Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. Jerusalem und Bethlehem nicht haben sehen können, habesich ihnen bei der Annäherung zu Bethlehem mit Einem- male wieder gezeigt, und zwar über dem Wohnort des Kindes hin stehend 6). Denn das epano ou en to paidion (V. 9.) soll nur überhaupt den Wohnort, nicht das Wohn- haus des Kindes und seiner Eltern bedeuten. Wir geben diess zu; aber indem der Evangelist gleich folgen lässt: kai eiselthontes eis ten oikian, so wird eben hiedurch der Wohnort näher als das Wohnhaus bestimmt, so dass diese Erklärung nur aus dem vergeblichen Bestreben entstanden sich zeigt, das Wunderbare aus der evangelischen Erzäh- lung zu entfernen. -- Das Merkwürdigste bei der Deutung des aser auf eine Constellation ist nun aber, dass man durch dieselbe einen festen Punkt in der beglaubigten Ge- schichte gefunden zu haben meint, an welchen man die Erzählung des Matthäus anknüpfen könne. Nach Kepler's, von Ideler 7) berichtigter Berechnung nämlich fand drei Jahre vor Herodes Tod eine Conjunktion des Jupiter und Saturn im Zeichen der Fische statt, und diese, wie sie in jenem von den Astrologen auf die Juden bezogenen Zei- chen auf dieselbe Weise beiläufig alle 800 Jahre wieder- kehrt, hatte nach des Juden Abarbanel Berechnung auch drei Jahre vor der Geburt des Moses stattgefunden: so dass sich gar wohl an diese Constellation zu Herodes Zeit Erwartungen des zweiten grossen Retters der Nation an- knüpfen, und babylonische Juden zur Nachfrage veranlas- sen konnten 8). Dass nun aber der von Matthäus erwähnte Stern eben jene Planetenconjunktion gewesen sei, wird theils durch die Unsicherheit des Geburtsjahrs Jesu precär, theils passen Züge der evangelischen Erzählung nicht da- zu, wie das proegen und ese, so wie, dass die Magier 6) Paulus a. a. O. S. 202. 221. 7) a. a. O. 8) Paulus a. a. O. S. 205 f.
Erster Abschnitt. Jerusalem und Bethlehem nicht haben sehen können, habesich ihnen bei der Annäherung zu Bethlehem mit Einem- male wieder gezeigt, und zwar über dem Wohnort des Kindes hin stehend 6). Denn das ἐπάνω οὖ ἦν τὸ παιδίον (V. 9.) soll nur überhaupt den Wohnort, nicht das Wohn- haus des Kindes und seiner Eltern bedeuten. Wir geben dieſs zu; aber indem der Evangelist gleich folgen läſst: καὶ εἰσελϑόντες εἰς τὴν οἰκίαν, so wird eben hiedurch der Wohnort näher als das Wohnhaus bestimmt, so daſs diese Erklärung nur aus dem vergeblichen Bestreben entstanden sich zeigt, das Wunderbare aus der evangelischen Erzäh- lung zu entfernen. — Das Merkwürdigste bei der Deutung des ἀςὴρ auf eine Constellation ist nun aber, daſs man durch dieselbe einen festen Punkt in der beglaubigten Ge- schichte gefunden zu haben meint, an welchen man die Erzählung des Matthäus anknüpfen könne. Nach Kepler's, von Ideler 7) berichtigter Berechnung nämlich fand drei Jahre vor Herodes Tod eine Conjunktion des Jupiter und Saturn im Zeichen der Fische statt, und diese, wie sie in jenem von den Astrologen auf die Juden bezogenen Zei- chen auf dieselbe Weise beiläufig alle 800 Jahre wieder- kehrt, hatte nach des Juden Abarbanel Berechnung auch drei Jahre vor der Geburt des Moses stattgefunden: so daſs sich gar wohl an diese Constellation zu Herodes Zeit Erwartungen des zweiten groſsen Retters der Nation an- knüpfen, und babylonische Juden zur Nachfrage veranlas- sen konnten 8). Daſs nun aber der von Matthäus erwähnte Stern eben jene Planetenconjunktion gewesen sei, wird theils durch die Unsicherheit des Geburtsjahrs Jesu precär, theils passen Züge der evangelischen Erzählung nicht da- zu, wie das προῆγεν und ἐςη, so wie, daſs die Magier 6) Paulus a. a. O. S. 202. 221. 7) a. a. O. 8) Paulus a. a. O. S. 205 f.
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Erster Abschnitt.
Jerusalem und Bethlehem nicht haben sehen können, habe
sich ihnen bei der Annäherung zu Bethlehem mit Einem-
male wieder gezeigt, und zwar über dem Wohnort des
Kindes hin stehend 6). Denn das ἐπάνω οὖ ἦν τὸ παιδίον
(V. 9.) soll nur überhaupt den Wohnort, nicht das Wohn-
haus des Kindes und seiner Eltern bedeuten. Wir geben
dieſs zu; aber indem der Evangelist gleich folgen läſst:
καὶ εἰσελϑόντες εἰς τὴν οἰκίαν, so wird eben hiedurch der
Wohnort näher als das Wohnhaus bestimmt, so daſs diese
Erklärung nur aus dem vergeblichen Bestreben entstanden
sich zeigt, das Wunderbare aus der evangelischen Erzäh-
lung zu entfernen. — Das Merkwürdigste bei der Deutung
des ἀςὴρ auf eine Constellation ist nun aber, daſs man
durch dieselbe einen festen Punkt in der beglaubigten Ge-
schichte gefunden zu haben meint, an welchen man die
Erzählung des Matthäus anknüpfen könne. Nach Kepler's,
von Ideler 7) berichtigter Berechnung nämlich fand drei
Jahre vor Herodes Tod eine Conjunktion des Jupiter und
Saturn im Zeichen der Fische statt, und diese, wie sie in
jenem von den Astrologen auf die Juden bezogenen Zei-
chen auf dieselbe Weise beiläufig alle 800 Jahre wieder-
kehrt, hatte nach des Juden Abarbanel Berechnung auch
drei Jahre vor der Geburt des Moses stattgefunden: so
daſs sich gar wohl an diese Constellation zu Herodes Zeit
Erwartungen des zweiten groſsen Retters der Nation an-
knüpfen, und babylonische Juden zur Nachfrage veranlas-
sen konnten 8). Daſs nun aber der von Matthäus erwähnte
Stern eben jene Planetenconjunktion gewesen sei, wird
theils durch die Unsicherheit des Geburtsjahrs Jesu precär,
theils passen Züge der evangelischen Erzählung nicht da-
zu, wie das προῆγεν und ἐςη, so wie, daſs die Magier
6) Paulus a. a. O. S. 202. 221.
7) a. a. O.
8) Paulus a. a. O. S. 205 f.
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