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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
46. Marc. 12, 12. Luc. 20, 19.). Folgte somit der vierte
Evangelist seinem dogmatischen Interesse so weit, dass er
dem für Jesum unschädlichen Ausgang jener früheren Nach-
stellungen und Angriffe willkührlich einen Grund unter-
schob, wie er ihm eben passte: wer bürgt uns dann dafür,
dass er nicht auch -- so wie wir ihn bereits kennen --
jenem Interesse zulieb ganze Scenen der Art frei arrangirt
hat? Nicht als ob es unwahrscheinlich wäre, dass der
lezten Katastrophe des Schicksals Jesu manche vergebliche
Anschläge und Angriffe seiner Feinde vorangegangen seien:
nur das können wir nicht wissen, ob diese Auftritte gera-
de diejenigen und so beschaffen waren, wie das johannei-
sche Evangelium uns berichtet.

§. 81.
Einzelne Anekdotengruppen. Beschuldigung eines Bundes mit
Beelzebul und Zeichenforderung.

Unsrer kritischen Absicht zufolge werden uns hier
nur solche Erzählungen interessiren, bei welchen der Ein-
fluss der Sage sich nachweisen lässt, und da dieser sich
vornehmlich auch darin zeigt, dass eine Erzählung durch
die andre alterirt, oder gar die eine in der andern bloss
variirt ist, so werden wir, zumal uns die Chronologie ih-
re Dienste versagt hat, die in Betracht kommenden Anekdo-
ten nach ihrer Verwandtschaft zusammenstellen.

So, um bei dem Einfacheren zu beginnen, hat schon
Schulz darüber sich beschwert, dass Matthäus von zwei
Fällen erzähle, in welchen Jesu ein Bündniss mit Beelze-
bul vorgeworfen, und ein Zeichen von ihm verlangt wor-
den sei, was beides Markus und Lukas nur je Einmal ge-
schehen lassen 1). Was jenen Vorwurf betrifft, so hat das
erstemal (Matth. 9, 32 ff.) Jesus einen Dämonischstummen
geheilt: darüber verwundert sich das Volk, die Pharisäer

1) a. a. O. S. 311.

Zweiter Abschnitt.
46. Marc. 12, 12. Luc. 20, 19.). Folgte somit der vierte
Evangelist seinem dogmatischen Interesse so weit, daſs er
dem für Jesum unschädlichen Ausgang jener früheren Nach-
stellungen und Angriffe willkührlich einen Grund unter-
schob, wie er ihm eben paſste: wer bürgt uns dann dafür,
daſs er nicht auch — so wie wir ihn bereits kennen —
jenem Interesse zulieb ganze Scenen der Art frei arrangirt
hat? Nicht als ob es unwahrscheinlich wäre, daſs der
lezten Katastrophe des Schicksals Jesu manche vergebliche
Anschläge und Angriffe seiner Feinde vorangegangen seien:
nur das können wir nicht wissen, ob diese Auftritte gera-
de diejenigen und so beschaffen waren, wie das johannei-
sche Evangelium uns berichtet.

§. 81.
Einzelne Anekdotengruppen. Beschuldigung eines Bundes mit
Beelzebul und Zeichenforderung.

Unsrer kritischen Absicht zufolge werden uns hier
nur solche Erzählungen interessiren, bei welchen der Ein-
fluſs der Sage sich nachweisen läſst, und da dieser sich
vornehmlich auch darin zeigt, daſs eine Erzählung durch
die andre alterirt, oder gar die eine in der andern bloſs
variirt ist, so werden wir, zumal uns die Chronologie ih-
re Dienste versagt hat, die in Betracht kommenden Anekdo-
ten nach ihrer Verwandtschaft zusammenstellen.

So, um bei dem Einfacheren zu beginnen, hat schon
Schulz darüber sich beschwert, daſs Matthäus von zwei
Fällen erzähle, in welchen Jesu ein Bündniſs mit Beelze-
bul vorgeworfen, und ein Zeichen von ihm verlangt wor-
den sei, was beides Markus und Lukas nur je Einmal ge-
schehen lassen 1). Was jenen Vorwurf betrifft, so hat das
erstemal (Matth. 9, 32 ff.) Jesus einen Dämonischstummen
geheilt: darüber verwundert sich das Volk, die Pharisäer

1) a. a. O. S. 311.
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[686/0710] Zweiter Abschnitt. 46. Marc. 12, 12. Luc. 20, 19.). Folgte somit der vierte Evangelist seinem dogmatischen Interesse so weit, daſs er dem für Jesum unschädlichen Ausgang jener früheren Nach- stellungen und Angriffe willkührlich einen Grund unter- schob, wie er ihm eben paſste: wer bürgt uns dann dafür, daſs er nicht auch — so wie wir ihn bereits kennen — jenem Interesse zulieb ganze Scenen der Art frei arrangirt hat? Nicht als ob es unwahrscheinlich wäre, daſs der lezten Katastrophe des Schicksals Jesu manche vergebliche Anschläge und Angriffe seiner Feinde vorangegangen seien: nur das können wir nicht wissen, ob diese Auftritte gera- de diejenigen und so beschaffen waren, wie das johannei- sche Evangelium uns berichtet. §. 81. Einzelne Anekdotengruppen. Beschuldigung eines Bundes mit Beelzebul und Zeichenforderung. Unsrer kritischen Absicht zufolge werden uns hier nur solche Erzählungen interessiren, bei welchen der Ein- fluſs der Sage sich nachweisen läſst, und da dieser sich vornehmlich auch darin zeigt, daſs eine Erzählung durch die andre alterirt, oder gar die eine in der andern bloſs variirt ist, so werden wir, zumal uns die Chronologie ih- re Dienste versagt hat, die in Betracht kommenden Anekdo- ten nach ihrer Verwandtschaft zusammenstellen. So, um bei dem Einfacheren zu beginnen, hat schon Schulz darüber sich beschwert, daſs Matthäus von zwei Fällen erzähle, in welchen Jesu ein Bündniſs mit Beelze- bul vorgeworfen, und ein Zeichen von ihm verlangt wor- den sei, was beides Markus und Lukas nur je Einmal ge- schehen lassen 1). Was jenen Vorwurf betrifft, so hat das erstemal (Matth. 9, 32 ff.) Jesus einen Dämonischstummen geheilt: darüber verwundert sich das Volk, die Pharisäer 1) a. a. O. S. 311.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/710>, abgerufen am 27.11.2024.