Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

und legte, mit Untreue im Herzen, seine Hand in die des Ritters. Als dieser aber bald danach der tödtlichen Nachstellung des Atterdag nur kaum entronnen war, da zog er nach der Insel Föhr, um dort sich eine Burg zu bauen, und ließ die Feste Dorning seinem ältesten Sohne. Das aber war nicht wie ein Chronist dem anderen es nachgeschrieben hat, der Hennecke Lembeck, welcher späterhin die Kieler in Noth brachte, weil sie einigen seiner straßenräuberischen Burgleute den Kopf hatten vor die Füße legen lassen; es stand noch Einer zwischen ihnen, von dem jede Kunde fast verschollen scheint; der älteste Sohn des vielberufenen Ritters hieß Rolf Lembeck und saß, wenn auch nur wenig Monde, auf Schloß Dorning. Er war nur halb vom Eisenstoffe seines Geschlechtes, und lieber als im Harnisch, ging er auf leichten Sohlen und in zierlichen Gewändern von Sammet oder Seiden; von ihm war nur ein jäh zerrissenes Minneabenteuer zu berichten, das wie Mondlicht in die Wirrniß dieser finsteren Zeiten fällt; doch damit hatten die Chronisten nichts zu schaffen. Und obschon sein Leben ein Vierteljahrhundert kaum erreichte, so war er doch ein deutscher Ritter, blauäugig und mit blondem Haupthaar, von froher, leichter Jugend und von heißen Lebenslust.

und legte, mit Untreue im Herzen, seine Hand in die des Ritters. Als dieser aber bald danach der tödtlichen Nachstellung des Atterdag nur kaum entronnen war, da zog er nach der Insel Föhr, um dort sich eine Burg zu bauen, und ließ die Feste Dorning seinem ältesten Sohne. Das aber war nicht wie ein Chronist dem anderen es nachgeschrieben hat, der Hennecke Lembeck, welcher späterhin die Kieler in Noth brachte, weil sie einigen seiner straßenräuberischen Burgleute den Kopf hatten vor die Füße legen lassen; es stand noch Einer zwischen ihnen, von dem jede Kunde fast verschollen scheint; der älteste Sohn des vielberufenen Ritters hieß Rolf Lembeck und saß, wenn auch nur wenig Monde, auf Schloß Dorning. Er war nur halb vom Eisenstoffe seines Geschlechtes, und lieber als im Harnisch, ging er auf leichten Sohlen und in zierlichen Gewändern von Sammet oder Seiden; von ihm war nur ein jäh zerrissenes Minneabenteuer zu berichten, das wie Mondlicht in die Wirrniß dieser finsteren Zeiten fällt; doch damit hatten die Chronisten nichts zu schaffen. Und obschon sein Leben ein Vierteljahrhundert kaum erreichte, so war er doch ein deutscher Ritter, blauäugig und mit blondem Haupthaar, von froher, leichter Jugend und von heißen Lebenslust.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="104"/>
und legte, mit Untreue im Herzen, seine Hand in die des Ritters. Als dieser aber bald danach der tödtlichen Nachstellung des Atterdag nur kaum entronnen war, da zog er nach der Insel Föhr, um dort sich eine Burg zu bauen, und ließ die Feste Dorning seinem ältesten Sohne. Das aber war nicht wie ein Chronist dem anderen es nachgeschrieben hat, der Hennecke Lembeck, welcher späterhin die Kieler in Noth brachte, weil sie einigen seiner straßenräuberischen Burgleute den Kopf hatten vor die Füße legen lassen; es stand noch Einer zwischen ihnen, von dem jede Kunde fast verschollen scheint; der älteste Sohn des vielberufenen Ritters hieß Rolf Lembeck und saß, wenn auch nur wenig Monde, auf Schloß Dorning. Er war nur halb vom Eisenstoffe seines Geschlechtes, und lieber als im Harnisch, ging er auf leichten Sohlen und in zierlichen Gewändern von Sammet oder Seiden; von ihm war nur ein jäh zerrissenes Minneabenteuer zu berichten, das wie Mondlicht in die Wirrniß dieser finsteren Zeiten fällt; doch damit hatten die Chronisten nichts zu schaffen. Und obschon sein Leben ein Vierteljahrhundert kaum erreichte, so war er doch ein deutscher Ritter, blauäugig und mit blondem Haupthaar, von froher, leichter Jugend und von heißen Lebenslust.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0108] und legte, mit Untreue im Herzen, seine Hand in die des Ritters. Als dieser aber bald danach der tödtlichen Nachstellung des Atterdag nur kaum entronnen war, da zog er nach der Insel Föhr, um dort sich eine Burg zu bauen, und ließ die Feste Dorning seinem ältesten Sohne. Das aber war nicht wie ein Chronist dem anderen es nachgeschrieben hat, der Hennecke Lembeck, welcher späterhin die Kieler in Noth brachte, weil sie einigen seiner straßenräuberischen Burgleute den Kopf hatten vor die Füße legen lassen; es stand noch Einer zwischen ihnen, von dem jede Kunde fast verschollen scheint; der älteste Sohn des vielberufenen Ritters hieß Rolf Lembeck und saß, wenn auch nur wenig Monde, auf Schloß Dorning. Er war nur halb vom Eisenstoffe seines Geschlechtes, und lieber als im Harnisch, ging er auf leichten Sohlen und in zierlichen Gewändern von Sammet oder Seiden; von ihm war nur ein jäh zerrissenes Minneabenteuer zu berichten, das wie Mondlicht in die Wirrniß dieser finsteren Zeiten fällt; doch damit hatten die Chronisten nichts zu schaffen. Und obschon sein Leben ein Vierteljahrhundert kaum erreichte, so war er doch ein deutscher Ritter, blauäugig und mit blondem Haupthaar, von froher, leichter Jugend und von heißen Lebenslust.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/108
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/108>, abgerufen am 21.11.2024.