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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erster Abschnitt.
der Elisabet (V. 41.) einleitet, kann bei der Gleichartigkeit
der drei Reden nicht als Beweis dafür angeführt werden,
dass der Verfasser nicht auch diese Rede, wie die beiden
andern, als Wirkung des pneuma betrachtet wissen wolle.
Aber auch abgesehen von der Meinung des Verfassers, kann
es überhaupt auf rein natürlichem Wege nicht so zugehen,
dass sich besuchende Freundinnen auch bei noch so ausser-
ordentlichen Ereignissen in solche Hymnen ausbrechen,
und ihre Unterhaltung die Farbe eines Dialogs so ganz
verliert, wie er unter dergleichen Umständen natürlich ist.
Nur durch höheren Einfluss konnte die Stimmung der bei-
den Freundinnen auf eine, dem gewöhnlichen Leben so
durchaus fremde Weise erhöht werden. Ist nun aber der
Hymnus der Maria als Wirkung des pneuma agion zu fas-
sen: so muss es auffallend gefunden werden, dass eine, un-
mittelbar aus der göttlichen Quelle der Begeisterung ge-
flossene Rede nicht origineller ausgefallen ist, sondern so
stark mit Reminiscenzen aus dem A. T., namentlich aus
dem, unter verwandten Umständen gesprochenen Lobgesang
der Mutter Samuels (1. Sam. 2.) besetzt sich zeigt 5). Hie-
nach müssen wir freilich eine auf natürlichem Wege vor
sich gegangene Zusammensetzung dieser Rede aus A. T.li-
chen Erinnerungen annehmen, nur, wenn dieselbe wirklich
natürlich vor sich gegangen sein soll, dürfen wir sie nicht
der einfachen Maria zuschreiben, sondern demjenigen, wel-
cher die über die vorliegende Scene umlaufende Sage poe-
tisch bearbeitete.

Da somit alle Hauptvorfälle dieses Besuchs weder bei
der wunderhaften Auslegung denkbar sind, noch eine na-
türliche vertragen: so sind wir auch für dieses Stück, wie
für die bisherigen, auf eine mythische Auffassung hinge-
wiesen. Dieser Weg ist auch schon von Andern einge-

5) Vergl. besonders Luc. 1, 46 f. mit 1. Sam. 2, 1; Luc. V. 52.
mit 1. Sam. V. 8; und Luc. V. 53. mit Sam. V. 5.

Erster Abschnitt.
der Elisabet (V. 41.) einleitet, kann bei der Gleichartigkeit
der drei Reden nicht als Beweis dafür angeführt werden,
daſs der Verfasser nicht auch diese Rede, wie die beiden
andern, als Wirkung des πνεῦμα betrachtet wissen wolle.
Aber auch abgesehen von der Meinung des Verfassers, kann
es überhaupt auf rein natürlichem Wege nicht so zugehen,
daſs sich besuchende Freundinnen auch bei noch so ausser-
ordentlichen Ereignissen in solche Hymnen ausbrechen,
und ihre Unterhaltung die Farbe eines Dialogs so ganz
verliert, wie er unter dergleichen Umständen natürlich ist.
Nur durch höheren Einfluſs konnte die Stimmung der bei-
den Freundinnen auf eine, dem gewöhnlichen Leben so
durchaus fremde Weise erhöht werden. Ist nun aber der
Hymnus der Maria als Wirkung des πνεῦμα ἅγιον zu fas-
sen: so muſs es auffallend gefunden werden, daſs eine, un-
mittelbar aus der göttlichen Quelle der Begeisterung ge-
flossene Rede nicht origineller ausgefallen ist, sondern so
stark mit Reminiscenzen aus dem A. T., namentlich aus
dem, unter verwandten Umständen gesprochenen Lobgesang
der Mutter Samuels (1. Sam. 2.) besetzt sich zeigt 5). Hie-
nach müssen wir freilich eine auf natürlichem Wege vor
sich gegangene Zusammensetzung dieser Rede aus A. T.li-
chen Erinnerungen annehmen, nur, wenn dieselbe wirklich
natürlich vor sich gegangen sein soll, dürfen wir sie nicht
der einfachen Maria zuschreiben, sondern demjenigen, wel-
cher die über die vorliegende Scene umlaufende Sage poë-
tisch bearbeitete.

Da somit alle Hauptvorfälle dieses Besuchs weder bei
der wunderhaften Auslegung denkbar sind, noch eine na-
türliche vertragen: so sind wir auch für dieses Stück, wie
für die bisherigen, auf eine mythische Auffassung hinge-
wiesen. Dieser Weg ist auch schon von Andern einge-

5) Vergl. besonders Luc. 1, 46 f. mit 1. Sam. 2, 1; Luc. V. 52.
mit 1. Sam. V. 8; und Luc. V. 53. mit Sam. V. 5.
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[194/0218] Erster Abschnitt. der Elisabet (V. 41.) einleitet, kann bei der Gleichartigkeit der drei Reden nicht als Beweis dafür angeführt werden, daſs der Verfasser nicht auch diese Rede, wie die beiden andern, als Wirkung des πνεῦμα betrachtet wissen wolle. Aber auch abgesehen von der Meinung des Verfassers, kann es überhaupt auf rein natürlichem Wege nicht so zugehen, daſs sich besuchende Freundinnen auch bei noch so ausser- ordentlichen Ereignissen in solche Hymnen ausbrechen, und ihre Unterhaltung die Farbe eines Dialogs so ganz verliert, wie er unter dergleichen Umständen natürlich ist. Nur durch höheren Einfluſs konnte die Stimmung der bei- den Freundinnen auf eine, dem gewöhnlichen Leben so durchaus fremde Weise erhöht werden. Ist nun aber der Hymnus der Maria als Wirkung des πνεῦμα ἅγιον zu fas- sen: so muſs es auffallend gefunden werden, daſs eine, un- mittelbar aus der göttlichen Quelle der Begeisterung ge- flossene Rede nicht origineller ausgefallen ist, sondern so stark mit Reminiscenzen aus dem A. T., namentlich aus dem, unter verwandten Umständen gesprochenen Lobgesang der Mutter Samuels (1. Sam. 2.) besetzt sich zeigt 5). Hie- nach müssen wir freilich eine auf natürlichem Wege vor sich gegangene Zusammensetzung dieser Rede aus A. T.li- chen Erinnerungen annehmen, nur, wenn dieselbe wirklich natürlich vor sich gegangen sein soll, dürfen wir sie nicht der einfachen Maria zuschreiben, sondern demjenigen, wel- cher die über die vorliegende Scene umlaufende Sage poë- tisch bearbeitete. Da somit alle Hauptvorfälle dieses Besuchs weder bei der wunderhaften Auslegung denkbar sind, noch eine na- türliche vertragen: so sind wir auch für dieses Stück, wie für die bisherigen, auf eine mythische Auffassung hinge- wiesen. Dieser Weg ist auch schon von Andern einge- 5) Vergl. besonders Luc. 1, 46 f. mit 1. Sam. 2, 1; Luc. V. 52. mit 1. Sam. V. 8; und Luc. V. 53. mit Sam. V. 5.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/218>, abgerufen am 21.11.2024.