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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau-
chen wäre? Eine Fassung des diabolos, mit welcher es
auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab-
gang zur Erquickung Jesu erscheinenden aggeloi von einer
sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln 12), oder von
sanften, erfrischenden Winden 13) zu verstehen. Indess
hat diese Ansicht, nach Usteri's Ausdruck, ihren Kreislauf
in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, dass
es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu
verlieren.

Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge-
schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als
äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch
als natürlicher Vorgang denken lässt: so folgt nothwendig
der Schluss: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen
sein, wie die Synoptiker berichten.

Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, dass
zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun-
de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber
so, dass seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des
Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche
ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der
Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und
bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber
durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla-
gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und
Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und
diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden 14).
Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht

12) so eine Abhandlung in Henke's n. Magazin 4, 2, S. 352.
13) Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591.
14) So nach vielen Vorgängen, welche Schmidt, Kuinöl, u. A.
nachweisen, Ullmann, a. a. O. S. 56 ff., und Hase, Leben
Jesu, §. 49.

Zweiter Abschnitt.
und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau-
chen wäre? Eine Fassung des διάβολος, mit welcher es
auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab-
gang zur Erquickung Jesu erscheinenden ἄγγελοι von einer
sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln 12), oder von
sanften, erfrischenden Winden 13) zu verstehen. Indeſs
hat diese Ansicht, nach Usteri's Ausdruck, ihren Kreislauf
in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, daſs
es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu
verlieren.

Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge-
schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als
äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch
als natürlicher Vorgang denken läſst: so folgt nothwendig
der Schluſs: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen
sein, wie die Synoptiker berichten.

Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, daſs
zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun-
de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber
so, daſs seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des
Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche
ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der
Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und
bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber
durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla-
gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und
Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und
diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden 14).
Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht

12) so eine Abhandlung in Henke's n. Magazin 4, 2, S. 352.
13) Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591.
14) So nach vielen Vorgängen, welche Schmidt, Kuinöl, u. A.
nachweisen, Ullmann, a. a. O. S. 56 ff., und Hase, Leben
Jesu, §. 49.
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[414/0438] Zweiter Abschnitt. und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau- chen wäre? Eine Fassung des διάβολος, mit welcher es auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab- gang zur Erquickung Jesu erscheinenden ἄγγελοι von einer sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln 12), oder von sanften, erfrischenden Winden 13) zu verstehen. Indeſs hat diese Ansicht, nach Usteri's Ausdruck, ihren Kreislauf in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, daſs es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu verlieren. Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge- schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch als natürlicher Vorgang denken läſst: so folgt nothwendig der Schluſs: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen sein, wie die Synoptiker berichten. Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, daſs zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun- de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber so, daſs seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla- gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden 14). Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht 12) so eine Abhandlung in Henke's n. Magazin 4, 2, S. 352. 13) Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591. 14) So nach vielen Vorgängen, welche Schmidt, Kuinöl, u. A. nachweisen, Ullmann, a. a. O. S. 56 ff., und Hase, Leben Jesu, §. 49.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/438>, abgerufen am 22.11.2024.