wechselsweise schärfer und unbedachter.

„Es wird schon morgen besser schlafen oder übermorgen“, sprach noch der Mann. „Wenn’s gar nicht geht – wir kriegen dann wohl eine Wiege!“

„Woher?“ frug sie. „Damals, als Du das gute Holz hattest, hätt’st Du die Wiege machen sollen!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="62"/>
und die alte Mutter, die ihr sonst die Last abnahm, war von einem Gichtanfall ins Bett getrieben worden. &#x201E;Du hättest auch eine Wiege zimmern können!&#x201C; rief sie ihrem Manne zu, der eben müde von der Arbeit kam und sein Werkzeug in eine Ecke stellte.</p>
        <p>&#x201E;Was ist denn?&#x201C; frug er, &#x201E;das Kind schläft nun ein Jahr schon in dem Bettchen; Du freutest Dich doch selbst, als ich&#x2019;s gemacht hatte!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Nun will es aber nicht mehr&#x201C;, gab sie zur Antwort.</p>
        <p>&#x201E;Es schläft ja doch!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, &#x2013; über eine Stunde hab&#x2019; ich damit herum gearbeitet!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Da haben wir beid&#x2019; gearbeitet&#x201C;, sagte er kurz.</p>
        <p>Aber sie schwieg nicht, Red&#x2019; um Rede ward wechselsweise schärfer und unbedachter.</p>
        <p>&#x201E;Es wird schon morgen besser schlafen oder übermorgen&#x201C;, sprach noch der Mann. &#x201E;Wenn&#x2019;s gar nicht geht &#x2013; wir kriegen dann wohl eine Wiege!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Woher?&#x201C; frug sie. &#x201E;Damals, als Du das gute Holz hattest, hätt&#x2019;st Du die Wiege machen sollen!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0062] und die alte Mutter, die ihr sonst die Last abnahm, war von einem Gichtanfall ins Bett getrieben worden. „Du hättest auch eine Wiege zimmern können!“ rief sie ihrem Manne zu, der eben müde von der Arbeit kam und sein Werkzeug in eine Ecke stellte. „Was ist denn?“ frug er, „das Kind schläft nun ein Jahr schon in dem Bettchen; Du freutest Dich doch selbst, als ich’s gemacht hatte!“ „Nun will es aber nicht mehr“, gab sie zur Antwort. „Es schläft ja doch!“ „Ja, – über eine Stunde hab’ ich damit herum gearbeitet!“ „Da haben wir beid’ gearbeitet“, sagte er kurz. Aber sie schwieg nicht, Red’ um Rede ward wechselsweise schärfer und unbedachter. „Es wird schon morgen besser schlafen oder übermorgen“, sprach noch der Mann. „Wenn’s gar nicht geht – wir kriegen dann wohl eine Wiege!“ „Woher?“ frug sie. „Damals, als Du das gute Holz hattest, hätt’st Du die Wiege machen sollen!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-15T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/62
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/62>, abgerufen am 21.11.2024.