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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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zurückschlug, die ich wegen des Straßenlärmes meist geschlossen hatte, - Herr, wie war ich erschrocken, da der Morgenschein auf das junge Gesicht fiel! - Zerstört, ja ganz zerstört schien es mir; ich suchte darin nach etwas, und ich wußte nicht wonach; die rothen vollen Lippen schienen wie zum Spott daraus hervor.

"Guten Morgen, Ohm!" sagte sie kaum hörbar; aber ihre Hände zitterten, womit sie mir die volle Tasse reichte, daß ein Theil mir auf das Deckbett floß.

"Kind! Anna!" sagte ich und faßte ihre Hand; "wo bist Du gewesen? Du hast ja arge Havarie erlitten!"

Sie antwortete nicht; sie zitterte nur noch stärker; und als ich in ihre sonst so fröhlichen Augen sehen wollte, schlug sie sie nieder oder wandte sie zur Seite.

"Anna! Anna!" sagte ich, "Du gehst mir nimmer wieder auf diese Bälle!"

Da mußte ich nach der Tasse greifen; denn sie wollte die Hände über ihren Kopf erheben. "Nein, Ohm!" schrie sie, "nie - nie wieder!" Ihre schlanke Gestalt wollte sich aufrichten; aber sie sank wie ohnmächtig an meinem Bett zusammen.

zurückschlug, die ich wegen des Straßenlärmes meist geschlossen hatte, – Herr, wie war ich erschrocken, da der Morgenschein auf das junge Gesicht fiel! - Zerstört, ja ganz zerstört schien es mir; ich suchte darin nach etwas, und ich wußte nicht wonach; die rothen vollen Lippen schienen wie zum Spott daraus hervor.

„Guten Morgen, Ohm!“ sagte sie kaum hörbar; aber ihre Hände zitterten, womit sie mir die volle Tasse reichte, daß ein Theil mir auf das Deckbett floß.

„Kind! Anna!“ sagte ich und faßte ihre Hand; „wo bist Du gewesen? Du hast ja arge Havarie erlitten!“

Sie antwortete nicht; sie zitterte nur noch stärker; und als ich in ihre sonst so fröhlichen Augen sehen wollte, schlug sie sie nieder oder wandte sie zur Seite.

„Anna! Anna!“ sagte ich, „Du gehst mir nimmer wieder auf diese Bälle!“

Da mußte ich nach der Tasse greifen; denn sie wollte die Hände über ihren Kopf erheben. „Nein, Ohm!“ schrie sie, „nie – nie wieder!“ Ihre schlanke Gestalt wollte sich aufrichten; aber sie sank wie ohnmächtig an meinem Bett zusammen.

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[69/0073] zurückschlug, die ich wegen des Straßenlärmes meist geschlossen hatte, – Herr, wie war ich erschrocken, da der Morgenschein auf das junge Gesicht fiel! - Zerstört, ja ganz zerstört schien es mir; ich suchte darin nach etwas, und ich wußte nicht wonach; die rothen vollen Lippen schienen wie zum Spott daraus hervor. „Guten Morgen, Ohm!“ sagte sie kaum hörbar; aber ihre Hände zitterten, womit sie mir die volle Tasse reichte, daß ein Theil mir auf das Deckbett floß. „Kind! Anna!“ sagte ich und faßte ihre Hand; „wo bist Du gewesen? Du hast ja arge Havarie erlitten!“ Sie antwortete nicht; sie zitterte nur noch stärker; und als ich in ihre sonst so fröhlichen Augen sehen wollte, schlug sie sie nieder oder wandte sie zur Seite. „Anna! Anna!“ sagte ich, „Du gehst mir nimmer wieder auf diese Bälle!“ Da mußte ich nach der Tasse greifen; denn sie wollte die Hände über ihren Kopf erheben. „Nein, Ohm!“ schrie sie, „nie – nie wieder!“ Ihre schlanke Gestalt wollte sich aufrichten; aber sie sank wie ohnmächtig an meinem Bett zusammen.

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Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/73>, abgerufen am 16.05.2024.