Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. welcher der Satan muthmasslich eine solche Versuchung mitdem Messias vornehmen werde, so lag es am nächsten, die- sen, als einen andern Herkules am Scheidewege, beim Ein- tritt in das reife Alter und in das messianische Amt eine solche Probe bestehen zu lassen; handelte es sich um den Ort, so bot sich von mehr als Einer Seite die Wüste dar. Nicht nur ist sie von Asasel (3 Mos. 16, 8. 10.) und As- modi (Tob. 8, 3.) bis zu den von Jesu ausgetriebenen Dä- monen herunter (Matth. 12, 43.) der schauderhafte Wohn- plaz der höllischen Mächte: sondern die Wüste war auch das Lokal, in welchem das Volk Israel, dieser filius Dei collectivus, versucht worden war 8). Was aber sollte der Messias in der Wüste thun? Dass auch der zweite Retter, wie Moses, der erste, als er in der Wüste auf dem Berg Sinai war (2. Mos. 34, 28. 5. Mos. 9, 9.), die heilige Ascese des Fastens über sich genommen haben werde, lag um so näher, als diess die angemessenste Einleitung zu der ersten, sich an den Hunger knüpfenden Versuchung geben konnte. Durch das Vorbild des Moses, zu welchem hier noch das des Elias (1. Kön. 19, 8.) kam, war auch die Zeitdauer dieses Fastens in der Wüste bestimmt, denn auch sie hat- ten 40 Tage gefastet, wie denn die Vierzig auch sonst im mundo perdam, quam aliquam animam generationis Messiae perdi permittam. Diese Stelle beweist wenigstens, dass eine vom Teufel gegen den Messias zu unternehmende Versuchung dem jüdischen Vorstellungskreise nicht fremd war. Liess der Urheber der angeführten Stelle dem Satan, wie es scheint, sein Gesuch abgeschlagen werden, so werden es Andere, da die Vorstellung einmal angeregt war, gewiss haben in Erfül- lung gehen lassen. 8) 5. Mos. 8, 2. (LXX) wird das Volk so angeredet: mnesthe-
se pasan ten odon, en egage oe Kurios o theos sou touto tessarakoson etos en te eremo, opos kakose se kai peirase se, kai diagnosthe ta en te kardia sou, ei phulaxe tas entolas autou, e ou. Zweiter Abschnitt. welcher der Satan muthmaſslich eine solche Versuchung mitdem Messias vornehmen werde, so lag es am nächsten, die- sen, als einen andern Herkules am Scheidewege, beim Ein- tritt in das reife Alter und in das messianische Amt eine solche Probe bestehen zu lassen; handelte es sich um den Ort, so bot sich von mehr als Einer Seite die Wüste dar. Nicht nur ist sie von Asasel (3 Mos. 16, 8. 10.) und As- modi (Tob. 8, 3.) bis zu den von Jesu ausgetriebenen Dä- monen herunter (Matth. 12, 43.) der schauderhafte Wohn- plaz der höllischen Mächte: sondern die Wüste war auch das Lokal, in welchem das Volk Israël, dieser filius Dei collectivus, versucht worden war 8). Was aber sollte der Messias in der Wüste thun? Daſs auch der zweite Retter, wie Moses, der erste, als er in der Wüste auf dem Berg Sinai war (2. Mos. 34, 28. 5. Mos. 9, 9.), die heilige Ascese des Fastens über sich genommen haben werde, lag um so näher, als dieſs die angemessenste Einleitung zu der ersten, sich an den Hunger knüpfenden Versuchung geben konnte. Durch das Vorbild des Moses, zu welchem hier noch das des Elias (1. Kön. 19, 8.) kam, war auch die Zeitdauer dieses Fastens in der Wüste bestimmt, denn auch sie hat- ten 40 Tage gefastet, wie denn die Vierzig auch sonst im mundo perdam, quam aliquam animam generationis Messiae perdi permittam. Diese Stelle beweist wenigstens, dass eine vom Teufel gegen den Messias zu unternehmende Versuchung dem jüdischen Vorstellungskreise nicht fremd war. Liess der Urheber der angeführten Stelle dem Satan, wie es scheint, sein Gesuch abgeschlagen werden, so werden es Andere, da die Vorstellung einmal angeregt war, gewiss haben in Erfül- lung gehen lassen. 8) 5. Mos. 8, 2. (LXX) wird das Volk so angeredet: μνησϑή-
σῃ πᾶσαν τὴν ὁδὸν, ἣν ηγαγέ οε Κύριος ὁ ϑεός σου τοῦτο τεσσαρακοςὸν ἒτος ἐν τῇ ἐρήμῳ, ὅπως κακώσῃ σε καὶ πειράσῃ σε, καὶ διαγνωσϑῇ τὰ ἐν τῇ καρδίᾳ σου, εἰ φυλάξῃ τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ, ἢ οὔ. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0446" n="422"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> welcher der Satan muthmaſslich eine solche Versuchung mit<lb/> dem Messias vornehmen werde, so lag es am nächsten, die-<lb/> sen, als einen andern Herkules am Scheidewege, beim Ein-<lb/> tritt in das reife Alter und in das messianische Amt eine<lb/> solche Probe bestehen zu lassen; handelte es sich um den<lb/> Ort, so bot sich von mehr als Einer Seite die Wüste dar.<lb/> Nicht nur ist sie von Asasel (3 Mos. 16, 8. 10.) und As-<lb/> modi (Tob. 8, 3.) bis zu den von Jesu ausgetriebenen Dä-<lb/> monen herunter (Matth. 12, 43.) der schauderhafte Wohn-<lb/> plaz der höllischen Mächte: sondern die Wüste war auch<lb/> das Lokal, in welchem das Volk Israël, dieser <hi rendition="#i">filius Dei<lb/> collectivus</hi>, versucht worden war <note place="foot" n="8)">5. Mos. 8, 2. (LXX) wird das Volk so angeredet: <foreign xml:lang="ell">μνησϑή-<lb/> σῃ πᾶσαν τὴν ὁδὸν, ἣν ηγαγέ οε Κύριος ὁ ϑεός σου<lb/> τοῦτο τεσσαρακοςὸν ἒτος ἐν τῇ ἐρήμῳ, ὅπως κακώσῃ σε<lb/> καὶ <hi rendition="#g">πειράσῃ</hi> σε, καὶ διαγνωσϑῇ τὰ ἐν τῇ καρδίᾳ σου,<lb/> εἰ φυλάξῃ τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ, ἢ οὔ</foreign>.</note>. Was aber sollte der<lb/> Messias in der Wüste thun? Daſs auch der zweite Retter,<lb/> wie Moses, der erste, als er in der Wüste auf dem Berg<lb/> Sinai war (2. Mos. 34, 28. 5. Mos. 9, 9.), die heilige Ascese<lb/> des Fastens über sich genommen haben werde, lag um so<lb/> näher, als dieſs die angemessenste Einleitung zu der ersten,<lb/> sich an den Hunger knüpfenden Versuchung geben konnte.<lb/> Durch das Vorbild des Moses, zu welchem hier noch das<lb/> des Elias (1. Kön. 19, 8.) kam, war auch die Zeitdauer<lb/> dieses Fastens in der Wüste bestimmt, denn auch sie hat-<lb/> ten 40 Tage gefastet, wie denn die Vierzig auch sonst im<lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="7)"><foreign xml:lang="lat">mundo perdam, quam aliquam animam generationis Messiae<lb/> perdi permittam</foreign>. Diese Stelle beweist wenigstens, dass eine<lb/> vom Teufel gegen den Messias zu unternehmende Versuchung<lb/> dem jüdischen Vorstellungskreise nicht fremd war. Liess der<lb/> Urheber der angeführten Stelle dem Satan, wie es scheint,<lb/> sein Gesuch abgeschlagen werden, so werden es Andere, da<lb/> die Vorstellung einmal angeregt war, gewiss haben in Erfül-<lb/> lung gehen lassen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [422/0446]
Zweiter Abschnitt.
welcher der Satan muthmaſslich eine solche Versuchung mit
dem Messias vornehmen werde, so lag es am nächsten, die-
sen, als einen andern Herkules am Scheidewege, beim Ein-
tritt in das reife Alter und in das messianische Amt eine
solche Probe bestehen zu lassen; handelte es sich um den
Ort, so bot sich von mehr als Einer Seite die Wüste dar.
Nicht nur ist sie von Asasel (3 Mos. 16, 8. 10.) und As-
modi (Tob. 8, 3.) bis zu den von Jesu ausgetriebenen Dä-
monen herunter (Matth. 12, 43.) der schauderhafte Wohn-
plaz der höllischen Mächte: sondern die Wüste war auch
das Lokal, in welchem das Volk Israël, dieser filius Dei
collectivus, versucht worden war 8). Was aber sollte der
Messias in der Wüste thun? Daſs auch der zweite Retter,
wie Moses, der erste, als er in der Wüste auf dem Berg
Sinai war (2. Mos. 34, 28. 5. Mos. 9, 9.), die heilige Ascese
des Fastens über sich genommen haben werde, lag um so
näher, als dieſs die angemessenste Einleitung zu der ersten,
sich an den Hunger knüpfenden Versuchung geben konnte.
Durch das Vorbild des Moses, zu welchem hier noch das
des Elias (1. Kön. 19, 8.) kam, war auch die Zeitdauer
dieses Fastens in der Wüste bestimmt, denn auch sie hat-
ten 40 Tage gefastet, wie denn die Vierzig auch sonst im
7)
8) 5. Mos. 8, 2. (LXX) wird das Volk so angeredet: μνησϑή-
σῃ πᾶσαν τὴν ὁδὸν, ἣν ηγαγέ οε Κύριος ὁ ϑεός σου
τοῦτο τεσσαρακοςὸν ἒτος ἐν τῇ ἐρήμῳ, ὅπως κακώσῃ σε
καὶ πειράσῃ σε, καὶ διαγνωσϑῇ τὰ ἐν τῇ καρδίᾳ σου,
εἰ φυλάξῃ τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ, ἢ οὔ.
7) mundo perdam, quam aliquam animam generationis Messiae
perdi permittam. Diese Stelle beweist wenigstens, dass eine
vom Teufel gegen den Messias zu unternehmende Versuchung
dem jüdischen Vorstellungskreise nicht fremd war. Liess der
Urheber der angeführten Stelle dem Satan, wie es scheint,
sein Gesuch abgeschlagen werden, so werden es Andere, da
die Vorstellung einmal angeregt war, gewiss haben in Erfül-
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