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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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grüne Vorland; dann ging er zurück, bis wo auch
hier ein schmaler Streifen grünen Weidelands die
vor ihm liegende breite Landfläche ablöste. Hart
an dem Deiche aber schoß ein starker Meeresstrom
durch diese, der fast das ganze Vorland von dem
Festlande trennte und zu einer Hallig machte; eine
rohe Holzbrücke führte nach dort hinüber, damit
man mit Vieh und Heu- oder Getreidewagen hin-
über und wieder zurück gelangen könne. Jetzt war
es Ebbzeit, und die goldene Septembersonne glitzerte
auf dem etwa hundert Schritte breiten Schlick-
streifen und auf dem tiefen Priehl in seiner Mitte,
durch den auch jetzt das Meer noch seine Wasser trieb.
"Das läßt sich dämmen!" sprach Hauke bei sich
selber, nachdem er diesem Spiele eine Zeit lang
zugesehen; dann blickte er auf, und von dem Deiche,
auf dem er stand, über den Priehl hinweg, zog er
in Gedanken eine Linie längs dem Rande des ab-
getrennten Landes, nach Süden herum und ostwärts
wiederum zurück über die dortige Fortsetzung des
Priehles und an den Deich heran. Die Linie aber,
welche er unsichtbar gezogen hatte, war ein neuer Deich,
neu auch in der Construction seines Profiles, welches
bis jetzt nur noch in seinem Kopf vorhanden war.

grüne Vorland; dann ging er zurück, bis wo auch
hier ein ſchmaler Streifen grünen Weidelands die
vor ihm liegende breite Landfläche ablöſte. Hart
an dem Deiche aber ſchoß ein ſtarker Meeresſtrom
durch dieſe, der faſt das ganze Vorland von dem
Feſtlande trennte und zu einer Hallig machte; eine
rohe Holzbrücke führte nach dort hinüber, damit
man mit Vieh und Heu- oder Getreidewagen hin-
über und wieder zurück gelangen könne. Jetzt war
es Ebbzeit, und die goldene Septemberſonne glitzerte
auf dem etwa hundert Schritte breiten Schlick-
ſtreifen und auf dem tiefen Priehl in ſeiner Mitte,
durch den auch jetzt das Meer noch ſeine Waſſer trieb.
„Das läßt ſich dämmen!” ſprach Hauke bei ſich
ſelber, nachdem er dieſem Spiele eine Zeit lang
zugeſehen; dann blickte er auf, und von dem Deiche,
auf dem er ſtand, über den Priehl hinweg, zog er
in Gedanken eine Linie längs dem Rande des ab-
getrennten Landes, nach Süden herum und oſtwärts
wiederum zurück über die dortige Fortſetzung des
Priehles und an den Deich heran. Die Linie aber,
welche er unſichtbar gezogen hatte, war ein neuer Deich,
neu auch in der Conſtruction ſeines Profiles, welches
bis jetzt nur noch in ſeinem Kopf vorhanden war.

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[104/0116] grüne Vorland; dann ging er zurück, bis wo auch hier ein ſchmaler Streifen grünen Weidelands die vor ihm liegende breite Landfläche ablöſte. Hart an dem Deiche aber ſchoß ein ſtarker Meeresſtrom durch dieſe, der faſt das ganze Vorland von dem Feſtlande trennte und zu einer Hallig machte; eine rohe Holzbrücke führte nach dort hinüber, damit man mit Vieh und Heu- oder Getreidewagen hin- über und wieder zurück gelangen könne. Jetzt war es Ebbzeit, und die goldene Septemberſonne glitzerte auf dem etwa hundert Schritte breiten Schlick- ſtreifen und auf dem tiefen Priehl in ſeiner Mitte, durch den auch jetzt das Meer noch ſeine Waſſer trieb. „Das läßt ſich dämmen!” ſprach Hauke bei ſich ſelber, nachdem er dieſem Spiele eine Zeit lang zugeſehen; dann blickte er auf, und von dem Deiche, auf dem er ſtand, über den Priehl hinweg, zog er in Gedanken eine Linie längs dem Rande des ab- getrennten Landes, nach Süden herum und oſtwärts wiederum zurück über die dortige Fortſetzung des Priehles und an den Deich heran. Die Linie aber, welche er unſichtbar gezogen hatte, war ein neuer Deich, neu auch in der Conſtruction ſeines Profiles, welches bis jetzt nur noch in ſeinem Kopf vorhanden war.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/116>, abgerufen am 24.11.2024.