Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.sie sah noch keinen, dem sie sich jetzt ergeben mochte. Da, an einem Frühlingsmorgen, trat Rolf Lembeck mit seinem Vater zu ihr ins Gemach. Die Stunde war vorher bestimmt, und lange, mit steigendem Herzschlag, war sie auf und ab geschritten; doch als die jugendlichen Gestalten sich jetzt gegenübertraten, fehlte nach der feierlichen Verneigung beiden das Wort der Anrede; wie erschrocken über ihre Schönheit schauten sie sich an. Claus Lembeck lächelte in seinen Bart. "Mein Sohn Rolf Lembeck, edle Fraue!" sagte er, "dem, wie ich sehe, der Anblick Eurer Schöne schier den Mund verschlossen hat." Sie athmete tief auf: "Ihr scherzet, Herr Marschall; Euer edler Sohn hat der Frauen wohl schönere gesehen zu Paris und draußen in dem Reich!" Aber Rolf Lembeck rief: "Verzeihet, viel schöne Frauen, doch keine Schauenburgerin!" Und beider Blicke sanken ineinander. Dem alten Ritter gefiel es wohl, daß er eine Weile schier vergessen dastand. Dann aber sprach er; "Ich seh genugsam Euren Willen; doch ist des Schreibers Kunstwerk itzt dazu vonnöthen!" sie sah noch keinen, dem sie sich jetzt ergeben mochte. Da, an einem Frühlingsmorgen, trat Rolf Lembeck mit seinem Vater zu ihr ins Gemach. Die Stunde war vorher bestimmt, und lange, mit steigendem Herzschlag, war sie auf und ab geschritten; doch als die jugendlichen Gestalten sich jetzt gegenübertraten, fehlte nach der feierlichen Verneigung beiden das Wort der Anrede; wie erschrocken über ihre Schönheit schauten sie sich an. Claus Lembeck lächelte in seinen Bart. „Mein Sohn Rolf Lembeck, edle Fraue!“ sagte er, „dem, wie ich sehe, der Anblick Eurer Schöne schier den Mund verschlossen hat.“ Sie athmete tief auf: „Ihr scherzet, Herr Marschall; Euer edler Sohn hat der Frauen wohl schönere gesehen zu Paris und draußen in dem Reich!“ Aber Rolf Lembeck rief: „Verzeihet, viel schöne Frauen, doch keine Schauenburgerin!“ Und beider Blicke sanken ineinander. Dem alten Ritter gefiel es wohl, daß er eine Weile schier vergessen dastand. Dann aber sprach er; "Ich seh genugsam Euren Willen; doch ist des Schreibers Kunstwerk itzt dazu vonnöthen!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="113"/> sie sah noch keinen, dem sie sich jetzt ergeben mochte.</p> <p>Da, an einem Frühlingsmorgen, trat Rolf Lembeck mit seinem Vater zu ihr ins Gemach. Die Stunde war vorher bestimmt, und lange, mit steigendem Herzschlag, war sie auf und ab geschritten; doch als die jugendlichen Gestalten sich jetzt gegenübertraten, fehlte nach der feierlichen Verneigung beiden das Wort der Anrede; wie erschrocken über ihre Schönheit schauten sie sich an.</p> <p>Claus Lembeck lächelte in seinen Bart. „Mein Sohn Rolf Lembeck, edle Fraue!“ sagte er, „dem, wie ich sehe, der Anblick Eurer Schöne schier den Mund verschlossen hat.“</p> <p>Sie athmete tief auf: „Ihr scherzet, Herr Marschall; Euer edler Sohn hat der Frauen wohl schönere gesehen zu Paris und draußen in dem Reich!“</p> <p>Aber Rolf Lembeck rief: „Verzeihet, viel schöne Frauen, doch keine Schauenburgerin!“ Und beider Blicke sanken ineinander.</p> <p>Dem alten Ritter gefiel es wohl, daß er eine Weile schier vergessen dastand. Dann aber sprach er; "Ich seh genugsam Euren Willen; doch ist des Schreibers Kunstwerk itzt dazu vonnöthen!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [113/0117]
sie sah noch keinen, dem sie sich jetzt ergeben mochte.
Da, an einem Frühlingsmorgen, trat Rolf Lembeck mit seinem Vater zu ihr ins Gemach. Die Stunde war vorher bestimmt, und lange, mit steigendem Herzschlag, war sie auf und ab geschritten; doch als die jugendlichen Gestalten sich jetzt gegenübertraten, fehlte nach der feierlichen Verneigung beiden das Wort der Anrede; wie erschrocken über ihre Schönheit schauten sie sich an.
Claus Lembeck lächelte in seinen Bart. „Mein Sohn Rolf Lembeck, edle Fraue!“ sagte er, „dem, wie ich sehe, der Anblick Eurer Schöne schier den Mund verschlossen hat.“
Sie athmete tief auf: „Ihr scherzet, Herr Marschall; Euer edler Sohn hat der Frauen wohl schönere gesehen zu Paris und draußen in dem Reich!“
Aber Rolf Lembeck rief: „Verzeihet, viel schöne Frauen, doch keine Schauenburgerin!“ Und beider Blicke sanken ineinander.
Dem alten Ritter gefiel es wohl, daß er eine Weile schier vergessen dastand. Dann aber sprach er; "Ich seh genugsam Euren Willen; doch ist des Schreibers Kunstwerk itzt dazu vonnöthen!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus). Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss). Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |