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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
mit der Lage des Reichs schon besser anlassen, und bin-
nen dreier Jahre etwa wird die Gefahr verschwunden sein.
So viel ist in jedem Falle durch die neuere Auslegung zur
Evidenz gebracht, dass nur ein Zeichen aus der Gegen-
wart und nächsten Zukunft in den Verhältnissen, wie sie
die Einleitung zu dem Orakel des Jesaias angiebt, einen
Sinn haben konnte. Wie unpassend ist die prophetische
Rede nach der Deutung Hengstenberg's 4): so gewiss der-
einst noch der Messias unter dem Bundesvolke von einer
Jungfrau geboren werden wird, so unmöglich ist es, dass
das Volk, unter welchem er geboren werden und die Fa-
milie, von welcher er abstammen soll, zu Grunde gehe.
Wie übel berechnet von dem Propheten, die Unwahrschein-
lichkeit der nahen Rettung durch eine grössere Unwahr-
scheinlichkeit aus der fernen Zukunft wahrscheinlich ma-
chen zu wollen! Und dann vollends der gegebene T[er]m[i]n
von wenigen Jahren! Der Sturz der beiden Königreiche,
deutet hier Hengstenberg, soll erfolgen, -- nicht in der
Zeit bis nun demnächst der bezeichnete Knabe wirklich in
die Unterscheidungsjahre treten wird, sondern -- in so
viel Zeit von jezt an, als in fernster Zukunft einst zwi-
schen der Geburt des Messias und seiner ersten Entwicke-
lung vergehen wird, also ungefähr in drei Jahren. Wel-
che abenteuerliche Vermengung der Zeiten! Ein Kind soll
geboren werden in ferner Zukunft, und was nun gesche-
hen soll, ehe dieses Kind in die Unterscheidungsjahre
treten wird, das soll in die nächste Gegenwart fallen.

So entschieden aber Paulus und seine Partei gegen
Hengstenberg und die Seinigen darin Recht hat, dass sei-
nem ursprünglichen Lokalsinn nach das Orakel des Jesaias
auf gegebene Zeitverhältnisse, und nicht auf den künftigen
Messias oder gar auf Jesus sich beziehe: ebenso entschie-
den hat Hengstenberg gegen Paulus Recht, wenn er dar-

4) Christologie des A. T.s 1, b, S. 47.

Erster Abschnitt.
mit der Lage des Reichs schon besser anlassen, und bin-
nen dreier Jahre etwa wird die Gefahr verschwunden sein.
So viel ist in jedem Falle durch die neuere Auslegung zur
Evidenz gebracht, daſs nur ein Zeichen aus der Gegen-
wart und nächsten Zukunft in den Verhältnissen, wie sie
die Einleitung zu dem Orakel des Jesaias angiebt, einen
Sinn haben konnte. Wie unpassend ist die prophetische
Rede nach der Deutung Hengstenberg's 4): so gewiſs der-
einst noch der Messias unter dem Bundesvolke von einer
Jungfrau geboren werden wird, so unmöglich ist es, daſs
das Volk, unter welchem er geboren werden und die Fa-
milie, von welcher er abstammen soll, zu Grunde gehe.
Wie übel berechnet von dem Propheten, die Unwahrschein-
lichkeit der nahen Rettung durch eine gröſsere Unwahr-
scheinlichkeit aus der fernen Zukunft wahrscheinlich ma-
chen zu wollen! Und dann vollends der gegebene T[er]m[i]n
von wenigen Jahren! Der Sturz der beiden Königreiche,
deutet hier Hengstenberg, soll erfolgen, — nicht in der
Zeit bis nun demnächst der bezeichnete Knabe wirklich in
die Unterscheidungsjahre treten wird, sondern — in so
viel Zeit von jezt an, als in fernster Zukunft einst zwi-
schen der Geburt des Messias und seiner ersten Entwicke-
lung vergehen wird, also ungefähr in drei Jahren. Wel-
che abenteuerliche Vermengung der Zeiten! Ein Kind soll
geboren werden in ferner Zukunft, und was nun gesche-
hen soll, ehe dieses Kind in die Unterscheidungsjahre
treten wird, das soll in die nächste Gegenwart fallen.

So entschieden aber Paulus und seine Partei gegen
Hengstenberg und die Seinigen darin Recht hat, daſs sei-
nem ursprünglichen Lokalsinn nach das Orakel des Jesaias
auf gegebene Zeitverhältnisse, und nicht auf den künftigen
Messias oder gar auf Jesus sich beziehe: ebenso entschie-
den hat Hengstenberg gegen Paulus Recht, wenn er dar-

4) Christologie des A. T.s 1, b, S. 47.
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[146/0170] Erster Abschnitt. mit der Lage des Reichs schon besser anlassen, und bin- nen dreier Jahre etwa wird die Gefahr verschwunden sein. So viel ist in jedem Falle durch die neuere Auslegung zur Evidenz gebracht, daſs nur ein Zeichen aus der Gegen- wart und nächsten Zukunft in den Verhältnissen, wie sie die Einleitung zu dem Orakel des Jesaias angiebt, einen Sinn haben konnte. Wie unpassend ist die prophetische Rede nach der Deutung Hengstenberg's 4): so gewiſs der- einst noch der Messias unter dem Bundesvolke von einer Jungfrau geboren werden wird, so unmöglich ist es, daſs das Volk, unter welchem er geboren werden und die Fa- milie, von welcher er abstammen soll, zu Grunde gehe. Wie übel berechnet von dem Propheten, die Unwahrschein- lichkeit der nahen Rettung durch eine gröſsere Unwahr- scheinlichkeit aus der fernen Zukunft wahrscheinlich ma- chen zu wollen! Und dann vollends der gegebene Termin von wenigen Jahren! Der Sturz der beiden Königreiche, deutet hier Hengstenberg, soll erfolgen, — nicht in der Zeit bis nun demnächst der bezeichnete Knabe wirklich in die Unterscheidungsjahre treten wird, sondern — in so viel Zeit von jezt an, als in fernster Zukunft einst zwi- schen der Geburt des Messias und seiner ersten Entwicke- lung vergehen wird, also ungefähr in drei Jahren. Wel- che abenteuerliche Vermengung der Zeiten! Ein Kind soll geboren werden in ferner Zukunft, und was nun gesche- hen soll, ehe dieses Kind in die Unterscheidungsjahre treten wird, das soll in die nächste Gegenwart fallen. So entschieden aber Paulus und seine Partei gegen Hengstenberg und die Seinigen darin Recht hat, daſs sei- nem ursprünglichen Lokalsinn nach das Orakel des Jesaias auf gegebene Zeitverhältnisse, und nicht auf den künftigen Messias oder gar auf Jesus sich beziehe: ebenso entschie- den hat Hengstenberg gegen Paulus Recht, wenn er dar- 4) Christologie des A. T.s 1, b, S. 47.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/170>, abgerufen am 21.11.2024.