Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Sechstes Kapitel. §. 74. zuvor die Parabel von den rebellischen Weingärtnern mit-getheilt, und von daher schwebte ihm noch die Art vor, wie diese den von ihrem Herrn ihnen zugeschickten Bo- ten begegnet waren, indem sie labontes tous doulous autou on men edeiran, on de apekteinan, on de elithobolesan, und diess trug er auch in die gegenwärtige Parabel über in den Worten: kratesantes tous doulous autou ubrioan kai apekteinan, übersah aber, dass, was dort, als Verfahren gegen Diener, die mit Forderungen und auf Execution kamen, wohl motivirt war, hier völlig unmotivirt erschien. Dass hierauf der König, nicht zufrieden, sie von seinem Mahle auszuschliessen, die Mörder durch seine Heere töd- ten und ihre Stadt anzünden lässt, folgt zwar aus dem vorangegangenen Zug nothwendig, scheint aber, wie die- ser, aus einer Parabel genommen zu sein, welche das Verhältniss zwischen dem Herrn und den Andern nicht in der milderen Form einer ausgeschlagenen Einladung, son- dern in der härteren einer Empörung fasste, wie das Gleichniss von den Weingärtnern und das von den rebel- lischen Bürgern, welches wir oben aus dem von den Mi- nen ausgeschieden haben. Noch bestimmter aber weigert sich der lezte Zug unsrer Parabel bei Matthäus, der mit dem hochzeitlichen Kleide, im Zusammenhang mit dem Übrigen ursprünglich gesprochen worden zu sein. Hatte nämlich der König so eben alle nur immer Aufzutreiben- de, ponerous te kai agathous, zum Mahle führen lassen: so konnte er sich nicht verwundern, dass nicht Alle hoch- zeitlich aufgeschmückt waren. Denn dass die von der Strasse weg Geholten vorher hätten nach Hause gehen sollen, um sich zu waschen und besser anzuziehen 32), ist ebenso in den Text hineingetragen, als dass nach der Sitte morgenländischer Herrscher der König den Geladenen je- dem einen Kaftan habe austheilen lassen, dessen Nichtge- 32) Fritzsche, S. 656. 39*
Sechstes Kapitel. §. 74. zuvor die Parabel von den rebellischen Weingärtnern mit-getheilt, und von daher schwebte ihm noch die Art vor, wie diese den von ihrem Herrn ihnen zugeschickten Bo- ten begegnet waren, indem sie λαβόντες τους δούλους αὐτοῦ ὃν μὲν ἔδειραν, ὃν δὲ ἀπέκτειναν, ὃν δὲ ἐλιϑοβόλησαν, und dieſs trug er auch in die gegenwärtige Parabel über in den Worten: κρατήσαντες τοὺς δούλους αὐτοῦ ύβριοαν καὶ ἀπέκτειναν, übersah aber, daſs, was dort, als Verfahren gegen Diener, die mit Forderungen und auf Execution kamen, wohl motivirt war, hier völlig unmotivirt erschien. Daſs hierauf der König, nicht zufrieden, sie von seinem Mahle auszuschlieſsen, die Mörder durch seine Heere töd- ten und ihre Stadt anzünden läſst, folgt zwar aus dem vorangegangenen Zug nothwendig, scheint aber, wie die- ser, aus einer Parabel genommen zu sein, welche das Verhältniſs zwischen dem Herrn und den Andern nicht in der milderen Form einer ausgeschlagenen Einladung, son- dern in der härteren einer Empörung faſste, wie das Gleichniſs von den Weingärtnern und das von den rebel- lischen Bürgern, welches wir oben aus dem von den Mi- nen ausgeschieden haben. Noch bestimmter aber weigert sich der lezte Zug unsrer Parabel bei Matthäus, der mit dem hochzeitlichen Kleide, im Zusammenhang mit dem Übrigen ursprünglich gesprochen worden zu sein. Hatte nämlich der König so eben alle nur immer Aufzutreiben- de, πονηρούς τε καὶ ἀγαϑοὺς, zum Mahle führen lassen: so konnte er sich nicht verwundern, daſs nicht Alle hoch- zeitlich aufgeschmückt waren. Denn daſs die von der Straſse weg Geholten vorher hätten nach Hause gehen sollen, um sich zu waschen und besser anzuziehen 32), ist ebenso in den Text hineingetragen, als daſs nach der Sitte morgenländischer Herrscher der König den Geladenen je- dem einen Kaftan habe austheilen lassen, dessen Nichtge- 32) Fritzsche, S. 656. 39*
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Sechstes Kapitel. §. 74.
zuvor die Parabel von den rebellischen Weingärtnern mit-
getheilt, und von daher schwebte ihm noch die Art vor,
wie diese den von ihrem Herrn ihnen zugeschickten Bo-
ten begegnet waren, indem sie λαβόντες τους δούλους αὐτοῦ
ὃν μὲν ἔδειραν, ὃν δὲ ἀπέκτειναν, ὃν δὲ ἐλιϑοβόλησαν, und
dieſs trug er auch in die gegenwärtige Parabel über in
den Worten: κρατήσαντες τοὺς δούλους αὐτοῦ ύβριοαν καὶ
ἀπέκτειναν, übersah aber, daſs, was dort, als Verfahren
gegen Diener, die mit Forderungen und auf Execution
kamen, wohl motivirt war, hier völlig unmotivirt erschien.
Daſs hierauf der König, nicht zufrieden, sie von seinem
Mahle auszuschlieſsen, die Mörder durch seine Heere töd-
ten und ihre Stadt anzünden läſst, folgt zwar aus dem
vorangegangenen Zug nothwendig, scheint aber, wie die-
ser, aus einer Parabel genommen zu sein, welche das
Verhältniſs zwischen dem Herrn und den Andern nicht in
der milderen Form einer ausgeschlagenen Einladung, son-
dern in der härteren einer Empörung faſste, wie das
Gleichniſs von den Weingärtnern und das von den rebel-
lischen Bürgern, welches wir oben aus dem von den Mi-
nen ausgeschieden haben. Noch bestimmter aber weigert
sich der lezte Zug unsrer Parabel bei Matthäus, der mit
dem hochzeitlichen Kleide, im Zusammenhang mit dem
Übrigen ursprünglich gesprochen worden zu sein. Hatte
nämlich der König so eben alle nur immer Aufzutreiben-
de, πονηρούς τε καὶ ἀγαϑοὺς, zum Mahle führen lassen:
so konnte er sich nicht verwundern, daſs nicht Alle hoch-
zeitlich aufgeschmückt waren. Denn daſs die von der
Straſse weg Geholten vorher hätten nach Hause gehen
sollen, um sich zu waschen und besser anzuziehen 32), ist
ebenso in den Text hineingetragen, als daſs nach der Sitte
morgenländischer Herrscher der König den Geladenen je-
dem einen Kaftan habe austheilen lassen, dessen Nichtge-
32) Fritzsche, S. 656.
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