und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau- chen wäre? Eine Fassung des diabolos, mit welcher es auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab- gang zur Erquickung Jesu erscheinenden aggeloi von einer sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln 12), oder von sanften, erfrischenden Winden 13) zu verstehen. Indess hat diese Ansicht, nach Usteri's Ausdruck, ihren Kreislauf in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, dass es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu verlieren.
Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge- schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch als natürlicher Vorgang denken lässt: so folgt nothwendig der Schluss: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen sein, wie die Synoptiker berichten.
Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, dass zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun- de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber so, dass seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla- gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden 14). Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht
12) so eine Abhandlung in Henke's n. Magazin 4, 2, S. 352.
13) Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591.
14) So nach vielen Vorgängen, welche Schmidt, Kuinöl, u. A. nachweisen, Ullmann, a. a. O. S. 56 ff., und Hase, Leben Jesu, §. 49.
Zweiter Abschnitt.
und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau- chen wäre? Eine Fassung des διάβολος, mit welcher es auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab- gang zur Erquickung Jesu erscheinenden ἄγγελοι von einer sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln 12), oder von sanften, erfrischenden Winden 13) zu verstehen. Indeſs hat diese Ansicht, nach Usteri's Ausdruck, ihren Kreislauf in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, daſs es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu verlieren.
Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge- schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch als natürlicher Vorgang denken läſst: so folgt nothwendig der Schluſs: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen sein, wie die Synoptiker berichten.
Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, daſs zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun- de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber so, daſs seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla- gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden 14). Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht
12) so eine Abhandlung in Henke's n. Magazin 4, 2, S. 352.
13) Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591.
14) So nach vielen Vorgängen, welche Schmidt, Kuinöl, u. A. nachweisen, Ullmann, a. a. O. S. 56 ff., und Hase, Leben Jesu, §. 49.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0438"n="414"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau-<lb/>
chen wäre? Eine Fassung des <foreignxml:lang="ell">διάβολος</foreign>, mit welcher es<lb/>
auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab-<lb/>
gang zur Erquickung Jesu erscheinenden ἄγγελοι von einer<lb/>
sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln <noteplace="foot"n="12)">so eine Abhandlung in <hirendition="#k">Henke</hi>'s n. Magazin 4, 2, S. 352.</note>, oder von<lb/>
sanften, erfrischenden Winden <noteplace="foot"n="13)">Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591.</note> zu verstehen. Indeſs<lb/>
hat diese Ansicht, nach <hirendition="#k">Usteri</hi>'s Ausdruck, ihren Kreislauf<lb/>
in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, daſs<lb/>
es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu<lb/>
verlieren.</p><lb/><p>Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge-<lb/>
schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als<lb/>
äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch<lb/>
als natürlicher Vorgang denken läſst: so folgt nothwendig<lb/>
der Schluſs: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen<lb/>
sein, wie die Synoptiker berichten.</p><lb/><p>Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, daſs<lb/>
zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun-<lb/>
de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber<lb/>
so, daſs seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des<lb/>
Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche<lb/>
ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der<lb/>
Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und<lb/>
bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber<lb/>
durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla-<lb/>
gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und<lb/>
Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und<lb/>
diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden <noteplace="foot"n="14)">So nach vielen Vorgängen, welche <hirendition="#k">Schmidt, Kuinöl</hi>, u. A.<lb/>
nachweisen, <hirendition="#k">Ullmann</hi>, a. a. O. S. 56 ff., und <hirendition="#k">Hase</hi>, Leben<lb/>
Jesu, §. 49.</note>.<lb/>
Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[414/0438]
Zweiter Abschnitt.
und zu einer Unternehmung gegen die Römer zu gebrau-
chen wäre? Eine Fassung des διάβολος, mit welcher es
auf würdige Weise zusammenstimmt, die nach dessen Ab-
gang zur Erquickung Jesu erscheinenden ἄγγελοι von einer
sich nähernden Karawane mit Lebensmitteln 12), oder von
sanften, erfrischenden Winden 13) zu verstehen. Indeſs
hat diese Ansicht, nach Usteri's Ausdruck, ihren Kreislauf
in der theologischen Welt so sehr schon vollendet, daſs
es überflüssig ist, zu ihrer Widerlegung ein Wort zu
verlieren.
Wenn sich nach dem Bisherigen die Versuchungsge-
schichte, wie sie die Synoptiker uns erzählen, weder als
äusserer noch als innerer, weder als übernatürlicher, noch
als natürlicher Vorgang denken läſst: so folgt nothwendig
der Schluſs: dieselbe kann überhaupt nicht so vorgegangen
sein, wie die Synoptiker berichten.
Der gelindeste Ausweg ist hiebei die Annahme, daſs
zwar wirklich ein Vorfall aus dem Leben Jesu zum Grun-
de liege, welchen Jesus den Jüngern erzählt habe, aber
so, daſs seine Erzählung kein ganz genauer Abdruck des
Faktums gewesen sei. Versuchende Gedanken, welche
ihm entweder wirklich während seines Aufenthalts in der
Wüste nach der Taufe, oder zu verschiedenen Zeiten und
bei verschiedenen Gelegenheiten vor die Seele getreten, aber
durch die reine Kraft seines Willens alsbald niedergeschla-
gen worden seien, habe er nach orientalischer Denk- und
Ausdrucksweise als teuflische Versuchungen erzählt, und
diese bildliche Erzählung sei eigentlich verstanden worden 14).
Die Haupteinwendung zwar, welche gegen diese Ansicht
12) so eine Abhandlung in Henke's n. Magazin 4, 2, S. 352.
13) Natürliche Geschichte u. s. f. 1, S. 591.
14) So nach vielen Vorgängen, welche Schmidt, Kuinöl, u. A.
nachweisen, Ullmann, a. a. O. S. 56 ff., und Hase, Leben
Jesu, §. 49.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/438>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.