Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.das Winseln der Dogge scholl vom Hof herüber durch die Büsche, und des Ritters Hand fuhr jäh nach einem Jagdstahl, der an seinem Gürtel hing. Aber sie schüttelte nur leise mit dem Köpfchen, da ließ er die halb gezogene Waffe wieder fallen. "Wer seid Ihr?" frug er. "Wollet Ihr mir's sagen?" Und sie antwortete. "Ich bin Dagmar, des Hauses Tochter; und wer seid Ihr?" Er erschrak und wollte schon eine Mähr erzählen, wie er zu anderen Zeiten wohl gethan; doch da er in dies Kinderantlitz blickte, so konnte er es nicht; er sagte nur: "Ich, süße Fraue, bin ein selig unseliger Mann, seitdem ich Euch gesehen habe!" - "Aber, Herre, das ist nicht rechte Antwort!" Da hob er die Hände bittend zu ihr auf. "Verlanget nicht ein Weiteres; es wär' auf Nimmerwiederkehr!" "So redet nicht!" rief sie hastig; aber ein Zug der Angst flog dennoch über das zarte Antlitz, und sie setzte bei. "Nur, um der Gottesmutter Leiden, schweigt nicht zu lang; es thät mir weh!" Und wie durch körperlichen Schmerz getrieben, drückte sie die Hand auf ihre linke Brust. Da er sorgvoll mit den Augen folgte, sprach sie. "Ihr wisset, das große Sterben, als das ins Land kam ... aber" - das Winseln der Dogge scholl vom Hof herüber durch die Büsche, und des Ritters Hand fuhr jäh nach einem Jagdstahl, der an seinem Gürtel hing. Aber sie schüttelte nur leise mit dem Köpfchen, da ließ er die halb gezogene Waffe wieder fallen. „Wer seid Ihr?“ frug er. „Wollet Ihr mir’s sagen?“ Und sie antwortete. „Ich bin Dagmar, des Hauses Tochter; und wer seid Ihr?“ Er erschrak und wollte schon eine Mähr erzählen, wie er zu anderen Zeiten wohl gethan; doch da er in dies Kinderantlitz blickte, so konnte er es nicht; er sagte nur: „Ich, süße Fraue, bin ein selig unseliger Mann, seitdem ich Euch gesehen habe!“ - „Aber, Herre, das ist nicht rechte Antwort!“ Da hob er die Hände bittend zu ihr auf. „Verlanget nicht ein Weiteres; es wär’ auf Nimmerwiederkehr!“ „So redet nicht!“ rief sie hastig; aber ein Zug der Angst flog dennoch über das zarte Antlitz, und sie setzte bei. „Nur, um der Gottesmutter Leiden, schweigt nicht zu lang; es thät mir weh!“ Und wie durch körperlichen Schmerz getrieben, drückte sie die Hand auf ihre linke Brust. Da er sorgvoll mit den Augen folgte, sprach sie. „Ihr wisset, das große Sterben, als das ins Land kam … aber“ - <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0165" n="161"/> das Winseln der Dogge scholl vom Hof herüber durch die Büsche, und des Ritters Hand fuhr jäh nach einem Jagdstahl, der an seinem Gürtel hing.</p> <p>Aber sie schüttelte nur leise mit dem Köpfchen, da ließ er die halb gezogene Waffe wieder fallen. „Wer seid Ihr?“ frug er. „Wollet Ihr mir’s sagen?“</p> <p>Und sie antwortete. „Ich bin Dagmar, des Hauses Tochter; und wer seid Ihr?“</p> <p>Er erschrak und wollte schon eine Mähr erzählen, wie er zu anderen Zeiten wohl gethan; doch da er in dies Kinderantlitz blickte, so konnte er es nicht; er sagte nur: „Ich, süße Fraue, bin ein selig unseliger Mann, seitdem ich Euch gesehen habe!“</p> <p>- „Aber, Herre, das ist nicht rechte Antwort!“</p> <p>Da hob er die Hände bittend zu ihr auf. „Verlanget nicht ein Weiteres; es wär’ auf Nimmerwiederkehr!“</p> <p>„So redet nicht!“ rief sie hastig; aber ein Zug der Angst flog dennoch über das zarte Antlitz, und sie setzte bei. „Nur, um der Gottesmutter Leiden, schweigt nicht zu lang; es thät mir weh!“ Und wie durch körperlichen Schmerz getrieben, drückte sie die Hand auf ihre linke Brust. Da er sorgvoll mit den Augen folgte, sprach sie. „Ihr wisset, das große Sterben, als das ins Land kam … aber“ - </p> </div> </body> </text> </TEI> [161/0165]
das Winseln der Dogge scholl vom Hof herüber durch die Büsche, und des Ritters Hand fuhr jäh nach einem Jagdstahl, der an seinem Gürtel hing.
Aber sie schüttelte nur leise mit dem Köpfchen, da ließ er die halb gezogene Waffe wieder fallen. „Wer seid Ihr?“ frug er. „Wollet Ihr mir’s sagen?“
Und sie antwortete. „Ich bin Dagmar, des Hauses Tochter; und wer seid Ihr?“
Er erschrak und wollte schon eine Mähr erzählen, wie er zu anderen Zeiten wohl gethan; doch da er in dies Kinderantlitz blickte, so konnte er es nicht; er sagte nur: „Ich, süße Fraue, bin ein selig unseliger Mann, seitdem ich Euch gesehen habe!“
- „Aber, Herre, das ist nicht rechte Antwort!“
Da hob er die Hände bittend zu ihr auf. „Verlanget nicht ein Weiteres; es wär’ auf Nimmerwiederkehr!“
„So redet nicht!“ rief sie hastig; aber ein Zug der Angst flog dennoch über das zarte Antlitz, und sie setzte bei. „Nur, um der Gottesmutter Leiden, schweigt nicht zu lang; es thät mir weh!“ Und wie durch körperlichen Schmerz getrieben, drückte sie die Hand auf ihre linke Brust. Da er sorgvoll mit den Augen folgte, sprach sie. „Ihr wisset, das große Sterben, als das ins Land kam … aber“ -
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus). Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss). Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |