Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

flog der Vorhang in die Höhe. - Ein Blick auf die Bühne versetzte mich um tausend Jahre rückwärts. Ich sah in einen mittelalterlichen Burghof mit Thurm und Zugbrücke; zwei kleine ellenlange Leute standen in der Mitte und redeten lebhaft mit einander. Der eine mit dem schwarzen Barte, dem silbernen Federhelm und dem goldgestickten Mantel über dem rothen Unterkleide war der Pfalzgraf Siegfried; er wollte gegen die heidnischen Mohren in den Krieg reiten, und befahl seinem jungen Hausmeister Golo, der in blauem silbergestickten Wamse neben ihm stand, zum Schutze der Pfalzgräfin Genovefa in der Burg zurückzubleiben. Der treulose Golo aber that gewaltig wild, daß er seinen guten Herrn so allein in das grimme Schwerterspiel sollte reiten lassen. Sie drehten bei diesen Wechselreden die Köpfe hin und her und fochten heftig und ruckweise mit den Armen. - Da tönten kleine langgezogene Trompetentöne von draußen hinter der Zugbrücke, und zugleich kam auch die schöne Genovefa in himmelblauem Schleppkleide hinter dem Thurm hervorgestürzt und schlug beide Arme über des Gemahls Schultern: "O mein herzallerliebster

flog der Vorhang in die Höhe. – Ein Blick auf die Bühne versetzte mich um tausend Jahre rückwärts. Ich sah in einen mittelalterlichen Burghof mit Thurm und Zugbrücke; zwei kleine ellenlange Leute standen in der Mitte und redeten lebhaft mit einander. Der eine mit dem schwarzen Barte, dem silbernen Federhelm und dem goldgestickten Mantel über dem rothen Unterkleide war der Pfalzgraf Siegfried; er wollte gegen die heidnischen Mohren in den Krieg reiten, und befahl seinem jungen Hausmeister Golo, der in blauem silbergestickten Wamse neben ihm stand, zum Schutze der Pfalzgräfin Genovefa in der Burg zurückzubleiben. Der treulose Golo aber that gewaltig wild, daß er seinen guten Herrn so allein in das grimme Schwerterspiel sollte reiten lassen. Sie drehten bei diesen Wechselreden die Köpfe hin und her und fochten heftig und ruckweise mit den Armen. – Da tönten kleine langgezogene Trompetentöne von draußen hinter der Zugbrücke, und zugleich kam auch die schöne Genovefa in himmelblauem Schleppkleide hinter dem Thurm hervorgestürzt und schlug beide Arme über des Gemahls Schultern: „O mein herzallerliebster

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="134"/>
flog der Vorhang in die Höhe. &#x2013; Ein Blick auf die Bühne versetzte mich um tausend Jahre rückwärts. Ich sah in einen mittelalterlichen Burghof mit Thurm und Zugbrücke; zwei kleine ellenlange Leute standen in der Mitte und redeten lebhaft mit einander. Der eine mit dem schwarzen Barte, dem silbernen Federhelm und dem goldgestickten Mantel über dem rothen Unterkleide war der Pfalzgraf Siegfried; er wollte gegen die heidnischen Mohren in den Krieg reiten, und befahl seinem jungen Hausmeister Golo, der in blauem silbergestickten Wamse neben ihm stand, zum Schutze der Pfalzgräfin Genovefa in der Burg zurückzubleiben. Der treulose Golo aber that gewaltig wild, daß er seinen guten Herrn so allein in das grimme Schwerterspiel sollte reiten lassen. Sie drehten bei diesen Wechselreden die Köpfe hin und her und fochten heftig und ruckweise mit den Armen. &#x2013; Da tönten kleine langgezogene Trompetentöne von draußen hinter der Zugbrücke, und zugleich kam auch die schöne Genovefa in himmelblauem Schleppkleide hinter dem Thurm hervorgestürzt und schlug beide Arme über des Gemahls Schultern: &#x201E;O mein herzallerliebster
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0138] flog der Vorhang in die Höhe. – Ein Blick auf die Bühne versetzte mich um tausend Jahre rückwärts. Ich sah in einen mittelalterlichen Burghof mit Thurm und Zugbrücke; zwei kleine ellenlange Leute standen in der Mitte und redeten lebhaft mit einander. Der eine mit dem schwarzen Barte, dem silbernen Federhelm und dem goldgestickten Mantel über dem rothen Unterkleide war der Pfalzgraf Siegfried; er wollte gegen die heidnischen Mohren in den Krieg reiten, und befahl seinem jungen Hausmeister Golo, der in blauem silbergestickten Wamse neben ihm stand, zum Schutze der Pfalzgräfin Genovefa in der Burg zurückzubleiben. Der treulose Golo aber that gewaltig wild, daß er seinen guten Herrn so allein in das grimme Schwerterspiel sollte reiten lassen. Sie drehten bei diesen Wechselreden die Köpfe hin und her und fochten heftig und ruckweise mit den Armen. – Da tönten kleine langgezogene Trompetentöne von draußen hinter der Zugbrücke, und zugleich kam auch die schöne Genovefa in himmelblauem Schleppkleide hinter dem Thurm hervorgestürzt und schlug beide Arme über des Gemahls Schultern: „O mein herzallerliebster

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons.

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/138
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/138>, abgerufen am 21.11.2024.