Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Flur hinabsah, schritt er eben aus einer der hinteren Stuben hervor, in seinem grauen Röckchen, das spärliche Haar zu einem dünnen Pull emporgekämmt. "Nun Capitän Riew'," rief er hinaufblickend, "hat die letzte Nacht Euch bessern Rath gebracht?"

"Nein Herr; es muß bleiben, wie es ist," rief ich hinab.

"Ich glaube, Riew', Ihr wollt ein Weib nehmen!" sagte er lachend.

"Auch das nicht; ich habe Familiensorgen ohne das."

Da drohte der alte Kaufherr mir schelmisch mit dem Finger: "Ja, ja, Ihr alten Capitäne! Ihr habt Familiensorgen in aller Welt, an jedem Ankerplatz, John Riewe! Seid Ihr denn auch von denen? Das wußte ich noch nicht!"

"Daß ich selbst nicht wüßte, Herr," sagte ich; "aber es ist ein Freundeserbe, und das hat auch sein Freud' und Leid."

"So, so! Vezeihet! Aber kommt nun herunter, daß der Kaffee uns nicht kalt werde!"

So gingen wir denn zum Kaffee, und der alte Mann fragte mich zum Schluß noch wacker aus und klopfte mir ein paar Mal nickend auf die Schulter: "Kann ich helfen?"

Flur hinabsah, schritt er eben aus einer der hinteren Stuben hervor, in seinem grauen Röckchen, das spärliche Haar zu einem dünnen Pull emporgekämmt. „Nun Capitän Riew’,“ rief er hinaufblickend, „hat die letzte Nacht Euch bessern Rath gebracht?“

„Nein Herr; es muß bleiben, wie es ist,“ rief ich hinab.

„Ich glaube, Riew’, Ihr wollt ein Weib nehmen!“ sagte er lachend.

„Auch das nicht; ich habe Familiensorgen ohne das.“

Da drohte der alte Kaufherr mir schelmisch mit dem Finger: „Ja, ja, Ihr alten Capitäne! Ihr habt Familiensorgen in aller Welt, an jedem Ankerplatz, John Riewe! Seid Ihr denn auch von denen? Das wußte ich noch nicht!“

„Daß ich selbst nicht wüßte, Herr,“ sagte ich; „aber es ist ein Freundeserbe, und das hat auch sein Freud’ und Leid.“

„So, so! Vezeihet! Aber kommt nun herunter, daß der Kaffee uns nicht kalt werde!“

So gingen wir denn zum Kaffee, und der alte Mann fragte mich zum Schluß noch wacker aus und klopfte mir ein paar Mal nickend auf die Schulter: „Kann ich helfen?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="64"/>
Flur hinabsah, schritt er eben aus einer der hinteren Stuben hervor, in seinem grauen Röckchen, das spärliche Haar zu einem dünnen Pull emporgekämmt. &#x201E;Nun Capitän Riew&#x2019;,&#x201C; rief er hinaufblickend, &#x201E;hat die letzte Nacht Euch bessern Rath gebracht?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Nein Herr; es muß bleiben, wie es ist,&#x201C; rief ich hinab.</p>
        <p>&#x201E;Ich glaube, Riew&#x2019;, Ihr wollt ein Weib nehmen!&#x201C; sagte er lachend.</p>
        <p>&#x201E;Auch das nicht; ich habe Familiensorgen ohne das.&#x201C;</p>
        <p>Da drohte der alte Kaufherr mir schelmisch mit dem Finger: &#x201E;Ja, ja, Ihr alten Capitäne! Ihr habt Familiensorgen in aller Welt, an jedem Ankerplatz, John Riewe! Seid Ihr denn auch von denen? Das wußte ich noch nicht!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Daß ich selbst nicht wüßte, Herr,&#x201C; sagte ich; &#x201E;aber es ist ein Freundeserbe, und das hat auch sein Freud&#x2019; und Leid.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;So, so! Vezeihet! Aber kommt nun herunter, daß der Kaffee uns nicht kalt werde!&#x201C;</p>
        <p>So gingen wir denn zum Kaffee, und der alte Mann fragte mich zum Schluß noch wacker aus und klopfte mir ein paar Mal nickend auf die Schulter: &#x201E;Kann ich helfen?&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0068] Flur hinabsah, schritt er eben aus einer der hinteren Stuben hervor, in seinem grauen Röckchen, das spärliche Haar zu einem dünnen Pull emporgekämmt. „Nun Capitän Riew’,“ rief er hinaufblickend, „hat die letzte Nacht Euch bessern Rath gebracht?“ „Nein Herr; es muß bleiben, wie es ist,“ rief ich hinab. „Ich glaube, Riew’, Ihr wollt ein Weib nehmen!“ sagte er lachend. „Auch das nicht; ich habe Familiensorgen ohne das.“ Da drohte der alte Kaufherr mir schelmisch mit dem Finger: „Ja, ja, Ihr alten Capitäne! Ihr habt Familiensorgen in aller Welt, an jedem Ankerplatz, John Riewe! Seid Ihr denn auch von denen? Das wußte ich noch nicht!“ „Daß ich selbst nicht wüßte, Herr,“ sagte ich; „aber es ist ein Freundeserbe, und das hat auch sein Freud’ und Leid.“ „So, so! Vezeihet! Aber kommt nun herunter, daß der Kaffee uns nicht kalt werde!“ So gingen wir denn zum Kaffee, und der alte Mann fragte mich zum Schluß noch wacker aus und klopfte mir ein paar Mal nickend auf die Schulter: „Kann ich helfen?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/68
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/68>, abgerufen am 24.11.2024.