Maria suppliren zu dürfen, welche stückweise, und so, dass dazwischen hinein Elisabet zum Worte kam, dieser ihre Geschichte vorgetragen habe. Die Gemüthsbewegung der Mutter theilte sich, -- so wird weiter erklärt, -- nach natürlichen Gesetzen dem Kinde mit, welches, wie Fötus von 6 Monaten schon zu thun pflegen, eine Bewe- gung machte, was die Mutter erst nach den weiteren Mit- theilungen der Maria bedeutsam fand, und auf den Gruss der Messiasmutter bezog. Ebenso natürlich findet man es dann, dass Maria ihre durch Elisabet bestätigten messia- nischen Erwartungen in einem psalmartigen Recitativ aus- spricht, das aus allerlei A. T.lichen Reminiscenzen zusam- mengesetzt ist.
Aber in dieser Erklärungsart ist Manches dem Texte durchaus zuwider. Dahin gehört schon das, dass Elisabet durch Maria selbst die dieser zu Theil gewordne Himmels- botschaft erfahren haben soll, da doch nirgends eine Spur vorangegangener Mittheilung ist 2), noch weniger eine Un- terbrechung der Rede Elisabet's durch weitere Aufschl[ü]sse der Maria; vielmehr, wie es eine übernatürliche Offenba- rung ist, durch welche Maria von der Schwangerschaft ih- rer Base in Kenntniss gesetzt wird: so ist auch das einer Offenbarung zuzuschreiben, dass Elisabet die Maria als- bald für die zur Messiasgebärerin Erkorene erkennt. Eben- sowenig verträgt der andere Zug der Erzählung, dass sich der eintretenden Messiasmutter der Vorläufer in Mutter- leibe entgegenbewegt, eine natürliche Auslegung, obwohl selbst orthodoxe Ausleger neuerer Zeit sich zu derselben neigen, wenn sie, wie Hess3) und Olshausen4), der Sa- che die Wendung geben, dass Elisabet zuerst eine Offenba- rung bekommen, und erst an der dadurch erregten Ent-
2)Olshausen z. d. St.
3) Geschichte Jesu, 1, S. 26.
4) Bibl. Comm. 1, S. 112.
Erster Abschnitt.
Maria suppliren zu dürfen, welche stückweise, und so, daſs dazwischen hinein Elisabet zum Worte kam, dieser ihre Geschichte vorgetragen habe. Die Gemüthsbewegung der Mutter theilte sich, — so wird weiter erklärt, — nach natürlichen Gesetzen dem Kinde mit, welches, wie Fötus von 6 Monaten schon zu thun pflegen, eine Bewe- gung machte, was die Mutter erst nach den weiteren Mit- theilungen der Maria bedeutsam fand, und auf den Gruſs der Messiasmutter bezog. Ebenso natürlich findet man es dann, daſs Maria ihre durch Elisabet bestätigten messia- nischen Erwartungen in einem psalmartigen Recitativ aus- spricht, das aus allerlei A. T.lichen Reminiscenzen zusam- mengesetzt ist.
Aber in dieser Erklärungsart ist Manches dem Texte durchaus zuwider. Dahin gehört schon das, daſs Elisabet durch Maria selbst die dieser zu Theil gewordne Himmels- botschaft erfahren haben soll, da doch nirgends eine Spur vorangegangener Mittheilung ist 2), noch weniger eine Un- terbrechung der Rede Elisabet's durch weitere Aufschl[ü]sse der Maria; vielmehr, wie es eine übernatürliche Offenba- rung ist, durch welche Maria von der Schwangerschaft ih- rer Base in Kenntniſs gesetzt wird: so ist auch das einer Offenbarung zuzuschreiben, daſs Elisabet die Maria als- bald für die zur Messiasgebärerin Erkorene erkennt. Eben- sowenig verträgt der andere Zug der Erzählung, daſs sich der eintretenden Messiasmutter der Vorläufer in Mutter- leibe entgegenbewegt, eine natürliche Auslegung, obwohl selbst orthodoxe Ausleger neuerer Zeit sich zu derselben neigen, wenn sie, wie Hess3) und Olshausen4), der Sa- che die Wendung geben, daſs Elisabet zuerst eine Offenba- rung bekommen, und erst an der dadurch erregten Ent-
2)Olshausen z. d. St.
3) Geschichte Jesu, 1, S. 26.
4) Bibl. Comm. 1, S. 112.
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Erster Abschnitt.
Maria suppliren zu dürfen, welche stückweise, und so,
daſs dazwischen hinein Elisabet zum Worte kam, dieser
ihre Geschichte vorgetragen habe. Die Gemüthsbewegung
der Mutter theilte sich, — so wird weiter erklärt, —
nach natürlichen Gesetzen dem Kinde mit, welches, wie
Fötus von 6 Monaten schon zu thun pflegen, eine Bewe-
gung machte, was die Mutter erst nach den weiteren Mit-
theilungen der Maria bedeutsam fand, und auf den Gruſs
der Messiasmutter bezog. Ebenso natürlich findet man
es dann, daſs Maria ihre durch Elisabet bestätigten messia-
nischen Erwartungen in einem psalmartigen Recitativ aus-
spricht, das aus allerlei A. T.lichen Reminiscenzen zusam-
mengesetzt ist.
Aber in dieser Erklärungsart ist Manches dem Texte
durchaus zuwider. Dahin gehört schon das, daſs Elisabet
durch Maria selbst die dieser zu Theil gewordne Himmels-
botschaft erfahren haben soll, da doch nirgends eine Spur
vorangegangener Mittheilung ist 2), noch weniger eine Un-
terbrechung der Rede Elisabet's durch weitere Aufschlüsse
der Maria; vielmehr, wie es eine übernatürliche Offenba-
rung ist, durch welche Maria von der Schwangerschaft ih-
rer Base in Kenntniſs gesetzt wird: so ist auch das einer
Offenbarung zuzuschreiben, daſs Elisabet die Maria als-
bald für die zur Messiasgebärerin Erkorene erkennt. Eben-
sowenig verträgt der andere Zug der Erzählung, daſs sich
der eintretenden Messiasmutter der Vorläufer in Mutter-
leibe entgegenbewegt, eine natürliche Auslegung, obwohl
selbst orthodoxe Ausleger neuerer Zeit sich zu derselben
neigen, wenn sie, wie Hess 3) und Olshausen 4), der Sa-
che die Wendung geben, daſs Elisabet zuerst eine Offenba-
rung bekommen, und erst an der dadurch erregten Ent-
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4) Bibl. Comm. 1, S. 112.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/216>, abgerufen am 21.11.2024.
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