male derselben, d. h. dass sie ausserordentliche Erfolge waren, etwas Wünschenswerthes, nämlich den Glauben der Anwesenden, zur Folge hatte, sondern auch ihrem Materialen, d. h. dass sie in Heilungen, Speisungen u. dgl. bestanden, eine wohlthätige Absicht zum Grunde lag. Bei dem gegenwärtigen Wunder fehlt diese Seite, und Paulus hat so Unrecht nicht, wenn er auf den Widerspruch auf- merksam macht, welcher darin liege, dass Jesus zwar dem Versucher gegenüber jede Aufforderung zu solchen Wun- dern, die, ohne materiell wohlthätig, und durch ein drin- gendes Bedürfniss gefordert zu sein, nur formell etwa Glau- ben und Bewunderung wirken könnten, abgewiesen, und nun doch ein solches Wunder gethan haben sollte 9).
Man war daher supranaturalistischerseits auf die Wen- dung angewiesen, nicht Glauben überhaupt, welcher eben- so gut oder noch besser durch eine auch materiell wohl- thätige Wunderhandlung zu bewirken war, sondern eine ganz specielle, eben nur durch dieses Wunder zu bewir- kende Überzeugung habe Jesus durch dasselbe hervorbrin- gen wollen. Und hier lag nun nichts näher, als durch den Gegensaz von Wasser und Wein, um welchen sich das Wunder dreht, an den Gegensaz zwischen dem baptizon en udati (Matth. 3, 11.), der zugleich ein oi non me pinon war (Luc. 1, 15. Matth. 11, 18.), und demjenigen, wel- cher, wie er mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufte, so auch die feurige, geistreiche Frucht des Weinstocks sich nicht versagte, und daher oinopotes gescholten ward (Matth. 11, 19.), erinnert zu werden, um so mehr, da das vierte Evangelium, welches die Erzählung von der Hoch- zeit zu Kana enthält, in seinen ersten Abschnitten beson- ders die Tendenz zeigt, vom Täufer zu Jesu herüberzufüh- ren. Daher haben denn Herder10) und nach ihm einige
9) Comm. 4, S. 151 f.
10) Von Gottes Sohn u. s. f. nach Johannes Evangelium, S. 131 f.
Das Leben Jesu II. Band. 15
Neuntes Kapitel. §. 99.
male derselben, d. h. daſs sie ausserordentliche Erfolge waren, etwas Wünschenswerthes, nämlich den Glauben der Anwesenden, zur Folge hatte, sondern auch ihrem Materialen, d. h. daſs sie in Heilungen, Speisungen u. dgl. bestanden, eine wohlthätige Absicht zum Grunde lag. Bei dem gegenwärtigen Wunder fehlt diese Seite, und Paulus hat so Unrecht nicht, wenn er auf den Widerspruch auf- merksam macht, welcher darin liege, daſs Jesus zwar dem Versucher gegenüber jede Aufforderung zu solchen Wun- dern, die, ohne materiell wohlthätig, und durch ein drin- gendes Bedürfniſs gefordert zu sein, nur formell etwa Glau- ben und Bewunderung wirken könnten, abgewiesen, und nun doch ein solches Wunder gethan haben sollte 9).
Man war daher supranaturalistischerseits auf die Wen- dung angewiesen, nicht Glauben überhaupt, welcher eben- so gut oder noch besser durch eine auch materiell wohl- thätige Wunderhandlung zu bewirken war, sondern eine ganz specielle, eben nur durch dieses Wunder zu bewir- kende Überzeugung habe Jesus durch dasselbe hervorbrin- gen wollen. Und hier lag nun nichts näher, als durch den Gegensaz von Wasser und Wein, um welchen sich das Wunder dreht, an den Gegensaz zwischen dem βαπτίζων ἐν ὕδατι (Matth. 3, 11.), der zugleich ein οἶ νον μὴ πίνων war (Luc. 1, 15. Matth. 11, 18.), und demjenigen, wel- cher, wie er mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufte, so auch die feurige, geistreiche Frucht des Weinstocks sich nicht versagte, und daher οἰνοπότης gescholten ward (Matth. 11, 19.), erinnert zu werden, um so mehr, da das vierte Evangelium, welches die Erzählung von der Hoch- zeit zu Kana enthält, in seinen ersten Abschnitten beson- ders die Tendenz zeigt, vom Täufer zu Jesu herüberzufüh- ren. Daher haben denn Herder10) und nach ihm einige
9) Comm. 4, S. 151 f.
10) Von Gottes Sohn u. s. f. nach Johannes Evangelium, S. 131 f.
Das Leben Jesu II. Band. 15
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Neuntes Kapitel. §. 99.
male derselben, d. h. daſs sie ausserordentliche Erfolge
waren, etwas Wünschenswerthes, nämlich den Glauben
der Anwesenden, zur Folge hatte, sondern auch ihrem
Materialen, d. h. daſs sie in Heilungen, Speisungen u. dgl.
bestanden, eine wohlthätige Absicht zum Grunde lag. Bei
dem gegenwärtigen Wunder fehlt diese Seite, und Paulus
hat so Unrecht nicht, wenn er auf den Widerspruch auf-
merksam macht, welcher darin liege, daſs Jesus zwar dem
Versucher gegenüber jede Aufforderung zu solchen Wun-
dern, die, ohne materiell wohlthätig, und durch ein drin-
gendes Bedürfniſs gefordert zu sein, nur formell etwa Glau-
ben und Bewunderung wirken könnten, abgewiesen, und
nun doch ein solches Wunder gethan haben sollte 9).
Man war daher supranaturalistischerseits auf die Wen-
dung angewiesen, nicht Glauben überhaupt, welcher eben-
so gut oder noch besser durch eine auch materiell wohl-
thätige Wunderhandlung zu bewirken war, sondern eine
ganz specielle, eben nur durch dieses Wunder zu bewir-
kende Überzeugung habe Jesus durch dasselbe hervorbrin-
gen wollen. Und hier lag nun nichts näher, als durch den
Gegensaz von Wasser und Wein, um welchen sich das
Wunder dreht, an den Gegensaz zwischen dem βαπτίζων
ἐν ὕδατι (Matth. 3, 11.), der zugleich ein οἶ νον μὴ πίνων
war (Luc. 1, 15. Matth. 11, 18.), und demjenigen, wel-
cher, wie er mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufte,
so auch die feurige, geistreiche Frucht des Weinstocks
sich nicht versagte, und daher οἰνοπότης gescholten ward
(Matth. 11, 19.), erinnert zu werden, um so mehr, da das
vierte Evangelium, welches die Erzählung von der Hoch-
zeit zu Kana enthält, in seinen ersten Abschnitten beson-
ders die Tendenz zeigt, vom Täufer zu Jesu herüberzufüh-
ren. Daher haben denn Herder 10) und nach ihm einige
9) Comm. 4, S. 151 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/244>, abgerufen am 21.11.2024.
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