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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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"Dagmar!" rief die Base. "Du weiß' Röslein, was ist Dir? Du glühest ja wie Purpur!"

Mit verschleierten Augen sah das Mädchen auf die Alte. "Du hast wohl in Deinen Truhen gekramt, Bas'," erwiderte sie; "es ist so schwüler Duft hier; es hemmet mir die Luft."

Aber die Alte hatte ihr die Stickerei aus der Hand genommen und wiegte jetzt den Kopf, indem sie sorglich darauf hinsah. "Ei ja, Dagmarlein," sagte sie, "Du hast noch eine Kinderhand; aber doch nicht allemal so sehr! Ich sagt's Dir schon: was wollten Deine Finger bei dem Todtenbein! Schelle nach der Grete, daß sie die Kerze bringt; der Tag ist aus, und der da draußen" - sie wies mit ihrem mageren Finger nach dem Mond - "der leuchtet nur Verliebten, aber nicht Kindern und alten Frauen!"

Ein heißes Roth schoß über das junge Antlitz; aber die Alte gewahrte es nicht. "So schelle doch, Kind!" wiederholte sie; "Du kannst dann Deinen Silbergürtel weiter sticken! Ist der erst fertig zu dem weißen Seidenkleide, da wirst Du aussehen wie die heidnische Diana; es fehlt nur noch der Silbermond an Deiner weißen Stirn!"

Sie bog sich über den Tisch und streichelte die zarten Mädchenwangen. "Wart' nur ein Jährlein,

„Dagmar!“ rief die Base. „Du weiß’ Röslein, was ist Dir? Du glühest ja wie Purpur!“

Mit verschleierten Augen sah das Mädchen auf die Alte. „Du hast wohl in Deinen Truhen gekramt, Bas’,“ erwiderte sie; „es ist so schwüler Duft hier; es hemmet mir die Luft.“

Aber die Alte hatte ihr die Stickerei aus der Hand genommen und wiegte jetzt den Kopf, indem sie sorglich darauf hinsah. „Ei ja, Dagmarlein,“ sagte sie, „Du hast noch eine Kinderhand; aber doch nicht allemal so sehr! Ich sagt’s Dir schon: was wollten Deine Finger bei dem Todtenbein! Schelle nach der Grete, daß sie die Kerze bringt; der Tag ist aus, und der da draußen“ – sie wies mit ihrem mageren Finger nach dem Mond – „der leuchtet nur Verliebten, aber nicht Kindern und alten Frauen!“

Ein heißes Roth schoß über das junge Antlitz; aber die Alte gewahrte es nicht. „So schelle doch, Kind!“ wiederholte sie; „Du kannst dann Deinen Silbergürtel weiter sticken! Ist der erst fertig zu dem weißen Seidenkleide, da wirst Du aussehen wie die heidnische Diana; es fehlt nur noch der Silbermond an Deiner weißen Stirn!“

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[156/0160] „Dagmar!“ rief die Base. „Du weiß’ Röslein, was ist Dir? Du glühest ja wie Purpur!“ Mit verschleierten Augen sah das Mädchen auf die Alte. „Du hast wohl in Deinen Truhen gekramt, Bas’,“ erwiderte sie; „es ist so schwüler Duft hier; es hemmet mir die Luft.“ Aber die Alte hatte ihr die Stickerei aus der Hand genommen und wiegte jetzt den Kopf, indem sie sorglich darauf hinsah. „Ei ja, Dagmarlein,“ sagte sie, „Du hast noch eine Kinderhand; aber doch nicht allemal so sehr! Ich sagt’s Dir schon: was wollten Deine Finger bei dem Todtenbein! Schelle nach der Grete, daß sie die Kerze bringt; der Tag ist aus, und der da draußen“ – sie wies mit ihrem mageren Finger nach dem Mond – „der leuchtet nur Verliebten, aber nicht Kindern und alten Frauen!“ Ein heißes Roth schoß über das junge Antlitz; aber die Alte gewahrte es nicht. „So schelle doch, Kind!“ wiederholte sie; „Du kannst dann Deinen Silbergürtel weiter sticken! Ist der erst fertig zu dem weißen Seidenkleide, da wirst Du aussehen wie die heidnische Diana; es fehlt nur noch der Silbermond an Deiner weißen Stirn!“ Sie bog sich über den Tisch und streichelte die zarten Mädchenwangen. „Wart’ nur ein Jährlein,

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Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/160>, abgerufen am 21.11.2024.