Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

von ihrem Wagen. "Was ist? Was habt Ihr?"
riefen die andern Dirnen, die hinausgelaufen waren,
da sie den Wagen rollen hörten.

Ann' Grethe in ihrem Reise-Anzug trat athem-
los in die geräumige Küche. "Nun, so erzähl'
doch!" riefen die Dirnen wieder, "wo ist das Un-
glück los?"

"Ach, unser lieber Jesus wolle uns behüten!"
rief Ann' Grethe. "Ihr wißt, von drüben, überm
Wasser, das alt' Mariken vom Ziegelhof, wir
stehen mit unserer Butter ja allzeit zusammen an
der Apotheker-Ecke, die hat es mir erzählt, und
Iven Johns sagte auch, "das gibt ein Unglück!"
sagte er; "ein Unglück über ganz Nordfriesland;
glaub' mir's, Ann' Greth! Und" -- sie dämpfte
ihre Stimme -- "mit des Deichgrafs Schimmel
ist's am Ende auch nicht richtig!"

"Scht! Scht!" machten die andern Dirnen.

-- "Ja, ja; was kümmert's mich! Aber
drüben, an der andern Seite, geht's noch schlimmer,
als bei uns! Nicht bloß Fliegen und Geschmeiß,
auch Blut ist wie Regen vom Himmel gefallen;
und da am Sonntag Morgen danach der Pastor sein
Waschbecken vorgenommen hat, sind fünf Todten-

von ihrem Wagen. „Was iſt? Was habt Ihr?”
riefen die andern Dirnen, die hinausgelaufen waren,
da ſie den Wagen rollen hörten.

Ann' Grethe in ihrem Reiſe-Anzug trat athem-
los in die geräumige Küche. „Nun, ſo erzähl'
doch!” riefen die Dirnen wieder, „wo iſt das Un-
glück los?”

„Ach, unſer lieber Jeſus wolle uns behüten!”
rief Ann' Grethe. „Ihr wißt, von drüben, überm
Waſſer, das alt' Mariken vom Ziegelhof, wir
ſtehen mit unſerer Butter ja allzeit zuſammen an
der Apotheker-Ecke, die hat es mir erzählt, und
Iven Johns ſagte auch, „das gibt ein Unglück!”
ſagte er; „ein Unglück über ganz Nordfriesland;
glaub' mir's, Ann' Greth! Und” — ſie dämpfte
ihre Stimme — „mit des Deichgrafs Schimmel
iſt's am Ende auch nicht richtig!”

„Scht! Scht!” machten die andern Dirnen.

— „Ja, ja; was kümmert's mich! Aber
drüben, an der andern Seite, geht's noch ſchlimmer,
als bei uns! Nicht bloß Fliegen und Geſchmeiß,
auch Blut iſt wie Regen vom Himmel gefallen;
und da am Sonntag Morgen danach der Paſtor ſein
Waſchbecken vorgenommen hat, ſind fünf Todten-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="199"/>
von ihrem Wagen. &#x201E;Was i&#x017F;t? Was habt Ihr?&#x201D;<lb/>
riefen die andern Dirnen, die hinausgelaufen waren,<lb/>
da &#x017F;ie den Wagen rollen hörten.</p><lb/>
        <p>Ann' Grethe in ihrem Rei&#x017F;e-Anzug trat athem-<lb/>
los in die geräumige Küche. &#x201E;Nun, &#x017F;o erzähl'<lb/>
doch!&#x201D; riefen die Dirnen wieder, &#x201E;wo i&#x017F;t das Un-<lb/>
glück los?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, un&#x017F;er lieber Je&#x017F;us wolle uns behüten!&#x201D;<lb/>
rief Ann' Grethe. &#x201E;Ihr wißt, von drüben, überm<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, das alt' Mariken vom Ziegelhof, wir<lb/>
&#x017F;tehen mit un&#x017F;erer Butter ja allzeit zu&#x017F;ammen an<lb/>
der Apotheker-Ecke, die hat es mir erzählt, und<lb/>
Iven Johns &#x017F;agte auch, &#x201E;das gibt ein Unglück!&#x201D;<lb/>
&#x017F;agte er; &#x201E;ein Unglück über ganz Nordfriesland;<lb/>
glaub' mir's, Ann' Greth! Und&#x201D; &#x2014; &#x017F;ie dämpfte<lb/>
ihre Stimme &#x2014; &#x201E;mit des Deichgrafs Schimmel<lb/>
i&#x017F;t's am Ende auch nicht richtig!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Scht! Scht!&#x201D; machten die andern Dirnen.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Ja, ja; was kümmert's mich! Aber<lb/>
drüben, an der andern Seite, geht's noch &#x017F;chlimmer,<lb/>
als bei uns! Nicht bloß Fliegen und Ge&#x017F;chmeiß,<lb/>
auch Blut i&#x017F;t wie Regen vom Himmel gefallen;<lb/>
und da am Sonntag Morgen danach der Pa&#x017F;tor &#x017F;ein<lb/>
Wa&#x017F;chbecken vorgenommen hat, &#x017F;ind fünf Todten-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0211] von ihrem Wagen. „Was iſt? Was habt Ihr?” riefen die andern Dirnen, die hinausgelaufen waren, da ſie den Wagen rollen hörten. Ann' Grethe in ihrem Reiſe-Anzug trat athem- los in die geräumige Küche. „Nun, ſo erzähl' doch!” riefen die Dirnen wieder, „wo iſt das Un- glück los?” „Ach, unſer lieber Jeſus wolle uns behüten!” rief Ann' Grethe. „Ihr wißt, von drüben, überm Waſſer, das alt' Mariken vom Ziegelhof, wir ſtehen mit unſerer Butter ja allzeit zuſammen an der Apotheker-Ecke, die hat es mir erzählt, und Iven Johns ſagte auch, „das gibt ein Unglück!” ſagte er; „ein Unglück über ganz Nordfriesland; glaub' mir's, Ann' Greth! Und” — ſie dämpfte ihre Stimme — „mit des Deichgrafs Schimmel iſt's am Ende auch nicht richtig!” „Scht! Scht!” machten die andern Dirnen. — „Ja, ja; was kümmert's mich! Aber drüben, an der andern Seite, geht's noch ſchlimmer, als bei uns! Nicht bloß Fliegen und Geſchmeiß, auch Blut iſt wie Regen vom Himmel gefallen; und da am Sonntag Morgen danach der Paſtor ſein Waſchbecken vorgenommen hat, ſind fünf Todten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/211
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/211>, abgerufen am 21.11.2024.