Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Nun fand sich derzeit in Hamburg bei einer vornehmen alten Senatorstochter eine Art Mamsell, so gegen die dreißig schon; Riekchen hieß sie und war ehrlich und zuverlässig, allzeit wie mit eben geplätteten Kleidern angezogen und, ganz egal, mit einer gelbblonden langen Locke hinter jedem Ohr; sie konnte kochen und braten, sagte nie ein Wort entgegen und hatte niemals eine Meinung; die alte Dame behauptete, es gäbe aus der Welt keinen Mann für diese Perle; und wirklich, es begehrte sie auch keiner. Und das war das Schicksal, für Rick Geyers mein' ich; denn in dieses Unmuster von Tugend mußte der unselige Junge sich vergaffen; und noch mehr, er wollte sie heirathen, und kaufte sich sogleich zum Schauplatz seines Eheglückes die Baracke, wo wir beide, Herr Nachbar, später einst gewohnt haben. Nun, Sie haben ja das Riekchen selbst noch gekannt. - Ich packte den Rick eines Tages unter den Arm und ging mit ihm durch die Stadt und dann nach dem Stintfang hinauf, wo unten im Hafen seine stolze Brigg lag und die roth und weißen Wimpel im leichten Morgenwinde wehten. "Rick! Rick! sagte ich, besinne Dich doch! Du bist verblendet, bete vierundzwanzig Vaterunser, und es wird vorübergehn! Nun fand sich derzeit in Hamburg bei einer vornehmen alten Senatorstochter eine Art Mamsell, so gegen die dreißig schon; Riekchen hieß sie und war ehrlich und zuverlässig, allzeit wie mit eben geplätteten Kleidern angezogen und, ganz egal, mit einer gelbblonden langen Locke hinter jedem Ohr; sie konnte kochen und braten, sagte nie ein Wort entgegen und hatte niemals eine Meinung; die alte Dame behauptete, es gäbe aus der Welt keinen Mann für diese Perle; und wirklich, es begehrte sie auch keiner. Und das war das Schicksal, für Rick Geyers mein’ ich; denn in dieses Unmuster von Tugend mußte der unselige Junge sich vergaffen; und noch mehr, er wollte sie heirathen, und kaufte sich sogleich zum Schauplatz seines Eheglückes die Baracke, wo wir beide, Herr Nachbar, später einst gewohnt haben. Nun, Sie haben ja das Riekchen selbst noch gekannt. – Ich packte den Rick eines Tages unter den Arm und ging mit ihm durch die Stadt und dann nach dem Stintfang hinauf, wo unten im Hafen seine stolze Brigg lag und die roth und weißen Wimpel im leichten Morgenwinde wehten. „Rick! Rick! sagte ich, besinne Dich doch! Du bist verblendet, bete vierundzwanzig Vaterunser, und es wird vorübergehn! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0030" n="26"/> <p>Nun fand sich derzeit in Hamburg bei einer vornehmen alten Senatorstochter eine Art Mamsell, so gegen die dreißig schon; Riekchen hieß sie und war ehrlich und zuverlässig, allzeit wie mit eben geplätteten Kleidern angezogen und, ganz egal, mit einer gelbblonden langen Locke hinter jedem Ohr; sie konnte kochen und braten, sagte nie ein Wort entgegen und hatte niemals eine Meinung; die alte Dame behauptete, es gäbe aus der Welt keinen Mann für diese Perle; und wirklich, es begehrte sie auch keiner.</p> <p>Und das war das Schicksal, für Rick Geyers mein’ ich; denn in dieses Unmuster von Tugend mußte der unselige Junge sich vergaffen; und noch mehr, er wollte sie heirathen, und kaufte sich sogleich zum Schauplatz seines Eheglückes die Baracke, wo wir beide, Herr Nachbar, später einst gewohnt haben. Nun, Sie haben ja das Riekchen selbst noch gekannt. – Ich packte den Rick eines Tages unter den Arm und ging mit ihm durch die Stadt und dann nach dem Stintfang hinauf, wo unten im Hafen seine stolze Brigg lag und die roth und weißen Wimpel im leichten Morgenwinde wehten. „Rick! Rick! sagte ich, besinne Dich doch! Du bist verblendet, bete vierundzwanzig Vaterunser, und es wird vorübergehn! </p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0030]
Nun fand sich derzeit in Hamburg bei einer vornehmen alten Senatorstochter eine Art Mamsell, so gegen die dreißig schon; Riekchen hieß sie und war ehrlich und zuverlässig, allzeit wie mit eben geplätteten Kleidern angezogen und, ganz egal, mit einer gelbblonden langen Locke hinter jedem Ohr; sie konnte kochen und braten, sagte nie ein Wort entgegen und hatte niemals eine Meinung; die alte Dame behauptete, es gäbe aus der Welt keinen Mann für diese Perle; und wirklich, es begehrte sie auch keiner.
Und das war das Schicksal, für Rick Geyers mein’ ich; denn in dieses Unmuster von Tugend mußte der unselige Junge sich vergaffen; und noch mehr, er wollte sie heirathen, und kaufte sich sogleich zum Schauplatz seines Eheglückes die Baracke, wo wir beide, Herr Nachbar, später einst gewohnt haben. Nun, Sie haben ja das Riekchen selbst noch gekannt. – Ich packte den Rick eines Tages unter den Arm und ging mit ihm durch die Stadt und dann nach dem Stintfang hinauf, wo unten im Hafen seine stolze Brigg lag und die roth und weißen Wimpel im leichten Morgenwinde wehten. „Rick! Rick! sagte ich, besinne Dich doch! Du bist verblendet, bete vierundzwanzig Vaterunser, und es wird vorübergehn!
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