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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Viertes Kapitel. §. 65.
risch sein. Unser Kanon entscheidet für das Leztere. Denn
dass, was später Praxis wurde, und bald als Hauptvor-
zug des Christenthums galt, seine Zugänglichkeit für alle
Völker und seine Gleichgültigkeit gegen peritome und akro-
b[usti]a, schon im Sinne Jesu gelegen hätte, das wäre das
Höhere und Herrlichere: wogegen, dass erst nach Jesu
Tod durch die allmähliche Entwicklung der Verhältnisse
das vom Stifter den Heiden nur sofern sie zuvor Juden
würden, zugedachte Reich diese Schranke durchbrochen
hat, der einfach natürliche und ebendarum wahrscheinli-
chere Gang der Sache ist 6).

§. 65.
Verhältniss des messianischen Plans Jesu zu den Samaritanern.
Sein Zusammentreffen mit der samaritanischen Frau.

Ähnlich verhält es sich mit der Stellung, welche Je-
sus sich und seinen Jüngern zu den Bewohnern Samariens
gegeben hat. Während er nämlich in der Instruktions-
rede Matth. 10, 5. seinen Jüngern das Besuchen einer
polis Samareiton eben so sehr wie das Betreten der odos
ethnon untersagt: lesen wir bei Johannes (K. 4.), dass Je-
sus selbst auf der Durchreise durch Samarien mit vielem
Erfolge als Messias gewirkt, und zu dem Ende sich zwei
Tage in einer samarischen Stadt aufgehalten, und in der
Apostelgeschichte, (1, 8.), dass er vor seiner Himmelfahrt
den Jüngern aufgetragen habe, seine Zeugen nicht blos
en Ierousalem kai en pase te Ioudaia, sondern auch in te
Samareia zu sein. Dass Jesus nicht, wie es nach jenem
Verbote scheinen könnte, Samarien gänzlich gemieden habe,
sieht man aus Luc. 9, 52. (vrgl. 17, 11.), wo seine Jünger
in einer [k]o[m]e Samareiton für ihn Quartier bestellen wol-
len, wie denn auch nach Josephus der gewöhnliche Weg
der zu den Festen reisenden Galiläer durch Samarien

6) S. Paulus, Comm. 4, S. 512 f.

Viertes Kapitel. §. 65.
risch sein. Unser Kanon entscheidet für das Leztere. Denn
daſs, was später Praxis wurde, und bald als Hauptvor-
zug des Christenthums galt, seine Zugänglichkeit für alle
Völker und seine Gleichgültigkeit gegen περιτομὴ und ἀκρο-
β[ύστι]α, schon im Sinne Jesu gelegen hätte, das wäre das
Höhere und Herrlichere: wogegen, daſs erst nach Jesu
Tod durch die allmähliche Entwicklung der Verhältnisse
das vom Stifter den Heiden nur sofern sie zuvor Juden
würden, zugedachte Reich diese Schranke durchbrochen
hat, der einfach natürliche und ebendarum wahrscheinli-
chere Gang der Sache ist 6).

§. 65.
Verhältniss des messianischen Plans Jesu zu den Samaritanern.
Sein Zusammentreffen mit der samaritanischen Frau.

Ähnlich verhält es sich mit der Stellung, welche Je-
sus sich und seinen Jüngern zu den Bewohnern Samariens
gegeben hat. Während er nämlich in der Instruktions-
rede Matth. 10, 5. seinen Jüngern das Besuchen einer
πόλις Σαμαρειτῶν eben so sehr wie das Betreten der ὁδὸς
ἐϑνῶν untersagt: lesen wir bei Johannes (K. 4.), daſs Je-
sus selbst auf der Durchreise durch Samarien mit vielem
Erfolge als Messias gewirkt, und zu dem Ende sich zwei
Tage in einer samarischen Stadt aufgehalten, und in der
Apostelgeschichte, (1, 8.), daſs er vor seiner Himmelfahrt
den Jüngern aufgetragen habe, seine Zeugen nicht blos
ἐν Ἱερουσαλημ καὶ ἐν πάσῃ τῇ Ἰουδαίᾳ, sondern auch ἰν τῇ
Σαμαρείᾳ zu sein. Daſs Jesus nicht, wie es nach jenem
Verbote scheinen könnte, Samarien gänzlich gemieden habe,
sieht man aus Luc. 9, 52. (vrgl. 17, 11.), wo seine Jünger
in einer [κ]ώ[μ]η Σαμαρειτῶν für ihn Quartier bestellen wol-
len, wie denn auch nach Josephus der gewöhnliche Weg
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6) S. Paulus, Comm. 4, S. 512 f.
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[507/0531] Viertes Kapitel. §. 65. risch sein. Unser Kanon entscheidet für das Leztere. Denn daſs, was später Praxis wurde, und bald als Hauptvor- zug des Christenthums galt, seine Zugänglichkeit für alle Völker und seine Gleichgültigkeit gegen περιτομὴ und ἀκρο- βύστια, schon im Sinne Jesu gelegen hätte, das wäre das Höhere und Herrlichere: wogegen, daſs erst nach Jesu Tod durch die allmähliche Entwicklung der Verhältnisse das vom Stifter den Heiden nur sofern sie zuvor Juden würden, zugedachte Reich diese Schranke durchbrochen hat, der einfach natürliche und ebendarum wahrscheinli- chere Gang der Sache ist 6). §. 65. Verhältniss des messianischen Plans Jesu zu den Samaritanern. Sein Zusammentreffen mit der samaritanischen Frau. Ähnlich verhält es sich mit der Stellung, welche Je- sus sich und seinen Jüngern zu den Bewohnern Samariens gegeben hat. Während er nämlich in der Instruktions- rede Matth. 10, 5. seinen Jüngern das Besuchen einer πόλις Σαμαρειτῶν eben so sehr wie das Betreten der ὁδὸς ἐϑνῶν untersagt: lesen wir bei Johannes (K. 4.), daſs Je- sus selbst auf der Durchreise durch Samarien mit vielem Erfolge als Messias gewirkt, und zu dem Ende sich zwei Tage in einer samarischen Stadt aufgehalten, und in der Apostelgeschichte, (1, 8.), daſs er vor seiner Himmelfahrt den Jüngern aufgetragen habe, seine Zeugen nicht blos ἐν Ἱερουσαλημ καὶ ἐν πάσῃ τῇ Ἰουδαίᾳ, sondern auch ἰν τῇ Σαμαρείᾳ zu sein. Daſs Jesus nicht, wie es nach jenem Verbote scheinen könnte, Samarien gänzlich gemieden habe, sieht man aus Luc. 9, 52. (vrgl. 17, 11.), wo seine Jünger in einer κώμη Σαμαρειτῶν für ihn Quartier bestellen wol- len, wie denn auch nach Josephus der gewöhnliche Weg der zu den Festen reisenden Galiläer durch Samarien 6) S. Paulus, Comm. 4, S. 512 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/531>, abgerufen am 22.11.2024.