che dadurch in's Komische fällt, dass, da man nicht den- ken kann, wie die zu einer Fusssalbung sich anschickende Frau das Salbengefäss über das Haupt Jesu bringen konnte, man sich ein Aufwärtsspritzen der Salbe, wie eines schäu- menden Getränkes, vorstellen müsste. So dass auch hier der Widerspruch bleibt, und zwar nicht bloss zwischen Matthäus und Johannes, wo ihn auch Schneckenburger anerkennt, sondern auch Markus ist mit Johannes nicht zu vereinigen.
Am leichtesten glaubte man mit den beiden Abwei- chungen rücksichtlich der Person der salbenden Frau und ihres Tadlers fertig zu werden. Dass, was Johannes nur dem Einen Judas zuschreibt, Matthäus und Markus auf sämmtliche Jünger oder Anwesende übertragen, glaubte man einfach durch die Annahme zu erklären, während die übri- gen ihre Missbilligung nur durch Gebärden zu erkennen gaben, habe Judas den Sprecher gemacht 18). Allerdings nun muss das elegon, da ihm bei Markus aganaktountes pros eautous vorangeht, bei Matthäus gnous de o Iesous folgt, nicht nothwendig ein lautes Reden sämmtlicher Jünger be- zeichnen; da indess die zwei ersten Evangelisten unmit- telbar nach diesem Mahl den Verrath des Judas berichten, so hätten sie gewiss den Verräther auch dort schon nam- haft gemacht, wenn er sich ihres Wissens bei jenem hab- süchtigen Tadel besonders hervorgethan hätte. Dass aber Johannes die salbende Frau, deren Namen die Synoptiker nicht nennen, als die Maria von Bethanien bezeichnet, ist nach der gewöhnlichen Ansicht nur ein Beispiel, wie der
ist das ganz richtig bemerkt für die Handlung der Frau, nur nicht für die Erzählung des Markus. Denn dass diesem ein solches Zugrunderichten auch des köstlichen Gefässes zu der edeln Verschwendung der Frau mitzugehören schien, das ist ganz in seiner, uns längst bekannten, übertreibenden Art.
18)Kuinöl, in Matth. p. 689.
Achtes Kapitel. §. 85.
che dadurch in's Komische fällt, daſs, da man nicht den- ken kann, wie die zu einer Fuſssalbung sich anschickende Frau das Salbengefäſs über das Haupt Jesu bringen konnte, man sich ein Aufwärtsspritzen der Salbe, wie eines schäu- menden Getränkes, vorstellen müſste. So daſs auch hier der Widerspruch bleibt, und zwar nicht bloſs zwischen Matthäus und Johannes, wo ihn auch Schneckenburger anerkennt, sondern auch Markus ist mit Johannes nicht zu vereinigen.
Am leichtesten glaubte man mit den beiden Abwei- chungen rücksichtlich der Person der salbenden Frau und ihres Tadlers fertig zu werden. Daſs, was Johannes nur dem Einen Judas zuschreibt, Matthäus und Markus auf sämmtliche Jünger oder Anwesende übertragen, glaubte man einfach durch die Annahme zu erklären, während die übri- gen ihre Miſsbilligung nur durch Gebärden zu erkennen gaben, habe Judas den Sprecher gemacht 18). Allerdings nun muſs das ἔλεγον, da ihm bei Markus ἀγανακτοῦντες πρὸς ἑαυτοὺς vorangeht, bei Matthäus γνοὺς δὲ ὁ Ἰησοῦς folgt, nicht nothwendig ein lautes Reden sämmtlicher Jünger be- zeichnen; da indeſs die zwei ersten Evangelisten unmit- telbar nach diesem Mahl den Verrath des Judas berichten, so hätten sie gewiſs den Verräther auch dort schon nam- haft gemacht, wenn er sich ihres Wissens bei jenem hab- süchtigen Tadel besonders hervorgethan hätte. Daſs aber Johannes die salbende Frau, deren Namen die Synoptiker nicht nennen, als die Maria von Bethanien bezeichnet, ist nach der gewöhnlichen Ansicht nur ein Beispiel, wie der
ist das ganz richtig bemerkt für die Handlung der Frau, nur nicht für die Erzählung des Markus. Denn dass diesem ein solches Zugrunderichten auch des köstlichen Gefässes zu der edeln Verschwendung der Frau mitzugehören schien, das ist ganz in seiner, uns längst bekannten, übertreibenden Art.
18)Kuinöl, in Matth. p. 689.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0741"n="717"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Achtes Kapitel</hi>. §. 85.</fw><lb/>
che dadurch in's Komische fällt, daſs, da man nicht den-<lb/>
ken kann, wie die zu einer Fuſssalbung sich anschickende<lb/>
Frau das Salbengefäſs über das Haupt Jesu bringen konnte,<lb/>
man sich ein Aufwärtsspritzen der Salbe, wie eines schäu-<lb/>
menden Getränkes, vorstellen müſste. So daſs auch hier<lb/>
der Widerspruch bleibt, und zwar nicht bloſs zwischen<lb/>
Matthäus und Johannes, wo ihn auch <hirendition="#k">Schneckenburger</hi><lb/>
anerkennt, sondern auch Markus ist mit Johannes nicht<lb/>
zu vereinigen.</p><lb/><p>Am leichtesten glaubte man mit den beiden Abwei-<lb/>
chungen rücksichtlich der Person der salbenden Frau und<lb/>
ihres Tadlers fertig zu werden. Daſs, was Johannes nur<lb/>
dem Einen Judas zuschreibt, Matthäus und Markus auf<lb/>
sämmtliche Jünger oder Anwesende übertragen, glaubte man<lb/>
einfach durch die Annahme zu erklären, während die übri-<lb/>
gen ihre Miſsbilligung nur durch Gebärden zu erkennen<lb/>
gaben, habe Judas den Sprecher gemacht <noteplace="foot"n="18)"><hirendition="#k">Kuinöl</hi>, in Matth. p. 689.</note>. Allerdings<lb/>
nun muſs das <foreignxml:lang="ell">ἔλεγον</foreign>, da ihm bei Markus <foreignxml:lang="ell">ἀγανακτοῦντες<lb/>πρὸςἑαυτοὺς</foreign> vorangeht, bei Matthäus <foreignxml:lang="ell">γνοὺςδὲὁἸησοῦς</foreign> folgt,<lb/>
nicht nothwendig ein lautes Reden sämmtlicher Jünger be-<lb/>
zeichnen; da indeſs die zwei ersten Evangelisten unmit-<lb/>
telbar nach diesem Mahl den Verrath des Judas berichten,<lb/>
so hätten sie gewiſs den Verräther auch dort schon nam-<lb/>
haft gemacht, wenn er sich ihres Wissens bei jenem hab-<lb/>
süchtigen Tadel besonders hervorgethan hätte. Daſs aber<lb/>
Johannes die salbende Frau, deren Namen die Synoptiker<lb/>
nicht nennen, als die Maria von Bethanien bezeichnet, ist<lb/>
nach der gewöhnlichen Ansicht nur ein Beispiel, wie der<lb/><notexml:id="seg2pn_26_2"prev="#seg2pn_26_1"place="foot"n="17)">ist das ganz richtig bemerkt für die Handlung der Frau, nur<lb/>
nicht für die Erzählung des Markus. Denn dass diesem ein<lb/>
solches Zugrunderichten auch des köstlichen Gefässes zu der<lb/>
edeln Verschwendung der Frau mitzugehören schien, das ist<lb/>
ganz in seiner, uns längst bekannten, übertreibenden Art.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[717/0741]
Achtes Kapitel. §. 85.
che dadurch in's Komische fällt, daſs, da man nicht den-
ken kann, wie die zu einer Fuſssalbung sich anschickende
Frau das Salbengefäſs über das Haupt Jesu bringen konnte,
man sich ein Aufwärtsspritzen der Salbe, wie eines schäu-
menden Getränkes, vorstellen müſste. So daſs auch hier
der Widerspruch bleibt, und zwar nicht bloſs zwischen
Matthäus und Johannes, wo ihn auch Schneckenburger
anerkennt, sondern auch Markus ist mit Johannes nicht
zu vereinigen.
Am leichtesten glaubte man mit den beiden Abwei-
chungen rücksichtlich der Person der salbenden Frau und
ihres Tadlers fertig zu werden. Daſs, was Johannes nur
dem Einen Judas zuschreibt, Matthäus und Markus auf
sämmtliche Jünger oder Anwesende übertragen, glaubte man
einfach durch die Annahme zu erklären, während die übri-
gen ihre Miſsbilligung nur durch Gebärden zu erkennen
gaben, habe Judas den Sprecher gemacht 18). Allerdings
nun muſs das ἔλεγον, da ihm bei Markus ἀγανακτοῦντες
πρὸς ἑαυτοὺς vorangeht, bei Matthäus γνοὺς δὲ ὁ Ἰησοῦς folgt,
nicht nothwendig ein lautes Reden sämmtlicher Jünger be-
zeichnen; da indeſs die zwei ersten Evangelisten unmit-
telbar nach diesem Mahl den Verrath des Judas berichten,
so hätten sie gewiſs den Verräther auch dort schon nam-
haft gemacht, wenn er sich ihres Wissens bei jenem hab-
süchtigen Tadel besonders hervorgethan hätte. Daſs aber
Johannes die salbende Frau, deren Namen die Synoptiker
nicht nennen, als die Maria von Bethanien bezeichnet, ist
nach der gewöhnlichen Ansicht nur ein Beispiel, wie der
17)
18) Kuinöl, in Matth. p. 689.
17) ist das ganz richtig bemerkt für die Handlung der Frau, nur
nicht für die Erzählung des Markus. Denn dass diesem ein
solches Zugrunderichten auch des köstlichen Gefässes zu der
edeln Verschwendung der Frau mitzugehören schien, das ist
ganz in seiner, uns längst bekannten, übertreibenden Art.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/741>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.