plaz wegräumen, jene aber denselben gleichsam in of- fenem Felde noch sich an Jesum ergeben lassen, wo- von, als das minder Verherrlichende, das Erstere die hi- storische Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Also um die Zeit, in welche die Sendung der zwei Jünger gefallen sein müsste, war der Täufer bereits ver- haftet, und für diesen Fall war schon oben gesagt, dass er schwerlich auf diese Weise Botschaft aussenden und er- halten konnte. Wohl aber konnte die Sage sich veranlasst finden, eine solche Botschaft zu erdichten, um den Täufer nicht ohne eine wenigstens werdende Anerkennung der Mes- sianität Jesu scheiden zu lassen; so dass mithin von den beiden unverträglichen Darstellungen weder die eine noch die andere als historisch sich bewährt.
§. 43. Urtheil der Evangelisten und Jesu über den Täufer, nebst des- sen angeblicher Selbstbeurtheilung. Resultat über das Verhältniss beider Männer.
Auf den Johannes, als Vorbereiter des durch Jesum ge- stifteten Messiasreichs, wenden die Evangelien mehrere A. T.liche Stellen an. Der Aufenthalt des Bu[ß]predigers in der Wüste, seine wegbereitende Thätigkeit für den Messias, musste an die jesaianische Stelle erinnern (40, 3 ff. LXX): phone boontos en eremo; etoimasate ten odon Kurio k. t. l. In den drei ersten Evangelien ist es der Referent, welcher diese Stelle auf den Täufer anwendet (Matth. 3, 3. Marc. 1, 3. Luc. 3, 4 ff.), und es liesse sich ganz wohl denken, dass diess erst spätere, christliche Applikation wäre: doch steht auch dem nicht zu viel entgegen, dass dem vierten Evangelium zufolge der Täufer selbst seine Bestimmung durch jene prophetischen Worte bezeichnet hätte (1, 23.). Ausser der dem Markus (1, 2.) eigenthümlichen Anwendung der Stelle aus Malachia (3, 1.) von dem von Jehova voraus- gesendeten Engel, wird in Gemässheit einer andern Stelle
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Erstes Kapitel. §. 43.
plaz wegräumen, jene aber denselben gleichsam in of- fenem Felde noch sich an Jesum ergeben lassen, wo- von, als das minder Verherrlichende, das Erstere die hi- storische Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Also um die Zeit, in welche die Sendung der zwei Jünger gefallen sein müſste, war der Täufer bereits ver- haftet, und für diesen Fall war schon oben gesagt, daſs er schwerlich auf diese Weise Botschaft aussenden und er- halten konnte. Wohl aber konnte die Sage sich veranlaſst finden, eine solche Botschaft zu erdichten, um den Täufer nicht ohne eine wenigstens werdende Anerkennung der Mes- sianität Jesu scheiden zu lassen; so daſs mithin von den beiden unverträglichen Darstellungen weder die eine noch die andere als historisch sich bewährt.
§. 43. Urtheil der Evangelisten und Jesu über den Täufer, nebst des- sen angeblicher Selbstbeurtheilung. Resultat über das Verhältniss beider Männer.
Auf den Johannes, als Vorbereiter des durch Jesum ge- stifteten Messiasreichs, wenden die Evangelien mehrere A. T.liche Stellen an. Der Aufenthalt des Bu[ß]predigers in der Wüste, seine wegbereitende Thätigkeit für den Messias, muſste an die jesaianische Stelle erinnern (40, 3 ff. LXX): φωνὴ βοῶντος ἐν ἐρήμῳ· ἑτοιμάσατε τὴν ὁδὸν Κυρίῳ κ. τ. λ. In den drei ersten Evangelien ist es der Referent, welcher diese Stelle auf den Täufer anwendet (Matth. 3, 3. Marc. 1, 3. Luc. 3, 4 ff.), und es lieſse sich ganz wohl denken, daſs dieſs erst spätere, christliche Applikation wäre: doch steht auch dem nicht zu viel entgegen, daſs dem vierten Evangelium zufolge der Täufer selbst seine Bestimmung durch jene prophetischen Worte bezeichnet hätte (1, 23.). Ausser der dem Markus (1, 2.) eigenthümlichen Anwendung der Stelle aus Malachia (3, 1.) von dem von Jehova voraus- gesendeten Engel, wird in Gemäſsheit einer andern Stelle
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Erstes Kapitel. §. 43.
plaz wegräumen, jene aber denselben gleichsam in of-
fenem Felde noch sich an Jesum ergeben lassen, wo-
von, als das minder Verherrlichende, das Erstere die hi-
storische Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Also um die Zeit, in welche die Sendung der zwei
Jünger gefallen sein müſste, war der Täufer bereits ver-
haftet, und für diesen Fall war schon oben gesagt, daſs er
schwerlich auf diese Weise Botschaft aussenden und er-
halten konnte. Wohl aber konnte die Sage sich veranlaſst
finden, eine solche Botschaft zu erdichten, um den Täufer
nicht ohne eine wenigstens werdende Anerkennung der Mes-
sianität Jesu scheiden zu lassen; so daſs mithin von den
beiden unverträglichen Darstellungen weder die eine noch
die andere als historisch sich bewährt.
§. 43.
Urtheil der Evangelisten und Jesu über den Täufer, nebst des-
sen angeblicher Selbstbeurtheilung. Resultat über das
Verhältniss beider Männer.
Auf den Johannes, als Vorbereiter des durch Jesum ge-
stifteten Messiasreichs, wenden die Evangelien mehrere
A. T.liche Stellen an. Der Aufenthalt des Bußpredigers in
der Wüste, seine wegbereitende Thätigkeit für den Messias,
muſste an die jesaianische Stelle erinnern (40, 3 ff. LXX):
φωνὴ βοῶντος ἐν ἐρήμῳ· ἑτοιμάσατε τὴν ὁδὸν Κυρίῳ κ. τ. λ.
In den drei ersten Evangelien ist es der Referent, welcher
diese Stelle auf den Täufer anwendet (Matth. 3, 3. Marc.
1, 3. Luc. 3, 4 ff.), und es lieſse sich ganz wohl denken,
daſs dieſs erst spätere, christliche Applikation wäre: doch
steht auch dem nicht zu viel entgegen, daſs dem vierten
Evangelium zufolge der Täufer selbst seine Bestimmung
durch jene prophetischen Worte bezeichnet hätte (1, 23.).
Ausser der dem Markus (1, 2.) eigenthümlichen Anwendung
der Stelle aus Malachia (3, 1.) von dem von Jehova voraus-
gesendeten Engel, wird in Gemäſsheit einer andern Stelle
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/379>, abgerufen am 24.11.2024.
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