nicht umhin können, mit einem der neuesten Kritiker in dem sich muthig zum Gehen auf dem Meer anschickenden, bald jedoch kleinmüthig untersinkenden, aber von Jesu emporgehaltenen Petrus eine in der Sage gebildete allego- risch-mythische Darstellung jener Glaubensprobe zu fin- den, welche der so stark sich dünkende Jünger so schwach bestanden, und nur durch höheren Beistand glücklich über- standen hat 15).
Doch auch der Relation des vierten Evangeliums fehlt es nicht an einigen eigenthümlichen Zügen, die einen un- historischen Charakter verrathen. Von jeher hat es den Harmonisten Kreuz gemacht, dass nach Matthäus und Mar- kus das Schiff erst ungefähr in der Mitte des Sees sich befand, als Jesus demselben begegnete: nach Johannes aber bald vollends das jenseitige Ufer erreicht gehabt haben soll; dass nach jenen Jesus wirklich noch in das Schiff stieg, und darauf der Sturm sich legte: nach Johannes dagegen die Jünger ihn zwar in das Schiff nehmen wollten, die wirkliche Aufnahme aber durch das sogleich erfolgte An- landen überflüssig gemacht wurde. Zwar fand man auch hier Ausgleichungen in Menge: das zu labein gesezte ethe- lon sollte bald abundiren, bald, wie wenn es ethelontes elabon hiesse, die freudige Aufnahme bezeichnen, bald nur den ersten Eindruck beschreiben, welchen das Erkennen Jesu auf die Jünger gemacht habe, wobei die später wirk- lich erfolgte Aufnahme in das Schiff verschwiegen sei 16). Doch zu einer solchen Deutung liegt der einzige Anlass in der unbefugten Vergleichung der Synoptiker: in der Er- zählung des Johannes für sich liegt nicht nur kein Grund dafür, sondern ein entschiedener dagegen. Denn der hin- zugefügte Saz: eutheos to ploion egeneto epi tes ges, eis en upegon, wenn er auch nicht durch de, sondern durch
15)Schneckenburger, über den Ursprung u. s. f. S. 68 f.
16) s. bei Lücke und Tholuck.
Neuntes Kapitel. §. 97.
nicht umhin können, mit einem der neuesten Kritiker in dem sich muthig zum Gehen auf dem Meer anschickenden, bald jedoch kleinmüthig untersinkenden, aber von Jesu emporgehaltenen Petrus eine in der Sage gebildete allego- risch-mythische Darstellung jener Glaubensprobe zu fin- den, welche der so stark sich dünkende Jünger so schwach bestanden, und nur durch höheren Beistand glücklich über- standen hat 15).
Doch auch der Relation des vierten Evangeliums fehlt es nicht an einigen eigenthümlichen Zügen, die einen un- historischen Charakter verrathen. Von jeher hat es den Harmonisten Kreuz gemacht, daſs nach Matthäus und Mar- kus das Schiff erst ungefähr in der Mitte des Sees sich befand, als Jesus demselben begegnete: nach Johannes aber bald vollends das jenseitige Ufer erreicht gehabt haben soll; daſs nach jenen Jesus wirklich noch in das Schiff stieg, und darauf der Sturm sich legte: nach Johannes dagegen die Jünger ihn zwar in das Schiff nehmen wollten, die wirkliche Aufnahme aber durch das sogleich erfolgte An- landen überflüssig gemacht wurde. Zwar fand man auch hier Ausgleichungen in Menge: das zu λαβεῖν gesezte ἤϑε- λον sollte bald abundiren, bald, wie wenn es ἐϑέλοντες ἔλαβον hieſse, die freudige Aufnahme bezeichnen, bald nur den ersten Eindruck beschreiben, welchen das Erkennen Jesu auf die Jünger gemacht habe, wobei die später wirk- lich erfolgte Aufnahme in das Schiff verschwiegen sei 16). Doch zu einer solchen Deutung liegt der einzige Anlaſs in der unbefugten Vergleichung der Synoptiker: in der Er- zählung des Johannes für sich liegt nicht nur kein Grund dafür, sondern ein entschiedener dagegen. Denn der hin- zugefügte Saz: εὐϑέως τὸ πλοῖον ἐγένετο ἐπὶ τῆς γῆς, εἰς ἣν ὑπῆγον, wenn er auch nicht durch δὲ, sondern durch
15)Schneckenburger, über den Ursprung u. s. f. S. 68 f.
16) s. bei Lücke und Tholuck.
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Neuntes Kapitel. §. 97.
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dem sich muthig zum Gehen auf dem Meer anschickenden,
bald jedoch kleinmüthig untersinkenden, aber von Jesu
emporgehaltenen Petrus eine in der Sage gebildete allego-
risch-mythische Darstellung jener Glaubensprobe zu fin-
den, welche der so stark sich dünkende Jünger so schwach
bestanden, und nur durch höheren Beistand glücklich über-
standen hat 15).
Doch auch der Relation des vierten Evangeliums fehlt
es nicht an einigen eigenthümlichen Zügen, die einen un-
historischen Charakter verrathen. Von jeher hat es den
Harmonisten Kreuz gemacht, daſs nach Matthäus und Mar-
kus das Schiff erst ungefähr in der Mitte des Sees sich
befand, als Jesus demselben begegnete: nach Johannes aber
bald vollends das jenseitige Ufer erreicht gehabt haben soll;
daſs nach jenen Jesus wirklich noch in das Schiff stieg,
und darauf der Sturm sich legte: nach Johannes dagegen
die Jünger ihn zwar in das Schiff nehmen wollten, die
wirkliche Aufnahme aber durch das sogleich erfolgte An-
landen überflüssig gemacht wurde. Zwar fand man auch
hier Ausgleichungen in Menge: das zu λαβεῖν gesezte ἤϑε-
λον sollte bald abundiren, bald, wie wenn es ἐϑέλοντες
ἔλαβον hieſse, die freudige Aufnahme bezeichnen, bald nur
den ersten Eindruck beschreiben, welchen das Erkennen
Jesu auf die Jünger gemacht habe, wobei die später wirk-
lich erfolgte Aufnahme in das Schiff verschwiegen sei 16).
Doch zu einer solchen Deutung liegt der einzige Anlaſs in
der unbefugten Vergleichung der Synoptiker: in der Er-
zählung des Johannes für sich liegt nicht nur kein Grund
dafür, sondern ein entschiedener dagegen. Denn der hin-
zugefügte Saz: εὐϑέως τὸ πλοῖον ἐγένετο ἐπὶ τῆς γῆς, εἰς
ἣν ὑπῆγον, wenn er auch nicht durch δὲ, sondern durch
15) Schneckenburger, über den Ursprung u. s. f. S. 68 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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