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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erstes Kapitel. §. 43.
ben der späteren auch noch die frühere Gestaltung der Sa-
ge auf, indem sie weniger auf die Frage des Johannes,
als auf die damit in Verbindung gebrachte Rede Jesu über
denselben Gewicht legen mochten 8).

8) Nur in Form einer Anmerkung sei hier der Halbheit gedacht,
mit welcher das Verhältniss des Täufers zu Jesu auch von
denjenigen, welchen über die Unhaltbarkeit der gewöhnlichen
Ansicht von demselben ein Licht aufgegangen, doch noch
immer gefasst wird. Unter diese ist Planck nicht einmal zu
zählen, indem er die Berichte über dieses Verhältniss durch-
aus als historisch nimmt, dann aber nicht umhin kann, ei-
nen zwischen beiden Männern abgeredeten Plan aufs Bestimm-
teste zu behaupten. s. dessen Geschichte des Christenthums
in der Per. seiner Einführung, 1, K. 7.
Die Abhandlung eines Ungenannten hingegen in Henke's
neuem Magazin 6, 3, S. 373 ff., Johannes und Jesus über-
schrieben, geht von dem richtigen Bewusstsein aus, dass
die orthodoxe Vorstellung von Johannes als blossem Vorläu-
fer Jesu, der seine Bestimmung und Absicht nicht in sich
selber, sondern einzig in dem nach ihm Gekommenen gehabt
habe, unhaltbar sei, ebensowenig aber der naturalistische
Verdacht, dass zwischen beiden Männern eine vorgängige
Abrede stattgefunden, irgend einen Grund für sich aufzu-
weisen habe. In ersterer Beziehung nun räumt der Verf.
mit vieler Unbefangenheit die Meinung hinweg, als hätte Jo-
hannes bestimmt schon auf Jesum als Messias hingewiesen,
und geht hierin selbst zu weit, indem er der schwer zu be-
gründenden Vermuthung nachhängt, vielleicht habe der Täu-
fer anfänglich sich selbst zum Messias berufen geglaubt, und
durch seine Taufe für sich Partei machen wollen. Gegen die
andre Vermuthung aber geht er lange nicht weit genug. Er
giebt nämlich nicht blos die Verwandtschaft, das ziemlich
gleiche Alter und die frühe Bekanntschaft beider zu, son-
dern ergeht sich auch in romantischen Vorstellungen von den
Weltverbesserungsplanen, welche die Jünglinge zusammen
entworfen, von dem edelmüthigen Streit, in welchem sie ge-
standen, indem jeder den andern für würdiger gehalten ha-
be, den Messias vorzustellen, bis endlich Johannes im Be-

Erstes Kapitel. §. 43.
ben der späteren auch noch die frühere Gestaltung der Sa-
ge auf, indem sie weniger auf die Frage des Johannes,
als auf die damit in Verbindung gebrachte Rede Jesu über
denselben Gewicht legen mochten 8).

8) Nur in Form einer Anmerkung sei hier der Halbheit gedacht,
mit welcher das Verhältniss des Täufers zu Jesu auch von
denjenigen, welchen über die Unhaltbarkeit der gewöhnlichen
Ansicht von demselben ein Licht aufgegangen, doch noch
immer gefasst wird. Unter diese ist Planck nicht einmal zu
zählen, indem er die Berichte über dieses Verhältniss durch-
aus als historisch nimmt, dann aber nicht umhin kann, ei-
nen zwischen beiden Männern abgeredeten Plan aufs Bestimm-
teste zu behaupten. s. dessen Geschichte des Christenthums
in der Per. seiner Einführung, 1, K. 7.
Die Abhandlung eines Ungenannten hingegen in Henke's
neuem Magazin 6, 3, S. 373 ff., Johannes und Jesus über-
schrieben, geht von dem richtigen Bewusstsein aus, dass
die orthodoxe Vorstellung von Johannes als blossem Vorläu-
fer Jesu, der seine Bestimmung und Absicht nicht in sich
selber, sondern einzig in dem nach ihm Gekommenen gehabt
habe, unhaltbar sei, ebensowenig aber der naturalistische
Verdacht, dass zwischen beiden Männern eine vorgängige
Abrede stattgefunden, irgend einen Grund für sich aufzu-
weisen habe. In ersterer Beziehung nun räumt der Verf.
mit vieler Unbefangenheit die Meinung hinweg, als hätte Jo-
hannes bestimmt schon auf Jesum als Messias hingewiesen,
und geht hierin selbst zu weit, indem er der schwer zu be-
gründenden Vermuthung nachhängt, vielleicht habe der Täu-
fer anfänglich sich selbst zum Messias berufen geglaubt, und
durch seine Taufe für sich Partei machen wollen. Gegen die
andre Vermuthung aber geht er lange nicht weit genug. Er
giebt nämlich nicht blos die Verwandtschaft, das ziemlich
gleiche Alter und die frühe Bekanntschaft beider zu, son-
dern ergeht sich auch in romantischen Vorstellungen von den
Weltverbesserungsplanen, welche die Jünglinge zusammen
entworfen, von dem edelmüthigen Streit, in welchem sie ge-
standen, indem jeder den andern für würdiger gehalten ha-
be, den Messias vorzustellen, bis endlich Johannes im Be-
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[363/0387] Erstes Kapitel. §. 43. ben der späteren auch noch die frühere Gestaltung der Sa- ge auf, indem sie weniger auf die Frage des Johannes, als auf die damit in Verbindung gebrachte Rede Jesu über denselben Gewicht legen mochten 8). 8) Nur in Form einer Anmerkung sei hier der Halbheit gedacht, mit welcher das Verhältniss des Täufers zu Jesu auch von denjenigen, welchen über die Unhaltbarkeit der gewöhnlichen Ansicht von demselben ein Licht aufgegangen, doch noch immer gefasst wird. Unter diese ist Planck nicht einmal zu zählen, indem er die Berichte über dieses Verhältniss durch- aus als historisch nimmt, dann aber nicht umhin kann, ei- nen zwischen beiden Männern abgeredeten Plan aufs Bestimm- teste zu behaupten. s. dessen Geschichte des Christenthums in der Per. seiner Einführung, 1, K. 7. Die Abhandlung eines Ungenannten hingegen in Henke's neuem Magazin 6, 3, S. 373 ff., Johannes und Jesus über- schrieben, geht von dem richtigen Bewusstsein aus, dass die orthodoxe Vorstellung von Johannes als blossem Vorläu- fer Jesu, der seine Bestimmung und Absicht nicht in sich selber, sondern einzig in dem nach ihm Gekommenen gehabt habe, unhaltbar sei, ebensowenig aber der naturalistische Verdacht, dass zwischen beiden Männern eine vorgängige Abrede stattgefunden, irgend einen Grund für sich aufzu- weisen habe. In ersterer Beziehung nun räumt der Verf. mit vieler Unbefangenheit die Meinung hinweg, als hätte Jo- hannes bestimmt schon auf Jesum als Messias hingewiesen, und geht hierin selbst zu weit, indem er der schwer zu be- gründenden Vermuthung nachhängt, vielleicht habe der Täu- fer anfänglich sich selbst zum Messias berufen geglaubt, und durch seine Taufe für sich Partei machen wollen. Gegen die andre Vermuthung aber geht er lange nicht weit genug. Er giebt nämlich nicht blos die Verwandtschaft, das ziemlich gleiche Alter und die frühe Bekanntschaft beider zu, son- dern ergeht sich auch in romantischen Vorstellungen von den Weltverbesserungsplanen, welche die Jünglinge zusammen entworfen, von dem edelmüthigen Streit, in welchem sie ge- standen, indem jeder den andern für würdiger gehalten ha- be, den Messias vorzustellen, bis endlich Johannes im Be-

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/387>, abgerufen am 05.06.2024.