ren Inhalt derselben vernichten, war diesen Orthodoxen noch lieber, als die mythische Auslegung. Das Schlech- teste von natürlicher Deutung ist doch gewiss jene Eich- horn'sche Ansicht von dem Baum der Erkenntniss als ei- nem Giftbaum, indem hier die Erzählung vom Sündenfall in dem Stande der tiefsten Erniedrigung und Entäusserung von ihrem absoluten Gehalte erscheint, wogegen desselben Gelehrten spätere mythische Erklärung der Erzählung ei- nen immerhin würdigen Gedankeninhalt in derselben fin- det 3). Dennoch erklärte sich Hess mit der ersteren Deu- tung weit mehr zufrieden, und nahm sie gegen die späte- re, mythische in Schutz 4): -- so gewiss ist es, dass ei- nem solchen Supranaturalismus nach der Weise der Kin- der die bunte historische Hülse, auch ausgeleert von jedem göttlichen Inhalte, doch immer noch weit lieber ist, als der reichste Inhalt, welchem man jenes farbige Gewand ausgezogen.
So unangenehm es aber den Orthodoxen war, durch die aufkommende mythische Erklärungsweise in ihrem hi- storischen Glauben gestört zu werden, so waren doch die Rationalisten nicht minder ungehalten, dass das kunstrei- che Gewebe ihres Pragmatismus durch dieselbe zerrissen und die Kunststücke ihres natürlichen Erklärens nun mit Einemmale für verlorene Mühe erklärt werden sollten. Nur ungern lässt Dr. Paulus die Ahnung an sich kommen, dass man in Bezug auf seinen Commentar vielleicht aus- rufen werde: wozu alle die Mühe, dergleichen Legenden historisch zu erklären? wie sonderbar, dass man Mythen wie Geschichte behandeln, wunderbare Dichtungen nach dem Causalgesez sich begreiflich machen will 5)! Der Quä- lerei seiner natürlichen Erklärungen gegenüber erscheint
3) s. o. §. 6.
4) Bibl. d. h. G. 2, S. 251 f.
5) Exegetisches Handbuch I, a, S. 1. 71.
Einleitung. §. 12.
ren Inhalt derselben vernichten, war diesen Orthodoxen noch lieber, als die mythische Auslegung. Das Schlech- teste von natürlicher Deutung ist doch gewiſs jene Eich- horn'sche Ansicht von dem Baum der Erkenntniſs als ei- nem Giftbaum, indem hier die Erzählung vom Sündenfall in dem Stande der tiefsten Erniedrigung und Entäusserung von ihrem absoluten Gehalte erscheint, wogegen desselben Gelehrten spätere mythische Erklärung der Erzählung ei- nen immerhin würdigen Gedankeninhalt in derselben fin- det 3). Dennoch erklärte sich Hess mit der ersteren Deu- tung weit mehr zufrieden, und nahm sie gegen die späte- re, mythische in Schutz 4): — so gewiſs ist es, daſs ei- nem solchen Supranaturalismus nach der Weise der Kin- der die bunte historische Hülse, auch ausgeleert von jedem göttlichen Inhalte, doch immer noch weit lieber ist, als der reichste Inhalt, welchem man jenes farbige Gewand ausgezogen.
So unangenehm es aber den Orthodoxen war, durch die aufkommende mythische Erklärungsweise in ihrem hi- storischen Glauben gestört zu werden, so waren doch die Rationalisten nicht minder ungehalten, daſs das kunstrei- che Gewebe ihres Pragmatismus durch dieselbe zerrissen und die Kunststücke ihres natürlichen Erklärens nun mit Einemmale für verlorene Mühe erklärt werden sollten. Nur ungern läſst Dr. Paulus die Ahnung an sich kommen, daſs man in Bezug auf seinen Commentar vielleicht aus- rufen werde: wozu alle die Mühe, dergleichen Legenden historisch zu erklären? wie sonderbar, daſs man Mythen wie Geschichte behandeln, wunderbare Dichtungen nach dem Causalgesez sich begreiflich machen will 5)! Der Quä- lerei seiner natürlichen Erklärungen gegenüber erscheint
3) s. o. §. 6.
4) Bibl. d. h. G. 2, S. 251 f.
5) Exegetisches Handbuch I, a, S. 1. 71.
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Einleitung. §. 12.
ren Inhalt derselben vernichten, war diesen Orthodoxen
noch lieber, als die mythische Auslegung. Das Schlech-
teste von natürlicher Deutung ist doch gewiſs jene Eich-
horn'sche Ansicht von dem Baum der Erkenntniſs als ei-
nem Giftbaum, indem hier die Erzählung vom Sündenfall
in dem Stande der tiefsten Erniedrigung und Entäusserung
von ihrem absoluten Gehalte erscheint, wogegen desselben
Gelehrten spätere mythische Erklärung der Erzählung ei-
nen immerhin würdigen Gedankeninhalt in derselben fin-
det 3). Dennoch erklärte sich Hess mit der ersteren Deu-
tung weit mehr zufrieden, und nahm sie gegen die späte-
re, mythische in Schutz 4): — so gewiſs ist es, daſs ei-
nem solchen Supranaturalismus nach der Weise der Kin-
der die bunte historische Hülse, auch ausgeleert von jedem
göttlichen Inhalte, doch immer noch weit lieber ist, als
der reichste Inhalt, welchem man jenes farbige Gewand
ausgezogen.
So unangenehm es aber den Orthodoxen war, durch
die aufkommende mythische Erklärungsweise in ihrem hi-
storischen Glauben gestört zu werden, so waren doch die
Rationalisten nicht minder ungehalten, daſs das kunstrei-
che Gewebe ihres Pragmatismus durch dieselbe zerrissen
und die Kunststücke ihres natürlichen Erklärens nun mit
Einemmale für verlorene Mühe erklärt werden sollten.
Nur ungern läſst Dr. Paulus die Ahnung an sich kommen,
daſs man in Bezug auf seinen Commentar vielleicht aus-
rufen werde: wozu alle die Mühe, dergleichen Legenden
historisch zu erklären? wie sonderbar, daſs man Mythen
wie Geschichte behandeln, wunderbare Dichtungen nach
dem Causalgesez sich begreiflich machen will 5)! Der Quä-
lerei seiner natürlichen Erklärungen gegenüber erscheint
3) s. o. §. 6.
4) Bibl. d. h. G. 2, S. 251 f.
5) Exegetisches Handbuch I, a, S. 1. 71.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/78>, abgerufen am 18.12.2024.
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