men, ist es ja nach Ps. 15, 1 f. 24, 3 f. eigenthümlich, auf Jehova's heiligen Berg gehen und an seiner geweihten Stätte stehen zu dürfen: die Höhe des Tempels konnte da- her nach jener vermessenen Schlussweise als diejenige an- gesehen werden, von welcher der Messias unverlezt sich hinablassen könne.
Die dritte Versuchung, welche Jesus besteht, ist wie- derum eine der gefährlichsten von denen, welchen das Volk Israel unterlegen war, die zur Abgötterei, oder, was nach der späteren jüdischen Vorstellung dasselbe war (Ba- ruch 4, 7. 1. Kor. 10, 20.), zur Teufelsanbetung. Diese Versuchung führt auch der Apostel Paulus 1. Kor. 10, 7. unter den Vorbildern für die Christen auf, und in einer oben (Not. 6) angeführten rabbinischen Stelle wird sie dem Teufel als unmittelbarem Urheber zugeschrieben. Wie sollte nun der Messias zur Anbetung des Teufels versucht werden? Hier reichten sich die Vorstellungen vom Messias als demjenigen, welcher als König des jüdischen Volks zu- gleich zum Herrn der übrigen bestimmt war, und vom Sa- tan, als dem durch den Messias zu besiegenden Beherr- scher der Heidenwelt 14) die Hände. Die Weltherrschaft, welche der Messias nach der christianisirten Vorstellung der Zeit durch lange, zum Theil leidenvolle Mühe zu er- ringen hatte, bot ihm der Satan leichten Kaufes an, wenn er ihm den Zoll der Anbetung bringen wollte. Dieser Ver- suchung begegnet Jesus so, dass er die Maxime, Gott al- lein zu dienen, welche den Israeliten 5. Mos. 6, 13. mit Bezug auf ihren Fehltritt eingeschärft worden war, dem Satan entgegenhält, und ihm damit zugleich den Abschied giebt.
Was hierauf Matthäus und Markus als Schluss der Ver- suchungsgeschichte haben, dass Engel zu Jesu getreten
14)Bertholdt, Christolog. Judaeorum Jesu aetate, §. 36. not. 1. und 2. Fritzsche, Comm. in Matth. S. 169 f.
Zweites Kapitel. §. 52.
men, ist es ja nach Ps. 15, 1 f. 24, 3 f. eigenthümlich, auf Jehova's heiligen Berg gehen und an seiner geweihten Stätte stehen zu dürfen: die Höhe des Tempels konnte da- her nach jener vermessenen Schluſsweise als diejenige an- gesehen werden, von welcher der Messias unverlezt sich hinablassen könne.
Die dritte Versuchung, welche Jesus besteht, ist wie- derum eine der gefährlichsten von denen, welchen das Volk Israël unterlegen war, die zur Abgötterei, oder, was nach der späteren jüdischen Vorstellung dasselbe war (Ba- ruch 4, 7. 1. Kor. 10, 20.), zur Teufelsanbetung. Diese Versuchung führt auch der Apostel Paulus 1. Kor. 10, 7. unter den Vorbildern für die Christen auf, und in einer oben (Not. 6) angeführten rabbinischen Stelle wird sie dem Teufel als unmittelbarem Urheber zugeschrieben. Wie sollte nun der Messias zur Anbetung des Teufels versucht werden? Hier reichten sich die Vorstellungen vom Messias als demjenigen, welcher als König des jüdischen Volks zu- gleich zum Herrn der übrigen bestimmt war, und vom Sa- tan, als dem durch den Messias zu besiegenden Beherr- scher der Heidenwelt 14) die Hände. Die Weltherrschaft, welche der Messias nach der christianisirten Vorstellung der Zeit durch lange, zum Theil leidenvolle Mühe zu er- ringen hatte, bot ihm der Satan leichten Kaufes an, wenn er ihm den Zoll der Anbetung bringen wollte. Dieser Ver- suchung begegnet Jesus so, daſs er die Maxime, Gott al- lein zu dienen, welche den Israëliten 5. Mos. 6, 13. mit Bezug auf ihren Fehltritt eingeschärft worden war, dem Satan entgegenhält, und ihm damit zugleich den Abschied giebt.
Was hierauf Matthäus und Markus als Schluſs der Ver- suchungsgeschichte haben, daſs Engel zu Jesu getreten
14)Bertholdt, Christolog. Judaeorum Jesu aetate, §. 36. not. 1. und 2. Fritzsche, Comm. in Matth. S. 169 f.
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Zweites Kapitel. §. 52.
men, ist es ja nach Ps. 15, 1 f. 24, 3 f. eigenthümlich,
auf Jehova's heiligen Berg gehen und an seiner geweihten
Stätte stehen zu dürfen: die Höhe des Tempels konnte da-
her nach jener vermessenen Schluſsweise als diejenige an-
gesehen werden, von welcher der Messias unverlezt sich
hinablassen könne.
Die dritte Versuchung, welche Jesus besteht, ist wie-
derum eine der gefährlichsten von denen, welchen das
Volk Israël unterlegen war, die zur Abgötterei, oder, was
nach der späteren jüdischen Vorstellung dasselbe war (Ba-
ruch 4, 7. 1. Kor. 10, 20.), zur Teufelsanbetung. Diese
Versuchung führt auch der Apostel Paulus 1. Kor. 10, 7.
unter den Vorbildern für die Christen auf, und in einer
oben (Not. 6) angeführten rabbinischen Stelle wird sie
dem Teufel als unmittelbarem Urheber zugeschrieben. Wie
sollte nun der Messias zur Anbetung des Teufels versucht
werden? Hier reichten sich die Vorstellungen vom Messias
als demjenigen, welcher als König des jüdischen Volks zu-
gleich zum Herrn der übrigen bestimmt war, und vom Sa-
tan, als dem durch den Messias zu besiegenden Beherr-
scher der Heidenwelt 14) die Hände. Die Weltherrschaft,
welche der Messias nach der christianisirten Vorstellung
der Zeit durch lange, zum Theil leidenvolle Mühe zu er-
ringen hatte, bot ihm der Satan leichten Kaufes an, wenn
er ihm den Zoll der Anbetung bringen wollte. Dieser Ver-
suchung begegnet Jesus so, daſs er die Maxime, Gott al-
lein zu dienen, welche den Israëliten 5. Mos. 6, 13. mit
Bezug auf ihren Fehltritt eingeschärft worden war, dem
Satan entgegenhält, und ihm damit zugleich den Abschied
giebt.
Was hierauf Matthäus und Markus als Schluſs der Ver-
suchungsgeschichte haben, daſs Engel zu Jesu getreten
14) Bertholdt, Christolog. Judaeorum Jesu aetate, §. 36. not. 1.
und 2. Fritzsche, Comm. in Matth. S. 169 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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