Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

denn derzeit ging man noch gern zu solchen Vergnügungen; nach Hamburg war eine weite Reise, und nur Wenige hatten sich die kleinen Dinge zu Hause durch die dort zu schauenden Herrlichkeiten leid machen können. - Als ich die eichene Wendeltreppe hinaufgestiegen war, fand ich Lisei's Mutter am Eingange des Saales an der Kasse sitzen. Ich näherte mich ihr ganz vertraulich und dachte, sie würde mich so recht als einen alten Bekannten begrüßen; aber sie saß stumm und starr, und nahm mir meine Karte ab, als wenn ich nicht die geringste Beziehung zu ihrer Familie hätte. - Etwas gedemüthigt trat ich in den Saal; der kommenden Dinge harrend, plauderte Alles mit halber Stimme durch einander; dazu fiedelte unser Stadtmusikus mit drei seiner Gesellen. Das Erste, worauf meine Augen fielen, war in der Tiefe des Saales ein rother Vorhang oberhalb der Musikantenplätze. Die Malerei in der Mitte desselben stellte zwei lange Trompeten vor, die kreuzweise über einer goldenen Leyer lagen; und, was mir damals sehr sonderbar erschien, an dem Mundstück einer jeden hing, wie mit dem leeren Auge darauf geschoben, hier eine finster,

denn derzeit ging man noch gern zu solchen Vergnügungen; nach Hamburg war eine weite Reise, und nur Wenige hatten sich die kleinen Dinge zu Hause durch die dort zu schauenden Herrlichkeiten leid machen können. – Als ich die eichene Wendeltreppe hinaufgestiegen war, fand ich Lisei’s Mutter am Eingange des Saales an der Kasse sitzen. Ich näherte mich ihr ganz vertraulich und dachte, sie würde mich so recht als einen alten Bekannten begrüßen; aber sie saß stumm und starr, und nahm mir meine Karte ab, als wenn ich nicht die geringste Beziehung zu ihrer Familie hätte. – Etwas gedemüthigt trat ich in den Saal; der kommenden Dinge harrend, plauderte Alles mit halber Stimme durch einander; dazu fiedelte unser Stadtmusikus mit drei seiner Gesellen. Das Erste, worauf meine Augen fielen, war in der Tiefe des Saales ein rother Vorhang oberhalb der Musikantenplätze. Die Malerei in der Mitte desselben stellte zwei lange Trompeten vor, die kreuzweise über einer goldenen Leyer lagen; und, was mir damals sehr sonderbar erschien, an dem Mundstück einer jeden hing, wie mit dem leeren Auge darauf geschoben, hier eine finster,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="132"/>
denn derzeit ging man noch gern zu solchen Vergnügungen; nach Hamburg war eine weite Reise, und nur Wenige hatten sich die kleinen Dinge zu Hause durch die dort zu schauenden Herrlichkeiten leid machen können. &#x2013; Als ich die eichene Wendeltreppe hinaufgestiegen war, fand ich Lisei&#x2019;s Mutter am Eingange des Saales an der Kasse sitzen. Ich näherte mich ihr ganz vertraulich und dachte, sie würde mich so recht als einen alten Bekannten begrüßen; aber sie saß stumm und starr, und nahm mir meine Karte ab, als wenn ich nicht die geringste Beziehung zu ihrer Familie hätte. &#x2013; Etwas gedemüthigt trat ich in den Saal; der kommenden Dinge harrend, plauderte Alles mit halber Stimme durch einander; dazu fiedelte unser Stadtmusikus mit drei seiner Gesellen. Das Erste, worauf meine Augen fielen, war in der Tiefe des Saales ein rother Vorhang oberhalb der Musikantenplätze. Die Malerei in der Mitte desselben stellte zwei lange Trompeten vor, die kreuzweise über einer goldenen Leyer lagen; und, was mir damals sehr sonderbar erschien, an dem Mundstück einer jeden hing, wie mit dem leeren Auge darauf geschoben, hier eine finster,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0136] denn derzeit ging man noch gern zu solchen Vergnügungen; nach Hamburg war eine weite Reise, und nur Wenige hatten sich die kleinen Dinge zu Hause durch die dort zu schauenden Herrlichkeiten leid machen können. – Als ich die eichene Wendeltreppe hinaufgestiegen war, fand ich Lisei’s Mutter am Eingange des Saales an der Kasse sitzen. Ich näherte mich ihr ganz vertraulich und dachte, sie würde mich so recht als einen alten Bekannten begrüßen; aber sie saß stumm und starr, und nahm mir meine Karte ab, als wenn ich nicht die geringste Beziehung zu ihrer Familie hätte. – Etwas gedemüthigt trat ich in den Saal; der kommenden Dinge harrend, plauderte Alles mit halber Stimme durch einander; dazu fiedelte unser Stadtmusikus mit drei seiner Gesellen. Das Erste, worauf meine Augen fielen, war in der Tiefe des Saales ein rother Vorhang oberhalb der Musikantenplätze. Die Malerei in der Mitte desselben stellte zwei lange Trompeten vor, die kreuzweise über einer goldenen Leyer lagen; und, was mir damals sehr sonderbar erschien, an dem Mundstück einer jeden hing, wie mit dem leeren Auge darauf geschoben, hier eine finster,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/136
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/136>, abgerufen am 24.11.2024.