Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Wams über seinen hageren Leib zuknöpfte. "Das verstehst Du nicht, John; die alten Häuser sind zäh. Du kannst es flicken lassen, wenn sie mich hingetragen haben."

Ich hielt's nicht länger aus, mich überkam ein plötzliches Verlangen nach unserer kleinen Anna, und ich schrieb an Riekchen Geyers, daß ich kommen würde.

Am zweiten Tage danach fuhr ich mit dem Wochenwagen ab. Als mein Ohm mit seiner Magd, die ich mit einem unmäßigen Trinkgeld erfreut hatte, mich hinaus begleitete, gab er mir die Hand: "Aber John!" sagte er, "das in dem Canal, das will mir nicht gefallen; bleib' schmuck im Lande nun! Wenn Du versöffest, ich müßt' mein Testament ummachen lassen; das sind theure Sachen!"

Damit fuhr ich ab. Als ich vors Millernthor in Hamburg kam, ging just der Tag zu Ende; ich konnt's nicht lassen, stieg ab und spazierte nach dem Stintfang hinauf; da sah ich am Hafen längs den ganzen Mastenwald im braunen Abendroth. Langsam ging ich dort hinunter, und da überfiel's mich: "Haus oder Schiff? Land oder See? Ich schlenderte am Bollwerk entlang, den Kopf voll melancholischer Gedanken; da kam der Sohn unseres Nachbarn,

Wams über seinen hageren Leib zuknöpfte. „Das verstehst Du nicht, John; die alten Häuser sind zäh. Du kannst es flicken lassen, wenn sie mich hingetragen haben.“

Ich hielt’s nicht länger aus, mich überkam ein plötzliches Verlangen nach unserer kleinen Anna, und ich schrieb an Riekchen Geyers, daß ich kommen würde.

Am zweiten Tage danach fuhr ich mit dem Wochenwagen ab. Als mein Ohm mit seiner Magd, die ich mit einem unmäßigen Trinkgeld erfreut hatte, mich hinaus begleitete, gab er mir die Hand: „Aber John!“ sagte er, „das in dem Canal, das will mir nicht gefallen; bleib’ schmuck im Lande nun! Wenn Du versöffest, ich müßt’ mein Testament ummachen lassen; das sind theure Sachen!“

Damit fuhr ich ab. Als ich vors Millernthor in Hamburg kam, ging just der Tag zu Ende; ich konnt’s nicht lassen, stieg ab und spazierte nach dem Stintfang hinauf; da sah ich am Hafen längs den ganzen Mastenwald im braunen Abendroth. Langsam ging ich dort hinunter, und da überfiel’s mich: „Haus oder Schiff? Land oder See? Ich schlenderte am Bollwerk entlang, den Kopf voll melancholischer Gedanken; da kam der Sohn unseres Nachbarn,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052" n="48"/>
Wams über seinen hageren Leib zuknöpfte. &#x201E;Das verstehst Du nicht, John; die alten Häuser sind zäh. Du kannst es flicken lassen, wenn sie mich hingetragen haben.&#x201C;</p>
        <p>Ich hielt&#x2019;s nicht länger aus, mich überkam ein plötzliches Verlangen nach unserer kleinen Anna, und ich schrieb an Riekchen Geyers, daß ich kommen würde.</p>
        <p>Am zweiten Tage danach fuhr ich mit dem Wochenwagen ab. Als mein Ohm mit seiner Magd, die ich mit einem unmäßigen Trinkgeld erfreut hatte, mich hinaus begleitete, gab er mir die Hand: &#x201E;Aber John!&#x201C; sagte er, &#x201E;das in dem Canal, das will mir nicht gefallen; bleib&#x2019; schmuck im Lande nun! Wenn Du versöffest, ich müßt&#x2019; mein Testament ummachen lassen; das sind theure Sachen!&#x201C;</p>
        <p>Damit fuhr ich ab. Als ich vors Millernthor in Hamburg kam, ging just der Tag zu Ende; ich konnt&#x2019;s nicht lassen, stieg ab und spazierte nach dem Stintfang hinauf; da sah ich am Hafen längs den ganzen Mastenwald im braunen Abendroth. Langsam ging ich dort hinunter, und da überfiel&#x2019;s mich: &#x201E;Haus oder Schiff? Land oder See? Ich schlenderte am Bollwerk entlang, den Kopf voll melancholischer Gedanken; da kam der Sohn unseres Nachbarn,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0052] Wams über seinen hageren Leib zuknöpfte. „Das verstehst Du nicht, John; die alten Häuser sind zäh. Du kannst es flicken lassen, wenn sie mich hingetragen haben.“ Ich hielt’s nicht länger aus, mich überkam ein plötzliches Verlangen nach unserer kleinen Anna, und ich schrieb an Riekchen Geyers, daß ich kommen würde. Am zweiten Tage danach fuhr ich mit dem Wochenwagen ab. Als mein Ohm mit seiner Magd, die ich mit einem unmäßigen Trinkgeld erfreut hatte, mich hinaus begleitete, gab er mir die Hand: „Aber John!“ sagte er, „das in dem Canal, das will mir nicht gefallen; bleib’ schmuck im Lande nun! Wenn Du versöffest, ich müßt’ mein Testament ummachen lassen; das sind theure Sachen!“ Damit fuhr ich ab. Als ich vors Millernthor in Hamburg kam, ging just der Tag zu Ende; ich konnt’s nicht lassen, stieg ab und spazierte nach dem Stintfang hinauf; da sah ich am Hafen längs den ganzen Mastenwald im braunen Abendroth. Langsam ging ich dort hinunter, und da überfiel’s mich: „Haus oder Schiff? Land oder See? Ich schlenderte am Bollwerk entlang, den Kopf voll melancholischer Gedanken; da kam der Sohn unseres Nachbarn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/52
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/52>, abgerufen am 24.11.2024.