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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Neuntes Kapitel. §. 98.
wunderbarer Vermehrung eines schon vorhandenen, aber
unzureichenden Vorraths die Rede ist, so dass die Kluft
zwischen der mosaischen Erzählung und der evangelischen
zu gross wäre, um diese unmittelbar aus jener ableiten zu
können. Sehen wir uns hier nach einem Mittelglied um,
so trifft es sich ganz sachgemäss, dass zwischen Moses und
den Messias auch in diesem Stück die Propheten eintreten.
Von Elias ist es bekannt, wie durch ihn und um seinet-
willen der geringe Vorrath an Mehl und Öl, den er bei
der Wittwe zu Zarpath fand, wunderbar vermehrt, oder
näher während der ganzen Dauer einer Hungersnoth zu-
reichend erhalten wurde (1 Kön. 17, 8--16.). Noch wei-
ter, und mehr zur Ähnlichkeit mit der evangelischen Er-
zählung entwickelt findet sich diese Wundergeschichte bei
Elisa (2. Kön. 4, 42 ff.). Dieser will, wie Jesus in der
Wüste mit 5 Broten und 2 Fischen 5000, so während ei-
ner Hungersnoth mit 20 Broten (welche, wie die von Jesu
vertheilten bei Johannes, als Gerstenbrote bezeichnet wer-
den) nebst etwas zerriebenem Getreide (k'ar@mel, LXX: pa-
lathas) 100 Menschen speisen, ein Missverhältniss zwischen
Vorrath und Mannschaft, welches sein Diener, wie dort
Jesu Jünger, in der Frage ausdrückt, was denn für 100
Mann diess Wenige solle 14)? Elisa wie Jesus lässt sich
dadurch nicht irren, sondern befiehlt dem Diener, das
Vorhandene dem Volk zu essen zu geben, und wie in der
evangelischen Erzählung das Sammeln der übriggebliebenen
Brocken, so wird auch in der A. T.lichen am Schlusse
das besonders hervorgehoben, dass unerachtet von dem Vor-
rath so Viele gegessen hatten, doch noch Überschuss sich

14) [Spaltenumbruch] 2. Kön. 4, 43. LXX:
ti do touto enopion ekaton
andron

[Spaltenumbruch] Joh. 6, 9:
alla tauta ti esin eis tosoutous;

Neuntes Kapitel. §. 98.
wunderbarer Vermehrung eines schon vorhandenen, aber
unzureichenden Vorraths die Rede ist, so daſs die Kluft
zwischen der mosaischen Erzählung und der evangelischen
zu groſs wäre, um diese unmittelbar aus jener ableiten zu
können. Sehen wir uns hier nach einem Mittelglied um,
so trifft es sich ganz sachgemäſs, daſs zwischen Moses und
den Messias auch in diesem Stück die Propheten eintreten.
Von Elias ist es bekannt, wie durch ihn und um seinet-
willen der geringe Vorrath an Mehl und Öl, den er bei
der Wittwe zu Zarpath fand, wunderbar vermehrt, oder
näher während der ganzen Dauer einer Hungersnoth zu-
reichend erhalten wurde (1 Kön. 17, 8—16.). Noch wei-
ter, und mehr zur Ähnlichkeit mit der evangelischen Er-
zählung entwickelt findet sich diese Wundergeschichte bei
Elisa (2. Kön. 4, 42 ff.). Dieser will, wie Jesus in der
Wüste mit 5 Broten und 2 Fischen 5000, so während ei-
ner Hungersnoth mit 20 Broten (welche, wie die von Jesu
vertheilten bei Johannes, als Gerstenbrote bezeichnet wer-
den) nebst etwas zerriebenem Getreide (כַּרְמֶל, LXX: πα-
λάϑας) 100 Menschen speisen, ein Miſsverhältniſs zwischen
Vorrath und Mannschaft, welches sein Diener, wie dort
Jesu Jünger, in der Frage ausdrückt, was denn für 100
Mann dieſs Wenige solle 14)? Elisa wie Jesus läſst sich
dadurch nicht irren, sondern befiehlt dem Diener, das
Vorhandene dem Volk zu essen zu geben, und wie in der
evangelischen Erzählung das Sammeln der übriggebliebenen
Brocken, so wird auch in der A. T.lichen am Schlusse
das besonders hervorgehoben, daſs unerachtet von dem Vor-
rath so Viele gegessen hatten, doch noch Überschuſs sich

14) [Spaltenumbruch] 2. Kön. 4, 43. LXX:
τί δῶ τοῦτο ἐνώπιον ἑκατὸν
ἀνδρῶν

[Spaltenumbruch] Joh. 6, 9:
ἀλλὰ ταῦτα τί ἐςιν εἰς τοσουτους;
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[217/0236] Neuntes Kapitel. §. 98. wunderbarer Vermehrung eines schon vorhandenen, aber unzureichenden Vorraths die Rede ist, so daſs die Kluft zwischen der mosaischen Erzählung und der evangelischen zu groſs wäre, um diese unmittelbar aus jener ableiten zu können. Sehen wir uns hier nach einem Mittelglied um, so trifft es sich ganz sachgemäſs, daſs zwischen Moses und den Messias auch in diesem Stück die Propheten eintreten. Von Elias ist es bekannt, wie durch ihn und um seinet- willen der geringe Vorrath an Mehl und Öl, den er bei der Wittwe zu Zarpath fand, wunderbar vermehrt, oder näher während der ganzen Dauer einer Hungersnoth zu- reichend erhalten wurde (1 Kön. 17, 8—16.). Noch wei- ter, und mehr zur Ähnlichkeit mit der evangelischen Er- zählung entwickelt findet sich diese Wundergeschichte bei Elisa (2. Kön. 4, 42 ff.). Dieser will, wie Jesus in der Wüste mit 5 Broten und 2 Fischen 5000, so während ei- ner Hungersnoth mit 20 Broten (welche, wie die von Jesu vertheilten bei Johannes, als Gerstenbrote bezeichnet wer- den) nebst etwas zerriebenem Getreide (כַּרְמֶל, LXX: πα- λάϑας) 100 Menschen speisen, ein Miſsverhältniſs zwischen Vorrath und Mannschaft, welches sein Diener, wie dort Jesu Jünger, in der Frage ausdrückt, was denn für 100 Mann dieſs Wenige solle 14)? Elisa wie Jesus läſst sich dadurch nicht irren, sondern befiehlt dem Diener, das Vorhandene dem Volk zu essen zu geben, und wie in der evangelischen Erzählung das Sammeln der übriggebliebenen Brocken, so wird auch in der A. T.lichen am Schlusse das besonders hervorgehoben, daſs unerachtet von dem Vor- rath so Viele gegessen hatten, doch noch Überschuſs sich 14) 2. Kön. 4, 43. LXX: τί δῶ τοῦτο ἐνώπιον ἑκατὸν ἀνδρῶν Joh. 6, 9: ἀλλὰ ταῦτα τί ἐςιν εἰς τοσουτους;

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/236>, abgerufen am 24.11.2024.