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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Drittes Kapitel. §. 25.
te: so ist Paulus auf seinem Standpunkt mit mehr Ent-
schiedenheit so consequent, beiderlei Erzählungen als na-
türliche aber historisch zu fassende Geschichten zu erklä-
ren. Wie weit er diese Erklärungsweise auf die eigentli-
che Mythologie anwendet, erhellt bei dieser Gelegenheit
nicht; von der den Plato betreffenden Erzählung aber sagt
er, man könne nicht behaupten, dass sie der Hauptsache
nach erst später entstanden sei; vielmehr habe Periktione
leicht glauben können, von einem ihrer Götter schwanger
zu sein: dass ihr Sohn hierauf wirklich ein Plato wurde,
könne zur Bestätigung ihres Glaubens gedient haben, ohne
doch dessen Ursache gewesen zu sein 5). Auf andre Weise
will Olshausen die Analogie der mythischen Göttersöhne
unschädlich machen, indem er darauf aufmerksam macht,
wie diese Erzählungen, wenn gleich unhistorisch, doch für
die allgemeine Ahnung und Sehnsucht nach einem solchen
Faktum, und damit für die Wirklichkeit desselben wenig-
stens in Einer historischen Erscheinung bürgen 6). Aller-
dings nun muss einer allgemeinen Ahnung und Vorstellung
Wahrheit zum Grunde liegen, nur dass diese nicht in ei-
ner einzelnen, jener Vorstellung genau entsprechenden That-
sache bestehen wird, sondern in einer Idee, welche sich in
einer Reihe, jener Vorstellung oft sehr unähnlicher, That-
sachen verwirklicht, -- und wie die verbreitete Vorstellung
eines goldenen Zeitalters nicht beweist, dass wirklich ein-
mal eine solche Zeit gewesen: so hat auch die Vorstellung
von göttlichen Erzeugungen in etwas ganz Andrem ihre
Wahrheit, als darin, dass irgendeinmal ein Individuum auf
diesem Wege zum Dasein gekommen ist.

Eine wesentlichere Einwendung gegen die dargelegte
Analogie wäre, dass die Vorstellungen der Heidenwelt
nichts für die abgeschlossenen Juden beweisen, und dass

5) Exeg. Handbuch 1, a, S. 169.
6) Bibl. Comm. 1, S. 49.

Drittes Kapitel. §. 25.
te: so ist Paulus auf seinem Standpunkt mit mehr Ent-
schiedenheit so consequent, beiderlei Erzählungen als na-
türliche aber historisch zu fassende Geschichten zu erklä-
ren. Wie weit er diese Erklärungsweise auf die eigentli-
che Mythologie anwendet, erhellt bei dieser Gelegenheit
nicht; von der den Plato betreffenden Erzählung aber sagt
er, man könne nicht behaupten, daſs sie der Hauptsache
nach erst später entstanden sei; vielmehr habe Periktione
leicht glauben können, von einem ihrer Götter schwanger
zu sein: daſs ihr Sohn hierauf wirklich ein Plato wurde,
könne zur Bestätigung ihres Glaubens gedient haben, ohne
doch dessen Ursache gewesen zu sein 5). Auf andre Weise
will Olshausen die Analogie der mythischen Göttersöhne
unschädlich machen, indem er darauf aufmerksam macht,
wie diese Erzählungen, wenn gleich unhistorisch, doch für
die allgemeine Ahnung und Sehnsucht nach einem solchen
Faktum, und damit für die Wirklichkeit desselben wenig-
stens in Einer historischen Erscheinung bürgen 6). Aller-
dings nun muſs einer allgemeinen Ahnung und Vorstellung
Wahrheit zum Grunde liegen, nur daſs diese nicht in ei-
ner einzelnen, jener Vorstellung genau entsprechenden That-
sache bestehen wird, sondern in einer Idee, welche sich in
einer Reihe, jener Vorstellung oft sehr unähnlicher, That-
sachen verwirklicht, — und wie die verbreitete Vorstellung
eines goldenen Zeitalters nicht beweist, daſs wirklich ein-
mal eine solche Zeit gewesen: so hat auch die Vorstellung
von göttlichen Erzeugungen in etwas ganz Andrem ihre
Wahrheit, als darin, daſs irgendeinmal ein Individuum auf
diesem Wege zum Dasein gekommen ist.

Eine wesentlichere Einwendung gegen die dargelegte
Analogie wäre, daſs die Vorstellungen der Heidenwelt
nichts für die abgeschlossenen Juden beweisen, und daſs

5) Exeg. Handbuch 1, a, S. 169.
6) Bibl. Comm. 1, S. 49.
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[175/0199] Drittes Kapitel. §. 25. te: so ist Paulus auf seinem Standpunkt mit mehr Ent- schiedenheit so consequent, beiderlei Erzählungen als na- türliche aber historisch zu fassende Geschichten zu erklä- ren. Wie weit er diese Erklärungsweise auf die eigentli- che Mythologie anwendet, erhellt bei dieser Gelegenheit nicht; von der den Plato betreffenden Erzählung aber sagt er, man könne nicht behaupten, daſs sie der Hauptsache nach erst später entstanden sei; vielmehr habe Periktione leicht glauben können, von einem ihrer Götter schwanger zu sein: daſs ihr Sohn hierauf wirklich ein Plato wurde, könne zur Bestätigung ihres Glaubens gedient haben, ohne doch dessen Ursache gewesen zu sein 5). Auf andre Weise will Olshausen die Analogie der mythischen Göttersöhne unschädlich machen, indem er darauf aufmerksam macht, wie diese Erzählungen, wenn gleich unhistorisch, doch für die allgemeine Ahnung und Sehnsucht nach einem solchen Faktum, und damit für die Wirklichkeit desselben wenig- stens in Einer historischen Erscheinung bürgen 6). Aller- dings nun muſs einer allgemeinen Ahnung und Vorstellung Wahrheit zum Grunde liegen, nur daſs diese nicht in ei- ner einzelnen, jener Vorstellung genau entsprechenden That- sache bestehen wird, sondern in einer Idee, welche sich in einer Reihe, jener Vorstellung oft sehr unähnlicher, That- sachen verwirklicht, — und wie die verbreitete Vorstellung eines goldenen Zeitalters nicht beweist, daſs wirklich ein- mal eine solche Zeit gewesen: so hat auch die Vorstellung von göttlichen Erzeugungen in etwas ganz Andrem ihre Wahrheit, als darin, daſs irgendeinmal ein Individuum auf diesem Wege zum Dasein gekommen ist. Eine wesentlichere Einwendung gegen die dargelegte Analogie wäre, daſs die Vorstellungen der Heidenwelt nichts für die abgeschlossenen Juden beweisen, und daſs 5) Exeg. Handbuch 1, a, S. 169. 6) Bibl. Comm. 1, S. 49.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/199>, abgerufen am 21.11.2024.