Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

jedoch, scheinbar durch das Schlüsselloch der Thür einer Hinterstube, ein schmaler Lichtstreifen hineindrang. Es rührte sich aber nichts im Hause, und ich tastete weiter, bis ich mit den Händen an die Thüre stieß.

"Herein! Wer ist da?" rief es drinnen, als ich eben eintrat.

Der Capitän saß neben einer Lampe an dem Sophatische und las in einer großen Zeitung, die ich später als den "Hamburger Correspondenten" erkannte, - außer ihm war nur der schöne Knabe in dem Zimmer; er stand mit einem brennenden Lichte vor dem Spiegel und schnitt Gesichter, die er einigen Fratzen im Kladderadatsch nachzumachen schien; wenigstens lag aus dem Spiegeltischchen ein Exemplar davon.

"Guten Abend, Capitän!" sagte ich kräftig; "da Sie nicht zu mir gekommen sind, so haben Sie wohl nichts dagegen, daß ich Ihnen meinen Antrittsbesuch mache?"

Er war aufgestanden, während der Junge seine Unterhaltung mit unbekümmerter Geschäftigkeit fortsetzte, und ich konnte den Alten im Schein der Lampe ungestört betrachten. An Haar und Bart sah man freilich, es war Winter geworden; aber seine Wangen

jedoch, scheinbar durch das Schlüsselloch der Thür einer Hinterstube, ein schmaler Lichtstreifen hineindrang. Es rührte sich aber nichts im Hause, und ich tastete weiter, bis ich mit den Händen an die Thüre stieß.

„Herein! Wer ist da?“ rief es drinnen, als ich eben eintrat.

Der Capitän saß neben einer Lampe an dem Sophatische und las in einer großen Zeitung, die ich später als den „Hamburger Correspondenten“ erkannte, – außer ihm war nur der schöne Knabe in dem Zimmer; er stand mit einem brennenden Lichte vor dem Spiegel und schnitt Gesichter, die er einigen Fratzen im Kladderadatsch nachzumachen schien; wenigstens lag aus dem Spiegeltischchen ein Exemplar davon.

„Guten Abend, Capitän!“ sagte ich kräftig; „da Sie nicht zu mir gekommen sind, so haben Sie wohl nichts dagegen, daß ich Ihnen meinen Antrittsbesuch mache?“

Er war aufgestanden, während der Junge seine Unterhaltung mit unbekümmerter Geschäftigkeit fortsetzte, und ich konnte den Alten im Schein der Lampe ungestört betrachten. An Haar und Bart sah man freilich, es war Winter geworden; aber seine Wangen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="20"/>
jedoch, scheinbar durch das Schlüsselloch der Thür einer Hinterstube, ein schmaler Lichtstreifen hineindrang. Es rührte sich aber nichts im Hause, und ich tastete weiter, bis ich mit den Händen an die Thüre stieß.</p>
        <p>&#x201E;Herein! Wer ist da?&#x201C; rief es drinnen, als ich eben eintrat.</p>
        <p>Der Capitän saß neben einer Lampe an dem Sophatische und las in einer großen Zeitung, die ich später als den &#x201E;Hamburger Correspondenten&#x201C; erkannte, &#x2013; außer ihm war nur der schöne Knabe in dem Zimmer; er stand mit einem brennenden Lichte vor dem Spiegel und schnitt Gesichter, die er einigen Fratzen im Kladderadatsch nachzumachen schien; wenigstens lag aus dem Spiegeltischchen ein Exemplar davon.</p>
        <p>&#x201E;Guten Abend, Capitän!&#x201C; sagte ich kräftig; &#x201E;da Sie nicht zu mir gekommen sind, so haben Sie wohl nichts dagegen, daß ich Ihnen meinen Antrittsbesuch mache?&#x201C;</p>
        <p>Er war aufgestanden, während der Junge seine Unterhaltung mit unbekümmerter Geschäftigkeit fortsetzte, und ich konnte den Alten im Schein der Lampe ungestört betrachten. An Haar und Bart sah man freilich, es war Winter geworden; aber seine Wangen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0024] jedoch, scheinbar durch das Schlüsselloch der Thür einer Hinterstube, ein schmaler Lichtstreifen hineindrang. Es rührte sich aber nichts im Hause, und ich tastete weiter, bis ich mit den Händen an die Thüre stieß. „Herein! Wer ist da?“ rief es drinnen, als ich eben eintrat. Der Capitän saß neben einer Lampe an dem Sophatische und las in einer großen Zeitung, die ich später als den „Hamburger Correspondenten“ erkannte, – außer ihm war nur der schöne Knabe in dem Zimmer; er stand mit einem brennenden Lichte vor dem Spiegel und schnitt Gesichter, die er einigen Fratzen im Kladderadatsch nachzumachen schien; wenigstens lag aus dem Spiegeltischchen ein Exemplar davon. „Guten Abend, Capitän!“ sagte ich kräftig; „da Sie nicht zu mir gekommen sind, so haben Sie wohl nichts dagegen, daß ich Ihnen meinen Antrittsbesuch mache?“ Er war aufgestanden, während der Junge seine Unterhaltung mit unbekümmerter Geschäftigkeit fortsetzte, und ich konnte den Alten im Schein der Lampe ungestört betrachten. An Haar und Bart sah man freilich, es war Winter geworden; aber seine Wangen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/24
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/24>, abgerufen am 21.11.2024.