Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.stand. Ich begann ein Gespräch über den Stand der Ernte, ging dann auf die neue Steuer über, schimpfte etwas Weniges auf die Regierung, und so wurden wir bald bekannt. Es ist ein alter knorriger Kerl; du sollst ihn nachher in meiner Mappe sehen, worin er ohne Wissen und Willen hat Platz nehmen müssen. Von dem Sohne sah ich nichts und hütete mich auch wohl, seiner zu erwähnen. -- Am Abend darauf, nachdem ich den Tag im nahen Walde in Gesellschaft gehöriger Butterschnitte der Frau Schulmeisterin verbracht hatte, war ich wieder zur Stelle, und ebenso am dritten und am vierten Abend; der Alte schien diesmal in einer nachdenklichen Stimmung; er saß ohne seine Pfeife auf dem Stein vor seinem Hause und antwortete kaum auf meine noch so wohl überlegten Gesprächseinleitungen. Wer weiß, dachte ich endlich; vielleicht ist's just der rechte Augenblick. So fragte ich ihn denn geradezu nach seinem Sohn. Ist er nicht zu Hause? fügte ich hinzu. Ich habe ja noch nichts von ihm gesehen. Da brach's hervor; mit der geballten Faust drohte er nach dem Schulhause hinüber: Der Haselant mit seinen hergelaufenen Faxen! rief er. Und nun klagte er mir seine Noth, während zwischen durch immer Flüche auf den armen Schulmeister fielen. Der hätte die Prügel haben sollen, die der Junge gekriegt hat; denn bei dem hat's nicht geholfen. Was macht Euer Sohn denn jetzt? fragte ich. Der Alte schob die Pudelmütze übers Ohr. Das stand. Ich begann ein Gespräch über den Stand der Ernte, ging dann auf die neue Steuer über, schimpfte etwas Weniges auf die Regierung, und so wurden wir bald bekannt. Es ist ein alter knorriger Kerl; du sollst ihn nachher in meiner Mappe sehen, worin er ohne Wissen und Willen hat Platz nehmen müssen. Von dem Sohne sah ich nichts und hütete mich auch wohl, seiner zu erwähnen. — Am Abend darauf, nachdem ich den Tag im nahen Walde in Gesellschaft gehöriger Butterschnitte der Frau Schulmeisterin verbracht hatte, war ich wieder zur Stelle, und ebenso am dritten und am vierten Abend; der Alte schien diesmal in einer nachdenklichen Stimmung; er saß ohne seine Pfeife auf dem Stein vor seinem Hause und antwortete kaum auf meine noch so wohl überlegten Gesprächseinleitungen. Wer weiß, dachte ich endlich; vielleicht ist's just der rechte Augenblick. So fragte ich ihn denn geradezu nach seinem Sohn. Ist er nicht zu Hause? fügte ich hinzu. Ich habe ja noch nichts von ihm gesehen. Da brach's hervor; mit der geballten Faust drohte er nach dem Schulhause hinüber: Der Haselant mit seinen hergelaufenen Faxen! rief er. Und nun klagte er mir seine Noth, während zwischen durch immer Flüche auf den armen Schulmeister fielen. Der hätte die Prügel haben sollen, die der Junge gekriegt hat; denn bei dem hat's nicht geholfen. Was macht Euer Sohn denn jetzt? fragte ich. Der Alte schob die Pudelmütze übers Ohr. Das <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0040"/> stand. Ich begann ein Gespräch über den Stand der Ernte, ging dann auf die neue Steuer über, schimpfte etwas Weniges auf die Regierung, und so wurden wir bald bekannt. Es ist ein alter knorriger Kerl; du sollst ihn nachher in meiner Mappe sehen, worin er ohne Wissen und Willen hat Platz nehmen müssen. Von dem Sohne sah ich nichts und hütete mich auch wohl, seiner zu erwähnen. — Am Abend darauf, nachdem ich den Tag im nahen Walde in Gesellschaft gehöriger Butterschnitte der Frau Schulmeisterin verbracht hatte, war ich wieder zur Stelle, und ebenso am dritten und am vierten Abend; der Alte schien diesmal in einer nachdenklichen Stimmung; er saß ohne seine Pfeife auf dem Stein vor seinem Hause und antwortete kaum auf meine noch so wohl überlegten Gesprächseinleitungen.</p><lb/> <p>Wer weiß, dachte ich endlich; vielleicht ist's just der rechte Augenblick. So fragte ich ihn denn geradezu nach seinem Sohn. Ist er nicht zu Hause? fügte ich hinzu. Ich habe ja noch nichts von ihm gesehen.</p><lb/> <p>Da brach's hervor; mit der geballten Faust drohte er nach dem Schulhause hinüber: Der Haselant mit seinen hergelaufenen Faxen! rief er. Und nun klagte er mir seine Noth, während zwischen durch immer Flüche auf den armen Schulmeister fielen. Der hätte die Prügel haben sollen, die der Junge gekriegt hat; denn bei dem hat's nicht geholfen.</p><lb/> <p>Was macht Euer Sohn denn jetzt? fragte ich.</p><lb/> <p>Der Alte schob die Pudelmütze übers Ohr. Das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
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Wer weiß, dachte ich endlich; vielleicht ist's just der rechte Augenblick. So fragte ich ihn denn geradezu nach seinem Sohn. Ist er nicht zu Hause? fügte ich hinzu. Ich habe ja noch nichts von ihm gesehen.
Da brach's hervor; mit der geballten Faust drohte er nach dem Schulhause hinüber: Der Haselant mit seinen hergelaufenen Faxen! rief er. Und nun klagte er mir seine Noth, während zwischen durch immer Flüche auf den armen Schulmeister fielen. Der hätte die Prügel haben sollen, die der Junge gekriegt hat; denn bei dem hat's nicht geholfen.
Was macht Euer Sohn denn jetzt? fragte ich.
Der Alte schob die Pudelmütze übers Ohr. Das
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/40>, abgerufen am 16.07.2024. |