Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. sen sein, so, wie sie später auch bei Jesus thaten (Matth.21, 23. ff.), des Johannes Befugniss zur Taufe zu unter- suchen, wie auch aus V. 25. hervorgeht. Und zwar konn- ten sie hiebei nach der feindseligen Stellung, welche sich der Täufer zu den Sekten der Pharisäer und Sadducäer, denen die Synedristen angehörten, gegeben hatte (Matth. 3, 7.), keine andre als die Voraussetzung haben, dass er nicht der Messias und kein Prophet sei, also auch keine Be- fugniss habe, ein baptisma vorzunehmen. Dann aber konn- ten sie unmöglich so fragen, wie das vierte Evangelium sie fragen lässt. In der angeführten Stelle des ersten Evangeli- ums fragen sie Jesum in der gleichen Voraussetzung, dass er keine prophetische Befugniss habe, ganz angemessen: en poia exousia tauta poieis; bei Johannes aber fragen sie den Täufer gerade, wie wenn sie voraussetzten, er sei der Messias, und als er, zu ihrem Befremden, wie es scheint, dieses verneint hat, präsentiren sie ihm nacheinander noch die Würden des Elias und eines andern prophetischen Vor- läufers, wie wenn sie angelegentlich wünschten, er möchte sich doch einen dieser Titel gefallen lassen. So werden nicht ausforschende Gegner einem Manne, dem sie übel- wollen, die höchsten Würden aufdringen, sondern nur ein Erzähler kann diess so darstellen, welcher die Bescheiden- heit jenes Mannes und seine Unterordnung unter Jesum da- durch hervorheben will, dass er ihn alle jene glänzenden Titel ausschlagen lässt: natürlich, soll er sie ausschlagen können, so müssen sie ihm aufgedrungen worden sein; in der Wirklichkeit aber kann so etwas blos von Wohlwollen- den geschehen, wie Lukas richtig dem Volke, das dem Täu- fer anhieng, die Vermuthung seiner Messianität leiht. Warum schrieb nun der vierte Evangelist nicht gleich- Zweiter Abschnitt. sen sein, so, wie sie später auch bei Jesus thaten (Matth.21, 23. ff.), des Johannes Befugniſs zur Taufe zu unter- suchen, wie auch aus V. 25. hervorgeht. Und zwar konn- ten sie hiebei nach der feindseligen Stellung, welche sich der Täufer zu den Sekten der Pharisäer und Sadducäer, denen die Synedristen angehörten, gegeben hatte (Matth. 3, 7.), keine andre als die Voraussetzung haben, daſs er nicht der Messias und kein Prophet sei, also auch keine Be- fugniſs habe, ein βάπτισμα vorzunehmen. Dann aber konn- ten sie unmöglich so fragen, wie das vierte Evangelium sie fragen läſst. In der angeführten Stelle des ersten Evangeli- ums fragen sie Jesum in der gleichen Voraussetzung, daſs er keine prophetische Befugniſs habe, ganz angemessen: ἐν ποίᾳ ἐξουσίᾳ ταῦτα ποιεῖς; bei Johannes aber fragen sie den Täufer gerade, wie wenn sie voraussetzten, er sei der Messias, und als er, zu ihrem Befremden, wie es scheint, dieses verneint hat, präsentiren sie ihm nacheinander noch die Würden des Elias und eines andern prophetischen Vor- läufers, wie wenn sie angelegentlich wünschten, er möchte sich doch einen dieser Titel gefallen lassen. So werden nicht ausforschende Gegner einem Manne, dem sie übel- wollen, die höchsten Würden aufdringen, sondern nur ein Erzähler kann dieſs so darstellen, welcher die Bescheiden- heit jenes Mannes und seine Unterordnung unter Jesum da- durch hervorheben will, daſs er ihn alle jene glänzenden Titel ausschlagen läſst: natürlich, soll er sie ausschlagen können, so müssen sie ihm aufgedrungen worden sein; in der Wirklichkeit aber kann so etwas blos von Wohlwollen- den geschehen, wie Lukas richtig dem Volke, das dem Täu- fer anhieng, die Vermuthung seiner Messianität leiht. Warum schrieb nun der vierte Evangelist nicht gleich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0382" n="358"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> sen sein, so, wie sie später auch bei Jesus thaten (Matth.<lb/> 21, 23. ff.), des Johannes Befugniſs zur Taufe zu unter-<lb/> suchen, wie auch aus V. 25. hervorgeht. 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Zweiter Abschnitt.
sen sein, so, wie sie später auch bei Jesus thaten (Matth.
21, 23. ff.), des Johannes Befugniſs zur Taufe zu unter-
suchen, wie auch aus V. 25. hervorgeht. Und zwar konn-
ten sie hiebei nach der feindseligen Stellung, welche sich
der Täufer zu den Sekten der Pharisäer und Sadducäer,
denen die Synedristen angehörten, gegeben hatte (Matth.
3, 7.), keine andre als die Voraussetzung haben, daſs er
nicht der Messias und kein Prophet sei, also auch keine Be-
fugniſs habe, ein βάπτισμα vorzunehmen. Dann aber konn-
ten sie unmöglich so fragen, wie das vierte Evangelium sie
fragen läſst. In der angeführten Stelle des ersten Evangeli-
ums fragen sie Jesum in der gleichen Voraussetzung, daſs
er keine prophetische Befugniſs habe, ganz angemessen:
ἐν ποίᾳ ἐξουσίᾳ ταῦτα ποιεῖς; bei Johannes aber fragen sie
den Täufer gerade, wie wenn sie voraussetzten, er sei der
Messias, und als er, zu ihrem Befremden, wie es scheint,
dieses verneint hat, präsentiren sie ihm nacheinander noch
die Würden des Elias und eines andern prophetischen Vor-
läufers, wie wenn sie angelegentlich wünschten, er möchte
sich doch einen dieser Titel gefallen lassen. So werden
nicht ausforschende Gegner einem Manne, dem sie übel-
wollen, die höchsten Würden aufdringen, sondern nur ein
Erzähler kann dieſs so darstellen, welcher die Bescheiden-
heit jenes Mannes und seine Unterordnung unter Jesum da-
durch hervorheben will, daſs er ihn alle jene glänzenden
Titel ausschlagen läſst: natürlich, soll er sie ausschlagen
können, so müssen sie ihm aufgedrungen worden sein; in
der Wirklichkeit aber kann so etwas blos von Wohlwollen-
den geschehen, wie Lukas richtig dem Volke, das dem Täu-
fer anhieng, die Vermuthung seiner Messianität leiht.
Warum schrieb nun der vierte Evangelist nicht gleich-
falls dem Volke jene Fragen zu, in dessen Mund sie mit
leichter Abänderung so gut gepaſst hätten? Joh. 5, 33. be-
ruft sich Jesus den ungläubigen Ἰουδαίοις in Jerusalem ge-
genüber auf ihre Sendung zu dem Täufer und auf das wahr-
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