daher nicht von Gott veranstaltet worden sein. Was im Besondern noch den Namen des erscheinenden Engels be- trifft, und die Unwahrscheinlichkeit, dass die Engel ge- rade hebräische Namen haben sollen: so macht zwar Ols- hausen darauf aufmerksam, dass der Name Gabriel appel- lativisch in der Bedeutung: Mann Gottes genommen, ganz richtig die Natur eines solchen Wesens bezeichne, und in- dem er sich in dieser Bedeutung in allen Sprachen wie- dergeben lasse, keineswegs an die hebräische gebunden sei 7): aber damit umgeht er eben das eigentlich Anstös- sige, was er lösen sollte, indem er das offenbar als Ei- gennamen sich gebende Wort als blosses Appellativum nimmt. Es müsste also auch hier eine Accommodation angenommen werden, dass nämlich der Engel, um sich nach seinem Wesen zu bezeichnen, einen Namen sich beigelegt hätte, welchen er nicht wirklich führte, -- eine Accommodation, welche mit der vorigen beurtheilt ist.
Aber nicht allein Name und angebliche Stellung des Engels, sondern auch sein Reden und Benehmen hat man anstössig gefunden. Zwar wenn Paulus sich dahin äussert, nur ein levitischer Priester, nicht aber ein Engel Jehova's habe für nothwendig erachten können, dass der Knabe in nasiräischer Abstinenz leben sollte 8): so lässt sich dage- gen geltend machen, dass auch der Engel wissen konnte, unter dieser Form werde Johannes am Meisten auf seine Nation zu wirken im Stande sein. Bedenklicher aber ist das Andre. Als nämlich Zacharias in einem aus Überra- schung und einer nahe liegenden Reflexion hervorgegange- nen Zweifel sich ein Zeichen erbittet: so wird ihm das vom Engel alsbald zum Verbrechen gerechnet, und er mit der Strafe des Verstummens belegt. Wenn man nun auch nicht mit Paulus behaupten mag, ein wirklicher Engel
7) a. a. O. S. 98 f.
8) a. a. O. S. 77.
6*
Erstes Kapitel. §. 13.
daher nicht von Gott veranstaltet worden sein. Was im Besondern noch den Namen des erscheinenden Engels be- trifft, und die Unwahrscheinlichkeit, daſs die Engel ge- rade hebräische Namen haben sollen: so macht zwar Ols- hausen darauf aufmerksam, daſs der Name Gabriel appel- lativisch in der Bedeutung: Mann Gottes genommen, ganz richtig die Natur eines solchen Wesens bezeichne, und in- dem er sich in dieser Bedeutung in allen Sprachen wie- dergeben lasse, keineswegs an die hebräische gebunden sei 7): aber damit umgeht er eben das eigentlich Anstös- sige, was er lösen sollte, indem er das offenbar als Ei- gennamen sich gebende Wort als bloſses Appellativum nimmt. Es müſste also auch hier eine Accommodation angenommen werden, daſs nämlich der Engel, um sich nach seinem Wesen zu bezeichnen, einen Namen sich beigelegt hätte, welchen er nicht wirklich führte, — eine Accommodation, welche mit der vorigen beurtheilt ist.
Aber nicht allein Name und angebliche Stellung des Engels, sondern auch sein Reden und Benehmen hat man anstöſsig gefunden. Zwar wenn Paulus sich dahin äussert, nur ein levitischer Priester, nicht aber ein Engel Jehova's habe für nothwendig erachten können, daſs der Knabe in nasiräischer Abstinenz leben sollte 8): so läſst sich dage- gen geltend machen, daſs auch der Engel wissen konnte, unter dieser Form werde Johannes am Meisten auf seine Nation zu wirken im Stande sein. Bedenklicher aber ist das Andre. Als nämlich Zacharias in einem aus Überra- schung und einer nahe liegenden Reflexion hervorgegange- nen Zweifel sich ein Zeichen erbittet: so wird ihm das vom Engel alsbald zum Verbrechen gerechnet, und er mit der Strafe des Verstummens belegt. Wenn man nun auch nicht mit Paulus behaupten mag, ein wirklicher Engel
7) a. a. O. S. 98 f.
8) a. a. O. S. 77.
6*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0107"n="83"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erstes Kapitel</hi>. §. 13.</fw><lb/>
daher nicht von Gott veranstaltet worden sein. Was im<lb/>
Besondern noch den Namen des erscheinenden Engels be-<lb/>
trifft, und die Unwahrscheinlichkeit, daſs die Engel ge-<lb/>
rade hebräische Namen haben sollen: so macht zwar <hirendition="#k">Ols-<lb/>
hausen</hi> darauf aufmerksam, daſs der Name Gabriel appel-<lb/>
lativisch in der Bedeutung: Mann Gottes genommen, ganz<lb/>
richtig die Natur eines solchen Wesens bezeichne, und in-<lb/>
dem er sich in dieser Bedeutung in allen Sprachen wie-<lb/>
dergeben lasse, keineswegs an die hebräische gebunden<lb/>
sei <noteplace="foot"n="7)">a. a. O. S. 98 f.</note>: aber damit umgeht er eben das eigentlich Anstös-<lb/>
sige, was er lösen sollte, indem er das offenbar als Ei-<lb/>
gennamen sich gebende Wort als bloſses Appellativum nimmt.<lb/>
Es müſste also auch hier eine Accommodation angenommen<lb/>
werden, daſs nämlich der Engel, um sich nach seinem<lb/>
Wesen zu bezeichnen, einen Namen sich beigelegt hätte,<lb/>
welchen er nicht wirklich führte, — eine Accommodation,<lb/>
welche mit der vorigen beurtheilt ist.</p><lb/><p>Aber nicht allein Name und angebliche Stellung des<lb/>
Engels, sondern auch sein Reden und Benehmen hat man<lb/>
anstöſsig gefunden. Zwar wenn <hirendition="#k">Paulus</hi> sich dahin äussert,<lb/>
nur ein levitischer Priester, nicht aber ein Engel Jehova's<lb/>
habe für nothwendig erachten können, daſs der Knabe in<lb/>
nasiräischer Abstinenz leben sollte <noteplace="foot"n="8)">a. a. O. S. 77.</note>: so läſst sich dage-<lb/>
gen geltend machen, daſs auch der Engel wissen konnte,<lb/>
unter dieser Form werde Johannes am Meisten auf seine<lb/>
Nation zu wirken im Stande sein. Bedenklicher aber ist<lb/>
das Andre. Als nämlich Zacharias in einem aus Überra-<lb/>
schung und einer nahe liegenden Reflexion hervorgegange-<lb/>
nen Zweifel sich ein Zeichen erbittet: so wird ihm das<lb/>
vom Engel alsbald zum Verbrechen gerechnet, und er mit<lb/>
der Strafe des Verstummens belegt. Wenn man nun auch<lb/>
nicht mit <hirendition="#k">Paulus</hi> behaupten mag, ein wirklicher Engel<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[83/0107]
Erstes Kapitel. §. 13.
daher nicht von Gott veranstaltet worden sein. Was im
Besondern noch den Namen des erscheinenden Engels be-
trifft, und die Unwahrscheinlichkeit, daſs die Engel ge-
rade hebräische Namen haben sollen: so macht zwar Ols-
hausen darauf aufmerksam, daſs der Name Gabriel appel-
lativisch in der Bedeutung: Mann Gottes genommen, ganz
richtig die Natur eines solchen Wesens bezeichne, und in-
dem er sich in dieser Bedeutung in allen Sprachen wie-
dergeben lasse, keineswegs an die hebräische gebunden
sei 7): aber damit umgeht er eben das eigentlich Anstös-
sige, was er lösen sollte, indem er das offenbar als Ei-
gennamen sich gebende Wort als bloſses Appellativum nimmt.
Es müſste also auch hier eine Accommodation angenommen
werden, daſs nämlich der Engel, um sich nach seinem
Wesen zu bezeichnen, einen Namen sich beigelegt hätte,
welchen er nicht wirklich führte, — eine Accommodation,
welche mit der vorigen beurtheilt ist.
Aber nicht allein Name und angebliche Stellung des
Engels, sondern auch sein Reden und Benehmen hat man
anstöſsig gefunden. Zwar wenn Paulus sich dahin äussert,
nur ein levitischer Priester, nicht aber ein Engel Jehova's
habe für nothwendig erachten können, daſs der Knabe in
nasiräischer Abstinenz leben sollte 8): so läſst sich dage-
gen geltend machen, daſs auch der Engel wissen konnte,
unter dieser Form werde Johannes am Meisten auf seine
Nation zu wirken im Stande sein. Bedenklicher aber ist
das Andre. Als nämlich Zacharias in einem aus Überra-
schung und einer nahe liegenden Reflexion hervorgegange-
nen Zweifel sich ein Zeichen erbittet: so wird ihm das
vom Engel alsbald zum Verbrechen gerechnet, und er mit
der Strafe des Verstummens belegt. Wenn man nun auch
nicht mit Paulus behaupten mag, ein wirklicher Engel
7) a. a. O. S. 98 f.
8) a. a. O. S. 77.
6*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/107>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.