Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiter Abschnitt.
auch der abschliessende (A. G. 1, 13. wo er fehlt, abge-
rechnet,) durchweg dieselben, die übrigen, doch innerhalb
derselben Tetraden, verschieden geordnet sind, in der
lezten aber selbst eine Namens- oder Personendifferenz
sich findet.

Voran der ersten Tetrade und dem ganzen Kataloge
steht in allen Verzeichnissen, und zwar im ersten mit dem
Beisaz: protos, Simon Petrus, Sohn von Jonas (Matth.
16, 17.), nach dem vierten Evangelium von Bethsaida (1, 45.),
nach den synoptischen in Kapernaum ansässig, (Matth. 8,
14 parall.) 1). Hier klingt bei protestantischen Auslegern
noch die alte Polemik nach, wenn sie diese Stellung ent-
weder für blossen Zufall ausgeben 2), wogegen die Über-
einstimmung aller vier, sonst in der Anordnung variirenden
Verzeichnisse in der Stellung des Petrus ist; oder sie
daraus erklären, dass Petrus zuerst berufen worden sei 3),
was nach dem vierten Evangelium nicht einmal richtig
wäre. Dass dieses durchgängige Voranstellen einen gewis-
sen Vorrang des Petrus unter den Zwölfen bedeute, wird
auch aus seiner sonstigen Erscheinung in der evangeli-
schen Geschichte offenbar. Mit dem Feuer seines Wesens
ist er überall den andern voran, sowohl wo es zu spre-
chen (Matth. 16, 20. Joh. 6, 68 u. s.), als wo es zu han-
deln gilt (Matth. 14, 28. Joh. 18, 10.), und wenn diess
zwar nicht selten ein verfehltes Reden und Thun ist, und
der eben gezeigte Muth ihm oft schnell wieder verfliegt,
wie seine Verläugnung zeigt, so ist doch nach der synop-
tischen Darstellung er auch der Erste, welcher die Mes-
sianität Jesu ausspricht (Matth. 16, 16 parall.). Von den
bei dieser Gelegenheit ihm ertheilten Lobsprüchen und

1) Wenn e polis Andreou kai Petrou Joh. 1, 45. dasselbe be-
deutet, wie e idia polis Matth. 9, 1.: so findet hier ein
Widerspruch zwischen Johannes und den Synoptikern statt.
2) Fritzsche, in Matth. p. 358.
3) s. dens. ebendas.

Zweiter Abschnitt.
auch der abschlieſsende (A. G. 1, 13. wo er fehlt, abge-
rechnet,) durchweg dieselben, die übrigen, doch innerhalb
derselben Tetraden, verschieden geordnet sind, in der
lezten aber selbst eine Namens- oder Personendifferenz
sich findet.

Voran der ersten Tetrade und dem ganzen Kataloge
steht in allen Verzeichnissen, und zwar im ersten mit dem
Beisaz: πρῶτος, Simon Petrus, Sohn von Jonas (Matth.
16, 17.), nach dem vierten Evangelium von Bethsaida (1, 45.),
nach den synoptischen in Kapernaum ansäſsig, (Matth. 8,
14 parall.) 1). Hier klingt bei protestantischen Auslegern
noch die alte Polemik nach, wenn sie diese Stellung ent-
weder für bloſsen Zufall ausgeben 2), wogegen die Über-
einstimmung aller vier, sonst in der Anordnung variirenden
Verzeichnisse in der Stellung des Petrus ist; oder sie
daraus erklären, daſs Petrus zuerst berufen worden sei 3),
was nach dem vierten Evangelium nicht einmal richtig
wäre. Daſs dieses durchgängige Voranstellen einen gewis-
sen Vorrang des Petrus unter den Zwölfen bedeute, wird
auch aus seiner sonstigen Erscheinung in der evangeli-
schen Geschichte offenbar. Mit dem Feuer seines Wesens
ist er überall den andern voran, sowohl wo es zu spre-
chen (Matth. 16, 20. Joh. 6, 68 u. s.), als wo es zu han-
deln gilt (Matth. 14, 28. Joh. 18, 10.), und wenn dieſs
zwar nicht selten ein verfehltes Reden und Thun ist, und
der eben gezeigte Muth ihm oft schnell wieder verfliegt,
wie seine Verläugnung zeigt, so ist doch nach der synop-
tischen Darstellung er auch der Erste, welcher die Mes-
sianität Jesu ausspricht (Matth. 16, 16 parall.). Von den
bei dieser Gelegenheit ihm ertheilten Lobsprüchen und

1) Wenn ἡ πόλις Ἀνδρέου καὶ Πέτρου Joh. 1, 45. dasselbe be-
deutet, wie ἡ ἰδία πόλις Matth. 9, 1.: so findet hier ein
Widerspruch zwischen Johannes und den Synoptikern statt.
2) Fritzsche, in Matth. p. 358.
3) s. dens. ebendas.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0578" n="554"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
auch der abschlie&#x017F;sende (A. G. 1, 13. wo er fehlt, abge-<lb/>
rechnet,) durchweg dieselben, die übrigen, doch innerhalb<lb/>
derselben Tetraden, verschieden geordnet sind, in der<lb/>
lezten aber selbst eine Namens- oder Personendifferenz<lb/>
sich findet.</p><lb/>
            <p>Voran der ersten Tetrade und dem ganzen Kataloge<lb/>
steht in allen Verzeichnissen, und zwar im ersten mit dem<lb/>
Beisaz: <foreign xml:lang="ell">&#x03C0;&#x03C1;&#x1FF6;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2;</foreign>, Simon Petrus, Sohn von Jonas (Matth.<lb/>
16, 17.), nach dem vierten Evangelium von Bethsaida (1, 45.),<lb/>
nach den synoptischen in Kapernaum ansä&#x017F;sig, (Matth. 8,<lb/>
14 parall.) <note place="foot" n="1)">Wenn <foreign xml:lang="ell">&#x1F21; &#x03C0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C2; &#x1F08;&#x03BD;&#x03B4;&#x03C1;&#x03AD;&#x03BF;&#x03C5; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03A0;&#x03AD;&#x03C4;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C5;</foreign> Joh. 1, 45. dasselbe be-<lb/>
deutet, wie <foreign xml:lang="ell">&#x1F21; &#x1F30;&#x03B4;&#x03AF;&#x03B1; &#x03C0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C2;</foreign> Matth. 9, 1.: so findet hier ein<lb/>
Widerspruch zwischen Johannes und den Synoptikern statt.</note>. Hier klingt bei protestantischen Auslegern<lb/>
noch die alte Polemik nach, wenn sie diese Stellung ent-<lb/>
weder für blo&#x017F;sen Zufall ausgeben <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#k">Fritzsche</hi>, in Matth. p. 358.</note>, wogegen die Über-<lb/>
einstimmung aller vier, sonst in der Anordnung variirenden<lb/>
Verzeichnisse in der Stellung des Petrus ist; oder sie<lb/>
daraus erklären, da&#x017F;s Petrus zuerst berufen worden sei <note place="foot" n="3)">s. dens. ebendas.</note>,<lb/>
was nach dem vierten Evangelium nicht einmal richtig<lb/>
wäre. Da&#x017F;s dieses durchgängige Voranstellen einen gewis-<lb/>
sen Vorrang des Petrus unter den Zwölfen bedeute, wird<lb/>
auch aus seiner sonstigen Erscheinung in der evangeli-<lb/>
schen Geschichte offenbar. Mit dem Feuer seines Wesens<lb/>
ist er überall den andern voran, sowohl wo es zu spre-<lb/>
chen (Matth. 16, 20. Joh. 6, 68 u. s.), als wo es zu han-<lb/>
deln gilt (Matth. 14, 28. Joh. 18, 10.), und wenn die&#x017F;s<lb/>
zwar nicht selten ein verfehltes Reden und Thun ist, und<lb/>
der eben gezeigte Muth ihm oft schnell wieder verfliegt,<lb/>
wie seine Verläugnung zeigt, so ist doch nach der synop-<lb/>
tischen Darstellung er auch der Erste, welcher die Mes-<lb/>
sianität Jesu ausspricht (Matth. 16, 16 parall.). Von den<lb/>
bei dieser Gelegenheit ihm ertheilten Lobsprüchen und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[554/0578] Zweiter Abschnitt. auch der abschlieſsende (A. G. 1, 13. wo er fehlt, abge- rechnet,) durchweg dieselben, die übrigen, doch innerhalb derselben Tetraden, verschieden geordnet sind, in der lezten aber selbst eine Namens- oder Personendifferenz sich findet. Voran der ersten Tetrade und dem ganzen Kataloge steht in allen Verzeichnissen, und zwar im ersten mit dem Beisaz: πρῶτος, Simon Petrus, Sohn von Jonas (Matth. 16, 17.), nach dem vierten Evangelium von Bethsaida (1, 45.), nach den synoptischen in Kapernaum ansäſsig, (Matth. 8, 14 parall.) 1). Hier klingt bei protestantischen Auslegern noch die alte Polemik nach, wenn sie diese Stellung ent- weder für bloſsen Zufall ausgeben 2), wogegen die Über- einstimmung aller vier, sonst in der Anordnung variirenden Verzeichnisse in der Stellung des Petrus ist; oder sie daraus erklären, daſs Petrus zuerst berufen worden sei 3), was nach dem vierten Evangelium nicht einmal richtig wäre. Daſs dieses durchgängige Voranstellen einen gewis- sen Vorrang des Petrus unter den Zwölfen bedeute, wird auch aus seiner sonstigen Erscheinung in der evangeli- schen Geschichte offenbar. Mit dem Feuer seines Wesens ist er überall den andern voran, sowohl wo es zu spre- chen (Matth. 16, 20. Joh. 6, 68 u. s.), als wo es zu han- deln gilt (Matth. 14, 28. Joh. 18, 10.), und wenn dieſs zwar nicht selten ein verfehltes Reden und Thun ist, und der eben gezeigte Muth ihm oft schnell wieder verfliegt, wie seine Verläugnung zeigt, so ist doch nach der synop- tischen Darstellung er auch der Erste, welcher die Mes- sianität Jesu ausspricht (Matth. 16, 16 parall.). Von den bei dieser Gelegenheit ihm ertheilten Lobsprüchen und 1) Wenn ἡ πόλις Ἀνδρέου καὶ Πέτρου Joh. 1, 45. dasselbe be- deutet, wie ἡ ἰδία πόλις Matth. 9, 1.: so findet hier ein Widerspruch zwischen Johannes und den Synoptikern statt. 2) Fritzsche, in Matth. p. 358. 3) s. dens. ebendas.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/578
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/578>, abgerufen am 21.11.2024.